15. Juli 2024

„The Soul Station“ – Zwischen Kunst und Games

Die LAS Art Foundation in Berlin zeigt eine interaktive, anspruchsvolle Ausstellung

Lesezeit: 3 min.

Games sind aus dem Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken, sie generieren oft mehr Umsatz als Hollywood-Filme, finden in der wissenschaftlichen Forschung Einsatz und zunehmend auch in der Kunst. Gerade der Wunsch nach interaktiven, immersiven Erlebnissen macht Games quasi zu einem No Brainer für Künstler – zumindest auf den ersten Blick. Welche Möglichkeiten, aber auch Fallstricke es beim Versuch gibt, Kunst mit Games zu verbinden, zeigt nun eine Ausstellung an prominentem Berliner Ort: Der Halle am Berghain.

Direkt neben dem legendären Club, wo am Wochenende Hedonisten aus aller Welt den Alltag vergessen, genderfluide Menschen in gewisser Weise ihre Individualität aufgeben, um in einer kollektiven Masse aufzugehen, findet die erste Einzelausstellung von Danielle Brathwaite-Shirley statt, einer britischen Künstlerin, die Games als Ausdrucksform verwendet: The Soul Station.


Danielle Brathwaite-Shirley, YOU CAN’T HIDE ANYTHING, 2024. Von LAS Art Foundation in Auftrag gegeben. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin; LAS Art Foundation. © Danielle Brathwaite-Shirley

Die aus London stammende Brathwaite-Shirley passt perfekt in das künstlerische Konzept der LAS Art Foundation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Zukunftsvisionen Gestalt zu geben, zu fragen, wie Menschen mit anderen Wesen, von Robotern bis zu Künstlichen Intelligenzen, kommunizieren und leben können und wie all das mit aktuellen Diskussionen um Postkolonialität oder queeren Identitäten zusammenhängt.

Nicht unbedingt der zugänglichste Ansatz, der ein wenig im Widerspruch zu den Worten der Leiterin der LAS steht, die vom Wunsch spricht, niedrigschwellige Kunst zu zeigen, die zunächst einmal ästhetisch anspricht und leicht zugänglich ist.


Danielle Brathwaite-Shirley, THE SOUL STATION, 2024. Installationsansicht der Halle am Berghain, Berlin. Von LAS Art Foundation in Auftrag gegeben. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin; LAS Art Foundation. Foto: Alwin Lay

Betritt man die dunkle, von Nebelschwaden durchzogene Halle, hat man jedoch zunächst den gegenteiligen Eindruck: Frontal öffnet sich eine Art Auditorium, wo sich die Hauptarbeit der Ausstellung befindet, ein Multi-Player-Game, in dem jedoch vor allem der Leader, der Anführer, aktiv in die digitalen Bilder eingreift. Mittels Joystick fährt der Leader durch eine höhlen- oder vielmehr höllenartige Welt aus grob animierten Bildern, in denen Sklaven nach Freiheit verlangen. Jedes Mal, wenn man einer solchen Figur begegnet, entspinnt sich ein Dialog, nach dem die im Rund versammelten Mitspieler auf ihren Touchpads darüber abstimmen können, ob die Figur befreit wird oder versklavt bleibt.

Um dieses Hauptsegment sind wiederum kleinere Monitore aufgebaut, sogenannte Soul Stations, an denen die Besucher sich an etwas rätselhaften Spielen versuchen können, deren Antworten im Hauptspiel, aber auch in den ebenfalls auszuprobierenden älteren Spielen verbergen, die ebenfalls in der Halle aufgebaut sind.


Danielle Brathwaite-Shirley, THE SOUL STATION, 2024. Installationsansicht der Halle am Berghain, Berlin. Von LAS Art Foundation in Auftrag gegeben. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin; LAS Art Foundation. Foto: Alwin Lay

Hört sich etwas kompliziert an? Das ist es auch, zumal der kakophone Ton in der Halle das Fokussieren auf einen Monitor zusätzlich erschwert. Dass sich zudem die Funktion von Joystick und Knöpfen nicht immer logisch erschließt, liegt natürlich in der Natur der Games, die zwar im besten Fall von halbwegs erfahrenen Gamern organisch erfasst werden können, oft aber eben eine nicht unerhebliche Eingewöhnungszeit verlangen.

Die ist auch hier nötig und belohnt die Geduld mit graphisch zwar gewöhnungsbedürftigen Bildern, die aber auf vielschichtige Weise relevante Themen verhandeln. Von Klimawandel bis Alltagsrassismus reichen die Sujets der Games, die Danielle Brathwaite-Shirley in den letzten Jahren entwickelt hat und den Zuschauer mit vielfältigen Fragen zu Identität, Toleranz oder unterschwelligem Rassismus und Homophobie konfrontieren. Um an diesen Kern zu gelangen bedarf es allerdings einer sehr intensiven Auseinandersetzung, bei der das Label „Games“ fast im Wege steht. Spielerisch ist hier kaum etwas, aber es lohnt sich, über die Oberflächenreize hinauszublicken, um an die Substanz, quasi die Seele dieser Kunst, zu gelangen.

Abb. ganz oben: Danielle Brathwaite-Shirley, THE SOUL STATION, 2024. Installationsansicht der Halle am Berghain, Berlin. Von LAS Art Foundation in Auftrag gegeben. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin; LAS Art Foundation. Foto: Alwin Lay

The Soul Station • Berlin, Halle am Berghain • bis 13. Oktober 2024


Danielle Brathwaite-Shirley, THE SOUL STATION, 2024. Installationsansicht der Halle am Berghain, Berlin. Von LAS Art Foundation in Auftrag gegeben. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin; LAS Art Foundation. Foto: Alwin Lay

 

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