17. Juli 2024

Heimkino-Highlights im Juli 2024

Neues und Altes jenseits des großen Saals

Lesezeit: 8 min.

Jeden Monat die gleiche quälende Frage angesichts eines Bergs von Neu-Veröffentlichungen: „Was lohnt sich?“ – regelmäßige Hinweise der Redaktion sollen das Leben zumindest ein wenig leichter machen!

 

1. Flesh Gordon (1974)

Bei wem? ‎ Turbine Medien Als was? Blu-ray Wann? 04.07.2024

Worum geht’s? Intergalaktische Sexstrahlen versetzen die Menschen in höchste Erregung. Der potente US-Sportler Flesh Gordon und die heiße Gale Ardor überleben nach einer wilden Orgie knapp einen Flugzeugabsturz. Mit Wissenschaftler Dr. Flexi Juckow reisen sie in dessen Phallus-Raumschiff zum Planeten Porno. Dort will Imperator Hodes mit seinen sinistren Strahlen die Erdlinge lustvoll zerstören. Doch nicht mit Flesh Gordon! In Allianz mit Prinz Pornis und seinen schwulen Waldrebellen kämpft er gegen Hodes Soldaten, Sex-Roboter und Monster!

Prognose: Parodie auf „Flash Gordon“ (1936), der ersten Verfilmung des legendären und hypereinflussreichen Zeitungscomicstrips „Flash Gordon“ von Alex Raymond und ein weiteres prima Beispiel dafür, wieso die 1970er-Jahre in der Geschichte des Films einfach was ganz Besonderes und mein Lieblingsjahrzehnt sind. SO ein Film konnte einfach nur in dieser Dekade entstehen.

Die Regisseure Howard Ziehm und Michael Benveniste leiteten 1970 mit „Mona: The Virgin Nymph“ das Golden Age of Porn ein: Das war der erste Porno mit Handlung und normaler Kinoauswertung, der einen maßgeblichen Einfluss auf zukünftige Klassiker wie „Deep Throat“ (1972) haben sollte. „Flesh Gordon“ war ursprünglich als Pornoversion der Vorlage geplant, allerdings stießen die Macher während der Dreharbeiten auf Probleme: Eine Darstellerin entpuppte sich als minderjährig, weswegen bereits abgedrehtes Material von der Polizei beschlagnahmt wurde, außerdem machte mittlerweile die Politik Stimmung gegen Porno und so wurde die Produktion kurzerhand zu einer Softerotik-Komödie umgeschrieben, der man allerdings in ein, zwei kurzen Momenten durchaus noch anmerkt, dass da ursprünglich weitaus Ausführlicheres geplant war beziehungsweise die Darsteller realen Spaß vor der Kamera hatten. Der mit einer halben Millionen Dollar für einen Film dieser Art verhältnismäßig hoch budgetierte Film wurde nicht nur zu einem großen Erfolg, sondern genießt heute zu Recht Kult-Status.

Natürlich, das ist purer Klamauk mit anzüglichem Brachial-Humor („Keine Macht dieses Universums ist größer als die erektionsgesteuerte, potenzgespeiste Kraft meines Sexprojektors.“), aber auch quietschbunter Klamauk, der seine Vorlage erkennbar liebt und mit tollen Sets, einfallsreicher Ausstattung und herrlichen Stop-Motion-Effekten auftrumpfen kann. Und vor allem ist das Klamauk, der derart drüber ist, dass man schnell einfach nur noch mit einem breiten Grinsen ungläubig auf den Bildschirm stiert und gespannt drauf wartet, was für charmante Beklopptheiten die Macher als Nächstes aus dem Hut zaubern. Es gibt Raumschiffe in Dildoform, Penissaurier, notgeile Riesenaffen, Vergewaltigungsroboter (weitaus weniger schlimm, als es klingt), einen schwulen Robin-Hood-Verschnitt namens Prinz Pornis und vieles mehr. In einer der schönsten Szenen werden Flesh und seine Mitstreiter in eine riesige Toilette gesteckt und runtergespült.

