11. Juni 2024

„Galapagos“ von Kurt Vonnegut

Eine satirische Roman-Kreuzfahrt hin zur nächsten Stufe der menschlichen Evolution

Lesezeit: 3 min.

1969 veröffentlichte der US-amerikanische Schriftsteller Kurt Vonnegut (im Shop) seinen großen Roman „Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug“ , in dem er u. a. mittels Zeitreisen und UFOs seine Erfahrungen als Kriegsgefangener in Deutschland sowie des erlebten Luftangriffs auf Dresden verarbeitete – und so ein Werk der Weltliteratur schuf. Darüber hinaus verfasste Vonnegut (1922–2007) weitere Romane wie „Die Sirenen des Saturn“ (im Shop), „Katzenwiege“ und „Galgenvogel“, dazu kommen ein Dutzend Sammlungen mit Kurzgeschichten und Essays, aus Themennähe und reiner Freude am Titel sei hier das Buch „Armageddon in Retrospect“ genannt. Auf Deutsch ist nun eine durchgesehene Ausgabe seines Romans „Galapagos“ (im Shop) erschienen.

Vier Jahre vor der englischsprachigen Erstveröffentlichung von „Galapagos“ im Jahre 1985 hatte Kurt Vonnegut mit seiner zweiten Frau Jill eine Kreuzfahrt zu den vulkanischen Galapagosinseln gemacht. Der angesehene Autor verbrachte zwei Wochen auf dem Archipel – genauso lange, wie Charles Darwin, dessen Name einem sofort in den Sinn schießt, sobald man den Namen „Galapagos“ hört. Darwins Evolutionstheorie zieht sich dann auch wie ein roter Faden durch die Geschichte und ihr Thema. Das beginnt schon damit, dass der Roman, den Mr. Vonnegut ein Jahr in der damaligen Zukunft einsetzen ließ (sprich: 1986), und dabei von einem Geist eine Million Jahre in der Zukunft erzählen lässt.

So blickt er mit einem gewissen Insider-Wissen, aber auch futuristischer Distanz und Belustigung auf ein Katastrophenjahr der Menschheit, das von einer weltweiten Wirtschaftskrise bis hin zu einer Massen-Unfruchtbarkeit eine Menge zu bieten hat. Zum Glück (na ja …) machen ein paar wenige Individuen trotzdem einer Kreuzfahrt zu den Galapagosinseln – und sorgen so für den Fortbestand der Menschheit – die sich von ihnen und einem pelzigen Kind ausgehend erheblich entwickelt und verändert , wie unser zwischen Damals und Morgen verhafteter Geist zu berichten weiß. Leider (oder typischerweise, laut Vonnegut) tummeln sich auf Schiff uns Insel nicht die körperlich, intellektuell, psychologisch oder moralisch „fittesten“ Individuen. Von wegen survival of the fittest. Doch hier liegt eben auch Vonneguts Punchline, der Kern seiner Betrachtung von uns Menschen innerhalb der Darwinistischen Lehre bzw. Maxime.

Dabei ist Kurt Vonneguts Klassiker keine lineare Erzählung, nicht die schwerpunktmäßige Geschichte seiner Schiffbrüchigen auf den Inseln der Riesenschildkröten, Finken, Meerechsen und Kormorane. Nein, das Geschehen auf der dem Darwin berühmt gemachten Archipel unter ecuadorianischer Flagge handelt Vonnegut lange eher zwischendurch ab. Einen Großteil des Buches machen die fiktiven Lebensgeschichten der letzten menschlichen Ahnen aus, und hier setzt Vonnegut auf schräge Satire und bissigen Zynismus. Ob Kapitalismus, Eheleben oder technologischer Fortschritt – in kurzen, witzigen, launigen Szenen fleddert sich Vonnegut durch die moderne Gesellschaft der 1980er, die trotz aller Errungenschaften dem Niedergang geweiht ist. Das Erschreckende daran ist, wie vertraut und aktuell sich vieles davon im Sommer 2024 liest (was nicht bloß an dem Vorreiter unserer mobilen Gadgets liegt, die Vonnegut in seine Wirklichkeit eingebaut hat) …

Schuld am Niedergang sind, das verrät der geisterhafte Erzähler früh in „Galapagos“ und erwähnt es noch ein paar Mal, die viel zu großen Gehirne der Menschen ‚von damals’, gewissermaßen also noch immer von uns heute. Und wer will schon Kurt Vonnegut widersprechen, wenn er Charles Darwin widerspricht?

Kurt Vonnegut: Galapagos • Roman • Aus dem Amerikanischen von Lutz-W. Wolff • Heyne, München 2024 • 336 Seiten • Erhältlich als Paperback und eBook • Preis des Paperbacks: € 17,00 • im Shop

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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – im Mai 2024 ist bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszoneerschienen.

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