21. April 2012

Zu spät

„In Time“ – Leider Zeitverschwendung

Lesezeit: 3 min.

Bereits in seiner ersten Regiearbeit Gattaca aus dem Jahr 1997 widmete sich Andrew Niccol der klassischen dystopischen Science Fiction. Der Film entwarf eine Zukunftswelt/alternative Realität, deren Gesellschaft den Wert eines Menschen anhand seines physischen Perfektionsgrades bemaß. Vor diesem Hintergrund entwickelte Niccol eine spannende und stets kohärente Krimistory, die auf ideale Art die Aspekte der allegorischen Gesellschaftskritik und des Entertainments verband. Vierzehn Jahre später und nach einigen Regie-/Drehbuchausflügen in die Welt des nur leicht Fantastischen (The Truman Show, S1m0ne) ist jetzt wieder Science Fiction angesagt. Und ähnlich wie Gattaca liegt auch In Time eine (ganz offensichtlich von Harlan Ellisons berühmter Kurzgeschichte »Repent, Harlequin! Said the Ticktockman« inspirierte) starke Idee zugrunde. Die heißt hier: Zeit ist Geld. In dieser Welt haben Stunden, Tage und Jahre die monetären Währungen abgelöst. Menschen arbeiten für Zeit und zahlen damit. Der existenzielle Darwinismus dieses Minuten-Kapitalismus ist grausam konsequent, denn ein Dispo wird nicht gewährt. Ist das Konto leer, folgt der Exitus. Dieser Mechanismus beginnt mit dem 25. Lebensjahr – von nun an altert niemand mehr körperlich, muss aber dafür den täglichen Kampf um die bewusst knapp gehaltenen Zeitressourcen kämpfen. Ein Konzept, das in Zeiten von Bankencrashs und Eurokrise tatsächlich Sinn ergibt. Und der Plot entwickelt in seiner grundsätzlichen Einfachheit zunächst durchaus Dick’sches Potenzial.

Justin Timberlake gerät als bettelarmer Ghettobewohner Will unverhofft an einen großen Batzen Zeit und macht sich auf den Weg in die Welt der Reichen und Schönen, um den Tod seiner Mutter zu rächen, die kurz zuvor dem grausamen System zum Opfer fiel. Im Hort der Oberschicht angekommen, entführt er kurzerhand die verwöhnte Unternehmertochter Sylvia. Nach den üblichen anfänglichen Kabbeleien entwickelt sich zwischen den beiden schnell eine wilde Romanze, und als marodierendes Bonnie-&-Clyde-Update begeben sie sich auf einen Kreuzzug gegen den oppressiven Apparat.

Viel Potenzial also für eine durchaus gelungene Mischung aus gesellschaftskritischer SF und packender Action. Doch schnell wird klar, dass In Time das Versprechen seiner interessanten Prämisse nicht mal im Ansatz einhalten kann. Im Grunde passt hier gar nichts zusammen – und das ist nicht mal die Schuld von Sangesbruder Justin Timberlake, der in seiner ersten Kinohauptrolle das Beste aus einem grauenvoll geschriebenen Charakter herausholt. Vielmehr ist das Drehbuch hier der Hauptschuldige: Die Charaktere haben keine klaren Motive für ihr Handeln, wichtige Plotpunkte werden eingeführt und dann sofort wieder vergessen, die Protagonisten rennen ohne klare Richtung quer durch alle Zeit- und Raumzonen, zu viele Nebenfiguren verstopfen die Geschichte, und der Feldzug der beiden futuristischen Robin Hoods verstört in seiner kausalen Simplizität. Um den Kapitalismus zu vernichten, reichte es also, ein paar Banken auszurauben und ganz viel Zeit/Geld in Umlauf zu bringen? Ach so.

Das wirkt über weite Strecken wie eine verfilmte Ideensammlung, wie ein Sammelsurium bizarrer Sequenzen, die einfach nicht zueinander passen wollen. Kein Rhythmus, nirgends. Wichtige Entwicklungen werden angedeutet, finden dann aber nicht statt. Nichts ist wirklich zu Ende gedacht – so bleibt etwa die von Zeit-Nazi Cillian Murphy ständig dahingeraunte Erwähnung von Wills Vater total irrelevant. Gleiches gilt für den Tod seiner Mutter, der kurz mit einem Darth-Vader-Schrei betrauert, dann aber nie wieder erwähnt wird. Lose Enden, wohin man schaut. Ganz offensichtlich machte man hier aus einem ersten Entwurf einen Film. Oder gehört das etwa zum Konzept? Keine Zeit für Logik? Seltsam.

Laut Andrew Niccol war es nicht schwer, den Studios diesen Quatsch unterzujubeln: Justin Timberlake! Amanda Seyfried! Action! Keiner ist älter als 25! In jeder Sekunde tickt die Uhr!

Und genau das bleibt am Ende dann auch übrig. Für einen Film, der das Potenzial für viel mehr hatte, ist das leider viel zu wenig. Fazit: Zeitverschwendung.

In Time • USA 2011 · Regie: Andrew Niccol · Darsteller: Justin Timberlake, Amanda Seyfried, Cillian Murphy, Olivia Wilde

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