Es ist dank der exaltierten Darsteller und der, vor allem aus heutigen, CGI-versauten-Augen, „Billigkeit“ des Ganzen, dabei leicht das Etikett „Trashfilm“ zu zücken, aber man sollte im Hinterkopf behalten, dass der Film von Benveniste und Ziehm gezielt eine Produktion aus einer sehr frühen, ganz anderen Ära des Kinos auf’s Korn nimmt. Der Ton der Vorlage wird – auch von den Darstellern – gut getroffen, man merkt definitiv, dass die Macher sich mit der Vorlage beschäftigt hatten.

Wer nun trotzdem oder immer noch mit den Augen rollt und denkt, dass er sich „sowas“ nie angucken würde: An der Umsetzung der Spezialeffekte waren Künstler wie Rick Baker und der achtfache Oscargewinner Dennis Muren beteiligt, der nur drei Jahre später einem gewissen Sternenkrieg seinen Stempel aufdrücken sollte …

Bereits im Februar dieses Jahres wurden Mediabooks veröffentlicht, jetzt gibt’s eine wesentlich kostengünstigere Doppel-Blu-ray, die wunderbar ausgestattet ist – unter anderem gibt’s ein 135-minütiges (!) Gespräch mit Dr. Rolf Giesen und Christian Genzel. Besonders schön fand ich den Audiokommentar von Howard Ziehm. Der Mann liest zwar hörbar ein Skript runter und das etwas tonlos, hat dafür aber wirklich was zu erzählen – man kommt aus dem Staunen und Schmunzeln stellenweise kaum noch raus. Wilde, wilde Zeiten waren das!

Flesh Gordon USA 1974 Regie: Michael Benveniste, Howard ZiehmDarsteller: Jason Williams, Suzanne Fields, Joseph Hudgins, William Dennis Hunt, Candy Samples, Mycle Brandy

 

2. Das Serum des Grauens (1990)

Bei wem? 8 Films Als was? Mediabook (Blu-ray, DVD) Wann? 05.07.2024

Worum geht’s? Schon als Kind beobachtete er die Nachbarin und wurde von seiner Mutter erwischt. Viele Jahre später veröffentlicht der Wissenschaftler Kevin Dornwinkle seine Theorien über Unsichtbarkeit, erntet nach einem fehlgeschlagenen Experiment von seinen Kollegen aber nur Hohn und Spott. Dafür bringt er vier von ihnen um. Er entkommt und wird an einer High School Physiklehrer. Als die Schüler anfangen, ihn fertig zu machen, hat er gerade sein Unsichtbarkeitsserum perfektioniert und beginnt einen gnadenlosen Rachefeldzug – und nutzt seine Erfindung, um Frauen beim Duschen zuzuschauen

Prognose: Wurde mir schon öfter ans Herz gelegt, da ich was für Bierdosen-Unterhaltung aus dem untersten 1990er-Jahre-Videotheken-Regal übrig hab und dieser billige Quasi-„Hollow Man“-Vorläufer nach einem schwachen Start äußerst unterhaltsam werden und mit kuriosen Einfällen aufwarten soll – unter anderem kommt jemand durch eine Baguette ums Leben! Randnotiz: Mitspielen tut Shannon Wilsey, Porno-Megastar der frühen Neunziger, die in Sachen Alkohol, Drogen und Liebhaber (unter anderem Billy Idol, David Lee Roth, Slash und Mark Wahlberg) nichts anbrennen ließ und sich im Alter von gerade mal 23 Jahren das Leben nahm. Ein Mediabook halte ich für viel zu viel des Guten, aber ich hab soeben entdeckt, dass es den bei Amazon als VOD gibt und mach mir jetzt gleich mal ein Bier auf.

