4. April 2023 2 Likes

„The Power“/„Die Gabe“ bei Amazon Prime

Die Verfilmung von Naomi Aldermans Bestseller über weibliche Machtergreifung und ihre (möglichen) Konsequenzen

Lesezeit: 3 min.

Würde man eine KI wie ChatGBT darum bitten, eine sehr zeitgeistige Geschichte über weibliche Ermächtigung zu schreiben, könnte als Ergebnis so etwas wie Naomi Aldermans „Die Gabe“ (im Shop) herauskommen – zumindest im Ansatz. Wie gemacht für eine Serien-Adaption erscheint der 2016 erschienene, vielfach ausgezeichnete Roman der britischen Autorin, nach einem intensiven Wettbieten schnappte sich Amazon die Rechte und legt nun die erste, neun Teile lange Staffel vor.

Sie beginnt mit Bildern von Chaos und Gewalt, Bränden und Anarchie, um dann sechs Monate zurückzuspringen, in eine friedlichere Zeit, zumindest für die Männer. Das Patriarchat ist noch an der Macht, doch etwas tut sich. Junge Frauen in aller Welt entdecken, dass sie eine Gabe haben, dass sie zwischen ihren Händen elektrische Impulse erzeugen können. In Seattle ist das Jos (Auli’i Cravalho), die Tochter der Bürgermeisterin Margot (Toni Collette), die mehr schlecht als recht versucht, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. In London entdeckt Roxy (Ria Zmitrowicz), illegitime Tochter von Gangsterboss Bernie Monke (Eddie Marsan) ihre Fähigkeiten, während es im amerikanischen Süden das Waisenmädchen Allie (Halle Bush) ist, das seine neue Macht gleich dazu einsetzt, sich des Adoptivvaters zu entledigen, der sie missbraucht.

Im afrikanischen Nigeria wiederum lebt Tunde (Toheeb Jimoh), die wichtigste männliche Figur der Geschichte, ein Journalist, der den merkwürdigen Ereignissen auf der Spur ist und die disparaten Erzählstränge lose verbindet. Denn an den über zahlreiche Kontinente verteilten Handlungssträngen lässt sich gut sehen, warum die Geschichte als Buch besser funktioniert denn als TV-Serie. Allzu ähnlich wirken die Erzählungen um die jungen Frauen, die ihre Gabe entdecken, mit der ungewohnten Macht kämpfen, hadern, wie, ob und wenn ja, gegen wenn sie sie einsetzen wollen.

Erst nach und nach entwickelt die erste Staffel eine gewisse Tiefe, kommen die Aspekte zum Tragen, die Naomi Aldermans Roman zu mehr machten, als einem Zeitgeistphänomen, zu mehr als einer allzu schlichten Geschichte über weibliche Emanzipation. Sind es Anfangs noch nur junge Frauen, die die Gabe haben, gelingt es ihnen bald, auch älteren Frauen eine Macht zu verleihen, deren Missbrauchspotential auf der Hand liegt. Im Kampf gegen die Unterdrückungsmechanismen des Patriarchat lassen die Frauen nun nicht etwa eine gerechte Welt entstehen, sondern drehen den Spieß einfach um. Eine Form der Unterdrückung wird durch eine andere ersetzt, was man nach Jahrhunderten des Patriarchats zwar für ausgleichende Gerechtigkeit halten mag, aber gerecht ist natürlich auch diese Form der Unterdrückung nicht.

Wie so viele Serien dieser Tage, scheint auch „The Power“ darauf angelegt zu sein, möglichst viele Staffeln zu generieren. Neun Folgen lang lässt sich nun die erste Staffel Zeit und erzählt dabei kaum mehr als den Anfang der Geschichte. Die Ambivalenz mit der Naomi Alderman beschreibt, wie eine Umkehr der Machtstrukturen aussehen könnte, ist jedoch immer wieder zu spüren und lässt die Serie zu mehr werden als nur einer weiblichen Ermächtigungsfantasie.

The Power • USA 2023 • Creator: Raelle Tucker, Naomi Alderman, Claire Wilson, Sarah Quintrell • Darsteller: Toni Collette, Auliʻi Cravalho, John Leguizamo, Toheeb Jimoh, Ria Zmitrowicz • neun Teile, jeden Freitag eine neue Folge bei Amazon Prime

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