22. März 2012

Auf der Suche nach Hirn

„Die Nacht der lebenden Trekkies“ – Zombies fressen Fans

Lesezeit: 3 min.

»Die Nacht der lebenden Trekkies« (im Shop ansehen) ist ein Roman, der eine gewisse Art von Vorbildung, und zwar eine sehr spezielle Vorbildung erfordert: Man sollte den größten Teil der Folgen aller Fernsehserien aus dem Star Trek-Universum gesehen haben. Besser noch, man hat sie alle gesehen, und zwar mehrmals, und die Kinofilme auch. Die Kenntnis einiger Zombie-Streifen wäre ebenfalls hilfreich, ist aber nicht zwingend nötig. Und um einige Anspielungen würdigen zu können, braucht man Grundkenntnisse in Star Wars.

Ein Science-Fiction-Nerd-Roman also?

Aber ja.

Der Roman spielt während einer Star Trek-Convention in Houston, Texas – also in einem Hotelkomplex voller als Spock, Uhura oder sonst wer kostümierter Menschen, einem Tohuwabohu aus Klingonen, Andorianern und anderen extraterrestrischen Spezies, die sich Star Trek-typisch nur durch ihre aufgeschminkte Hautfarbe und die in ihren Gesichtern klebenden Anbauteile unterscheiden. Leider befindet sich ganz in der Nähe eine Basis der Air Force, unter der allerlei Lebewesen unter Hochsicherheitsverschluss gehalten werden, die niemals frei herumlaufen dürfen – und offenbar ist ir­gend­ein Idiot auf die Idee verfallen, das Sicherheitssystem mit Windows laufen zu lassen: Etwas kommt frei! (Später stellt sich heraus, dass es sich um Sabotage handelt.)

Den Rest der Handlung kann man sich denken, weil er den üblichen Mustern der einschlägigen Zombiefilme folgt. Dabei denken die Figuren mehr als einmal darüber nach, dass sie sich gerade benehmen wie die typische Besetzung eines Untoten-Films. Das macht einen Teil des Spaßes aus, ein weiterer wichtiger Teil beruht auf dem steten Gewitter von Anspielungen und serien­internen Gags, die den SF-Fan fröhlich und schadenfroh vor sich hin glucksen lassen, während sich die Leichen im Hotel türmen … äh, im Hotel herumschlurfen.

Ein paar besonders schöne Sätze lauten: »Lieber habe ich Untote am Hals als eine Bande von Babylon 5-Fans!« und »Die Party ist gelaufen. Denen ist gerade der Blutwein ausgegangen!« sowie »Ich verbiete allen, optimistische Ansichten zu äußern!«

Immer wieder kabbelt sich das – stetig ausgedünnte – Personal darum, aus welchem Film oder welcher Folge der soeben zum Besten gegebene Satz denn nun stammt, selbst wenn die Situation gerade keinerlei Anlass zu Schabernack gibt, oder es stimmt im (un)passenden Moment die dramatische Fanfare an, die im Fernsehen die Werbepause ankündigt. Immer wieder wird debattiert, wer jetzt das berühmte rote Hemd anhat. Und auch der Wett­bewerb der Trekkies, einen möglichst exotischen Star Trek-Charakter zu verkörpern (den die anderen Fans nicht erkennen), ist für mehr als eine komische Stelle gut. Oft schrammen die Dialoge sowieso knapp am Wissens-Quiz vorbei (»In welcher Folge sagte Kirk …«).

Natürlich bleibt der Roman seinem Star Trek-Thema bis zum Ende auch in der Handlungsführung treu: Die Existenz und die Entwicklung der Zombies wird einer völlig logischen, SF-typischen Erklärung zugeführt. Es handelt sich um Außerirdische, die in jedem infizierten Toten ein Alien-Nervensystem installieren (wobei die Quelle der Bedrohung ein Zitat aus Michael Crichtons »Andromeda« ist). Sämtliche Kapitel tragen den Titel einer Star Trek-Folge oder eines -Films; hätte man alle Anspielungen mit Fußnoten erläutert – allein die Wesley-Crusher-Witze! –, wäre der Roman doppelt so umfangreich geworden.

Schriftstellerisch wird natürlich nur Hausmannskost geboten: Die Splatter-Szenen sind wenig überzeugende Aufzählungen von Verletzungen und zweckentfremdeten inneren Organen und die inflationäre Verwendung des Wortes »Grauen« macht nun wirklich nichts gruseliger. Die Versuche, den Charakteren ein wenig Tiefe zu verleihen, sind aller Ehren wert, versickern im Hagelschauer des tieferen (Fan-)Blödsinns aber im Zombieblut. Aber, hey, es ist ein Spaß, ein Stück professionell gemachter fan fiction, und als Spaß funktioniert »Die Nacht der lebenden Trekkies« ausgesprochen gut. Ob die Ferengis in der Paramount-Chefetage irgendjemandem gestatten, daraus einen Film zu machen (viel trennt den Roman nicht von einem ersten Drehbuchentwurf), steht in den Sternen, ist aber nicht auszuschließen. Hallo, Herr Vuo­rensola?

Kevin David Anderson/Sam Stall: Die Nacht der lebenden Trekkies • Roman · Aus dem Amerikanischen von Ronald M. Hahn · Wilhelm Heyne Verlag, München 2011 · 300 Seiten · € 7,99 (im Shop ansehen)

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