Das Serum des Grauens • The Invisible Maniac • USA 1990 • Regie: Adam Rifkin • Darsteller: Noel Peters, Savannah, Melissa Moore, Stephanie Blake, Clement von Franckenstein, Claudette Rains

 

3. After Death – Das Böse ist wieder da (1989)

Bei wem? Nameless Als was? Mediabook (Blu-ray, DVD) Wann? 20.07.2024

Worum geht’s? Nachdem ein Woodoo-Priester das Tor zur Hölle geöffnet hat, erheben sich auf einer Insel die Toten und wandeln als Zombies unter den Lebenden. Jahre später betritt eine Gruppe von Abenteurern, darunter Jenny, deren Eltern einst auf dieser Insel ums Leben kamen, das Eiland der lebenden Toten, um das Tor zur Hölle wieder zu verschließen und dem Horror, der dort herrscht, ein Ende zu bereiten. Doch Ihr Vorhaben gestaltet sich schwieriger als gedacht, als sie von den Zombies angegriffen werden und einer nach dem anderen der Truppe ihnen zum Opfer fällt, um als eben solcher erneut aufzustehen und Jennys Vorhaben zu vereiteln …

Prognose: „After Death – Das Böse ist wieder da“, ebenso bekannt als „Zombie 4: After Death“, ist vor allem da, um „Zombie III - Ein neuer Anfang“ glänzen zu lassen. Denn trotz aller Makel merkt man dem „Vorgänger“ (die Filme haben ja bis auf die Macher nichts miteinander zu tun) noch an, dass mit Lucio Fulci ein sehr guter und mit Bruno Mattei ein – nun ja, sind wir mal großzügig – solider Handwerker beteiligt waren. Beim ein Jahr später entstandenen „After Death“ gab „Zombie III“-Produzent Claudio Fragasso mal wieder eine Kostprobe seines Untalents, und das Resultat ist wohl nur noch für beinharte Fans genießbar. Da bin dann auch ich draußen. Ich liebe B-Movies, aber keinen Müll und so schlecht, dass er wieder gut ist, ist der ebenso nicht. Der ist einfach nur schlecht. Erscheint aber seltsamerweise seit Jahren immer und immer und immer wieder aufs Neue. Hierzulande brachte es der Streifen auf zwei VHS-Ausgaben und sagenhafte 16 verschiedene DVD-Editionen. Nun geht der Spuk wohl auf Blu-ray weiter.

Trotzdem ein Wort noch zur wunderbar kuriosen Besetzung: Für das Casting war – uncredited – der österreichische Schauspieler Werner Pochath verantwortlich, ein beliebtes Gesicht der damaligen südeuropäischen Exploitation (u.a. „Mosquito – Der Schänder“, 1974), der aber ebenso im „Tatort“ auftauchte. Pochath schleppte US-Gay-Pornostar Jeff Stryker an, dem ein Jahr zuvor bei Joe D’Amatos „Dirty Love“ eine große Filmkarriere versprochen wurde, nach „After Death“ ging’s gleich wieder zurück zum Porno. Die weibliche Hauptrolle, Candice Daly, schaffte nach Fragassos Debakel tatsächlich noch einen Karrierehöhepunkt mit einer größeren Rolle in 44 Folgen der Soap-Opera „Schatten der Leidenschaft“. Nach der ZDF-Produktion „Winnetous Rückkehr“ beendete sie 1998 ihre Karriere und wurde 2004 tot in ihrem heruntergekommenen Appartement gefunden. Offiziell war die Todesursache unbekannt, der Autopsiebericht ließ aber auf Drogenmissbrauch schließen. Ihr damaliger Lebensabschnittsgefährte glaubte an ein Verbrechen.

