Wertvolles Plastik
Leben wie die Walkaways: Dave Hakkens entwickelt Plastik-Recycling-Maschinen zum Nachbauen
In Cory Doctorows neuem Roman „Walkaway“ (im Shop) bauen sich eine Reihe von technisch versierten Aussteigern eine Parallelgesellschaft in den Teilen Kanadas auf, die keiner mehr haben will – weil das Land verseucht ist, weil es Wildnis ist, weil die Küstenstädte überflutet wurden, als die Meeresspiegel stiegen. Sie entwickeln eigene Gesellschaftsstrukturen, dekontaminieren das Land, füttern Schrott und Abfälle ihren 3D-Druckern, um sich Häuser, Kleidung, Nahrung und Medikamente zu machen, und verfolgen einen Lebensstil, der sich von denen der Norm-Gesellschaft nicht stärker unterscheiden könnte. Diese Gesellschaft funktioniert nicht nur, sie funktioniert sogar so gut, dass die reichen Kapitalisten ihre Existenz bedroht sehen und gegen die Walkaways in einen regelrechten Krieg ziehen. Von dieser unschönen Sache einmal abgesehen, denkt man sich beim Lesen von „Walkaway“ immer wieder: Ja, das ist gut! Warum machen wir das noch längst nicht so?
Diese Frage stellte sich auch der Niederländer Dave Hakkens, schon lange vor Doctorows „Walkaway“. Und kam zu einer ganz ähnlichen Lösung wie Cory Doctorow: er schlug einfach seinen eigenen Weg ein, um die Welt zu retten – und gestaltete ihn so, dass jeder Mensch ihn beschreiten kann. Zuerst rief er das Projekt „Precious Plastic“ ins Leben, in dem er nicht nur zeigte, wie man ganz einfache Maschinen baut, mit denen man Plastik recyceln und wiederverwenden kann. Mit Metall oder Holz ist das jedem bereits möglich; es gibt genügend Geräte, die man einfach so im Baumarkt kaufen kann, um diese Materialien zu verarbeiten. Bei Plastik sieht das schon anders aus: bei OBI oder Hornbach findet man auf den ersten Blick nichts, womit man Plastik verarbeiten kann. Also erfand Hakkens kurzerhand vier Geräte, die man einfach selbst bauen kann: einen Schredder, der das Plastik zerkleinert, und drei weitere Maschinen, die es erhitzen und die Masse anschließend wahlweise in Filamente für 3D-Drucker verwandeln oder die heiße Masse in unterschiedliche Formen pressen und ziehen. Die Pläne für die Maschinen sind Open Source und auf Hakkens Homepage abrufbar. Außerdem zeigt der Niederländer in mehreren YouTube-Videos, wie man sie baut und was man mit ihnen machen kann. Dazu hat Hakkens auch noch diverse lehrreiche Videos über Plastik im Allgemeinen hochgeladen, denn Plastik ist nicht gleich Plastik.
Damit aber nicht genug: das neuste Projekt des Niederländers ist „Project Kamp“, in dem er eine Gemeinschaft aufbauen will, die bewusster, ökologischer und weniger verschwenderisch lebt als die Default-Gesellschaft. Dazu sucht Hakkens gerade ein Stück Land, vorzugsweise an einem See oder Fluss, auf dem ein kleines Dorf entstehen soll (vielleicht sogar mit Häusern aus recyceltem Plastik). Im Kamp will Hakkens die Infrastrukturen, die wir jeden Tag nutzen, komplett neu denken, eine autarke Energieversorgung einrichten und Nahrung selbst anbauen. Und weil er selbst sich damit nicht auskennt, setzt er voll und ganz auf das kombinierte Wissen der Online-Community, die sich rund um „Precious Plastic“ gebildet hat – ganz wie die Walkaways.
Mehr über Dave Hakkens und seine Projekte erfahren Sie auf davehakkens.nl.
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