„Aggro Dr1ft“: Die Zukunft des Kinos?
Oder einfach nur eine Provokation von Harmony Korine?
Harmony Korine hatte seine Karriere 1995 im Alter von 19 Jahren mit dem Drehbuch zum 90er-Jahre-Klassiker „Kids“ begonnen, der einst Schockwellen durch Publikum wie Presse sandte, da man die Jugend noch nie zuvor so ungefiltert auf der Leinwand erleben konnte: Hedonistisch bis zum Anschlag, inklusive emsigen Gebrauch von Drogen und großer Freude am Geschlechtsverkehr.
Korine wurde in den Jahren danach zum prominenten Bad Boy und machte immer wieder mit höchst ungewöhnlichen, äußerst konfrontationsfreudigen Projekten auf sich aufmerksam („Gummo“, „Trash Humpers“, „Spring Breakers“) und daran hat sich auch im Alter von 50 Jahren nichts geändert – so stürmten bei der Premiere seines neuen Films „Aggro Dr1ft“ auf den internationalen Filmfestspielen von Venedig offenbar so viele Leute wie selten zuvor aus dem Saal. Die Verbliebenen waren aber begeistert und verliehen ihrem Zuspruch mit einer 10-minütigen standing ovation Ausdruck.
Der Grund für die heftigen Reaktionen: „Aggro Dr1ft“ soll offenbar nahezu inhaltslos sein (es geht um einen melancholischen Auftragskiller, der einen teuflischen Drogenboss erledigen will), dafür aber mit einer Optik aufwarten, wie man sie noch nie zuvor gesehen hat: Das Projekt wurde mittels thermischer Infrarot-Fotografie gedreht, die Bilder zusätzlich noch mit KI manipuliert. Mit herkömmlicher Spielfilmästhetik hat das nichts mehr zu tun. Das Gesamtpaket soll sich jedenfalls eng an die Gamingkultur anlehnen, in der Werbung zum Film und auch in den wenigen wohlwollenden Reviews wird von der „Zukunft des Films“ gesprochen.
Natürlich, gerade bei Korine, der in Venedig die Pressekonferenz mit einer vom Film inspirierten, dämonischen Maske, bestritt, schwingt immer, durchaus humorige, Selbstinszenierung mit, anderseits macht der heiß umstrittene Regisseur mit seiner Aussage, dass seine neuste Schandtat auf der Idee basiert, dass Atmosphäre fast das Wichtigste ist, durchaus auch neugierig. Es wurde in den letzten Jahren häufig – nicht zuletzt dank der Flut an Literaturverfilmungen – oft vergessen, dass Film letztendlich weitaus mehr ist als die Bebilderung von Text.
Mitspielen tun Jordi Mollà („Jack Ryan“) und Rapper Travis Scott. Sehr schön: Zu der extravaganten Optik gesellt sich ein ganz besonderer Soundtrack, denn die Musik zum Film stammt von Produzent und DJ AraabMuzik, der sich durch seine schier unfassbaren Live-Shows (siehe Video unten) nahezu Legendenstatus gesichert hat und hier sein Soundtrack-Debüt abgibt.
Einen Kinostart scheint’s noch nirgends zu geben, bisher läuft das Ding nur auf Festivals, es ist aber schwer zu hoffen, dass Kinoeinsätze folgen. Ich würde wetten, dass „Aggro Dr1ft“, wenn, dann vor allem auf großer Leinwand mit Rundumbeschallung funktioniert.
Einen Trailer gibt’s auch noch nicht, dafür einen ganz kurzen Teaser, der zumindest eine gewisse Ahnung von dem vermittelt, was da auf uns zukommt (im Anschluss an den Teaser kommen Clips von Korines neuer Firma Edglrd).
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