After Death – Das Böse ist wieder da Italien 1989 • Regie: Claudio Fragasso • Darsteller: Jeff Stryker, Candice Daly, Massimo Vanni, Donald Wilson, Jim Gaines, Adrianne Joseph

 

4. Restore Point (2023)

Bei wem? Plaion Pictures Als was? Blu-ray, DVD Wann? 25.07.2024

Worum geht’s? Eine innovative Technologie sorgt im Jahr 2041 dafür, dass Menschen ins Leben zurückgeholt werden können, die durch Mord oder einen Unfall gestorben sind. Einzige Voraussetzung ist eine digitale Sicherungskopie, die nicht älter als 48 Stunden sein darf. Als der Entwickler des „Restore Point“-Programms ermordet wird und sein Backup unauffindbar bleibt, übernimmt die Polizistin Emma Trochinowska die Ermittlungen im mysteriösen Fall. Die Spur führt zu einer Terrorgruppe, die die „unnatürliche“ Wiederherstellungstechnologie mit allen Mitteln bekämpft …

Prognose: Lief im September 2023 auf dem Fantasy Filmfest und kam gut an, aber auch sonstige Stimmen sind überaus positiv. Besonders die ästhetische Seite soll hervorstechen, die hier aufgefächerte Welt von Übermorgen ziemlich glaubwürdig wirken. Für mich allein schon ein Anschaugrund: Wie oft bekommt man noch Science-Fiction aus Osteuropa zu sehen?

Restore Point Tschechische Republik, Slowakai, Polen, Serbien 2023 • Regie: Robert Hloz • Darsteller: Andrea Mohylová, Matej Hádek, Milan Ondrik, Václav Neuzil, Karel Dobrý, Agáta Cervinková

 

5. Hilfe, Aliens haben meine Eltern entführt! (2023)

Bei wem? Lighthouse Als was? Blu-ray, DVD Wann? 26.07.2024

Worum geht’s? Als die 17-jährige Itsy mit ihrer Familie ins verschlafene Pebble Falls zieht, glaubt sie, ihr Leben sei vorbei – bis sie ihren Mitschüler Calvin kennenlernt, der behauptet, seine Eltern seien einst von Außerirdischen entführt worden. Doch hinter Calvins Geschichte steckt viel mehr, als Itsy zunächst vermutet …

Prognose: Jake Von Wagoners Sci-Fi-Romcom orientiert sich unverhohlen an 80er-Jahre-Teenie-Filmen wie „Goonies“ (1985) oder „L.I.S.A. – Der helle Wahnsinn“ (1985), mixt Coming-of-Age-Elemente mit Abenteuerlust, verzichtet aber auf Referenzhuberei, sondern begegnet seiner Geschichte und den sympathischen Figuren auf Augenhöhe. Das mag in der Summe nicht unbedingt originell sein, man ahnt schnell, was hinter Calvins Geschichte steckt, perlt aber so luftig-leicht vom Bildschirm, dass man gerne dabei ist. Zumal Van Wagoner das Ganze nicht über Gebühr ausreizt, sondern seine Story zielgerichtet runtererzählt und nach gerade mal 79 Minuten den Abspann laufen lässt. Klein, charmant, süß. (Die deutsche Synchronisation ist hingegen leider alles andere als charmant und schon gar nicht süß. Aber englische Originalversion plus deutsche Untertitel sind an Bord.)

Hilfe, Aliens haben meine Eltern entführt! Aliens Abducted My Parents and Now I Feel Kinda Left Out • USA 2023 • Regie: Jake Van Wagoner Darsteller: Emma Tremblay, Jacob Buster, Will Forte, Elizabeth Mitchell, Matt Biedel

 


„Sunny“

und was gibt’s im TV & Internet?

• Star Trek: Prodigy, Staffel 2 – 01.07.2024, Netflix: Die zweite Staffel der Kinderserie im „Star Trek“-Universum.

Sunny – ab 10.07.2024, AppleTV+: Das Leben einer in Kyoto, Japan, lebenden Amerikanerin gerät aus den Fugen, als Mann und Sohn nach einem mysteriösen Flugzeugabsturz spurlos verschwinden und sie zum Trost einen Haushaltsroboter erhält … leider nicht so gut; zur Review!

• Resident Alien, Staffel 3 – ab 18.07.2024, Syfy: Nette Comedy über ein auf der Erde gestrandetes Alien, das versucht die Auslöschung der Menschheit zu verhindern und es dabei unter anderem mit einer Alienjägerin zu tun bekommt.

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