„Sunny“ – fahrige, überladene Sci-Fi-Krimi-Dramödie …
… aber der Roboter ist goldig
„Sunny“ hat bis jetzt jede Menge gute Kritiken erhalten. Das wundert nicht, da mittlerweile grob geschätzt 95% aller Serienneustarts abgefeiert werden, wirft aber einmal mehr die Frage auf, ob nur noch die ersten zwei, drei Folgen geschaut werden, um möglichst schnell was ins Internetz zu stellen. Oder ob die Freude, dass wieder ein mehrstündiger Brocken zur Verfügung steht, der hilft, die Leere im Leben zu füllen, alles andere überdeckt. Einsamkeit ist ja eins der großen, aktuellen Themen.
Natürlich, es fällt zunächst nicht schwer von „Sunny“ begeistert zu sein. Die Serie, eine Adaption des Romans „The Dark Manuel“ von Colin O’Sullivan, kommt mit einem schicken Vorspann im 60er-Jahre-TV-Stil, jede Menge toller Japan-Pop-Songs, hübsch anzuschauende, glitzernde Bilder eines Japans zwischen Tradition und Retro-Futurismus und einem Roboter daher, der so auch bald im Produktkatalog von Apple auftauchen könnte: Weiß, kantenfrei, großer Kopf mit freundlichen, emoticonartigem Gesicht. Man ist von der ersten Sekunde an begeistert und will unbedingt so ein Teil.
Sunny spielt aber nur die zweite Geige, die Handlung dreht sich um Suzie Sakamato (Rashida Jones), deren Leben aus den Fugen gerät, als Ehemann Masa (Hidetoshi Nishijima) und Sohnemann bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen. Doch als während eines Gesprächs mit den Behörden die Angehörigen anderer Opfer gebeten werden, ihre Geliebten anzurufen um mittels Voicemail deren Stimme noch ein letztes Mal zu hören, bleibt das Mobiltelefon von Masa am Klingeln. Ist er etwa noch am Leben? Noch merkwürdiger wird’s als ein Kollege ihres Ehemanns bei ihr auftaucht und zum Trost einen Haushaltsoboter namens Sunny vorbeibringt, der von ihrer vermeintlich verblichenen besseren Hälfte konstruiert wurde – eigentlich dachte sie, dass Masa sich beruflich mit Kühlschränken beschäftigt und eigentlich hasst sie Roboter, da einer dieser Blechkameraden einst ihre Mutter ins Jenseits befördert hatte. Doch allmählich entwickelt Suzie eine Beziehung zu Sunny, außerdem ist der Roboter behilflich auf ihrer Mission: Die zwischen Trauer und notorischer Miesepetrigkeit changierende Frau will unbedingt wissen, was wirklich passiert ist …
Es sind die ersten zwei, drei Folgen, die am meisten Spaß machen, die einen entspannten Erzählrhythmus haben, sich um Suzie und Sunny, um Rat- und Hilflosigkeit und Annäherung, drehen. Doch sobald der Krimiplot beginnt, entweicht die Luft langsam, aber stetig. „Sunny“ wird immer fahriger, zugepackter, schriller: Der banale Plot wird angereichert mit Streitereien innerhalb der Yakuza, Kabeleien mit der Schwiegermutter, willkürlich gesetzte Rückblenden, Trauerbewältigungsdrama, illegalen Roboterkämpfen, Ausflüge ins Surreale und mehr. Große tonale Wechsel und ein damit einhergehendes Gefühl von fehlender Kohärenz sind die Folge. Dramaturgie ist nun mal keine Aneinanderreihung, Unberechenbarkeit was anderes als Beliebigkeit.
Schwierig auch die Hauptfigur: Unsympathische Protagonisten sind allerspätestens seit „Dr. House“ Mainstream, allerdings lässt das Drehbuch die an sich gut aufspielende Rashida Jones weitgehend in Stich: Außer schlecht gelaunt durch die Gegend zu trampeln, Obszönitäten wie „Suck a dick!“ abzusondern und den Stinkefinger zu zeigen, ist da nicht viel. Jones muss nahezu die ganze Show über auf dieselbe Taste ihres Mimik-Klaviers hämmern, was zur Folge hat, dass ihr der Roboter oder die anderen Darsteller mühelos die Show stehlen.
Wobei letztere teils zu kämpfen haben: Suzie wohnt zwar seit Jahren in Japan, hat aber dank einer Dyslexie nie Japanisch gelernt. Obwohl aber „Sunny“ eigentlich in einer Welt spielt, in der Übersetzer-Ohrstöpsel die simultane Übersetzung eines Gesprächs möglich machen, muss die japanische Besetzung die meiste Zeit Englisch reden um mit Suzie zu kommunizieren, womit sich die durch die Bank weg guten bis sehr starken Darsteller nicht unbedingt leicht tun, was im Wechsel mit den rein japanischen Dialogszenen deutlich wird, denn die wirken lebendiger. Eine elegantere Lösung wäre schön gewesen. Doch dann wäre wohl die komplette Show untertitelt gewesen und Untertitel sind ja (leider) nicht gerade beliebt (gesichtet wurde übrigens die Originalversion, die deutsche Synchronfassung macht wie gewohnt alles platt).
„Sunny“ ist trotz allem besser als der letzte Apple-Sci-Fi-Totalausfall „Dark Matter“: Es gibt ein paar Schmunzler und ein paar schöne Momente, zum Beispiel, wenn sich der Roboter um einen verwundeten Raben kümmert. Trotzdem: kein Restaurant wird durch gute Pommes aufgewertet.
Sunny • USA 2024 • Creator: Kate Robbins • Darsteller: Rashida Jones, Hidetoshi Nishijima, Annie The Clumsy, Judy Ongg, You, Jun Kunimara, Shin Shimizu, Kazuoko Sakagami • ab dem 10. Juli wöchentlich auf Apple TV+
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