27. Juli 2014

Weltraumwächter im Wandel

Die Geschichte von Marvels Guardians of the Galaxy

Lesezeit: 6 min.

Im August kommen die Guardians of the Galaxy in die Lichtspielhäuser dieser Galaxie und bringen mehr Science-Fiction-Flair denn je ins moderne, ungeheuer erfolgreiche Marvel-Filmuniversum, das nie um einem Kassenerfolg im Krieg der sommerlichen Kino-Blockbuster verlegen ist.

Trotzdem sind der Weltraum-Abenteurer, die grüne Schönheit und der grüne Muskelprotz, das Baummonster und der Waschbär mit den großen Wummen, die in einem mit irdischer Popmusik hinterlegten Trailer auftrumpfen, eine Überraschung. Keiner der Helden hat das Bekanntheits-Fundament von Spider-Man, und als Team können sie mit den X-Men oder den Avengers ebenfalls nicht mithalten. Dennoch darf man sich als SF-Fan auf den Film freuen – Science-Fiction-Streifen, die auf Blockbuster-Niveau mindestens so actionreich wie witzig und leichtherzig sein wollen, gibt es im Grunde viel zu wenig, und das Beste aus „Star Wars“ und den Marvel-Superheldencomics zu kombinieren, klingt jetzt auch nicht nach der dümmsten aller Ideen.

Grund genug, einen Blick auf die Entwicklung des Guardians-Franchise zu werfen, dessen Triebwerke Drehbuchautor und Regisseur James Gunn mit Chris Pratt, Zoe Saldana, Dave Bautista und anderen im Fokus des Mainstreams jetzt wohl erst so richtig zünden wird, und vermutlich ist der Himmel einmal mehr nicht die Grenze …


Jim Valentinos „Guardians of the Galaxy“

Alles begann 1969, als Autor Arnold Drake und Zeichner Gene Colan die ursprünglichen Guardians of the Galaxy in den Marvel-Kanon einführten. Allerdings handelte es sich bei dieser ersten Inkarnation noch um ein Alien-Helden-Team, das im fernen 31. Jahrhundert einer alternativen Marvel-Zeitlinie für Recht und Ordnung sorgte. Für eine eigene Serie reichte es anfangs zudem nie – die Abenteuer jener Guardians erschienen in diversen Marvel-Anthologie-Reihen. Erst in den 90ern führte Jim Valentino die außerirdische Truppe als Autor und Zeichner einer ersten eigenen amerikanischen „Guardians of the Galaxy“-Heftserie gewissermaßen zu neuen Höhen, so weit man das für die Comic-Neunziger und in Abwesenheit eines coolen Waschbären eben sagen kann. Doch bereits wenige Jahre später versanken die Guardians wieder weitgehend in den umfangreichen Archiven des Hauses der Ideen.

2008 starteten die Briten Dan Abnett und Andy Lanning, die im US-amerikanischen Superheldenbereich bis vor Kurzem regelmäßig als Autoren-Duo zusammengearbeitet haben, das, was man als erfolgreichstes Raumfahrtprogramm des Vereinigten Königreichs seit Moonraker werten darf – nämlich ihren prägnanten kreativen Siegeszug durch den Marvel-Weltraum. Wie niemand sonst in dieser Marvel-Epoche, prägten der Warhammer-Romanautor Abnett und der umtriebige Comic-Tuscher Lanning in diversen Serien und Events die Weiten des Marvel-Alls. Im Anschluss an das Space-Crossover „Annihilation“ stellten sie so etwa eine neue, gegenwärtige Inkarnation der Guardians of the Galaxy vor, die zusammenkam, um gewaltige Bedrohungen für das Universum abzufangen und zu bekämpfen, bevor sie den gesamten Kosmos an den Rand des Abgrunds drängen könnten – der Grundstein für die Version der Wächter des Weltraums, die in Kürze auf der Leinwand zu sehen sein wird. Und ja, jetzt endlich war der Waschbär dabei!


Die Guardians von Abnett und Lanning

Für die neuen Guardians versammelten Abnett und Lanning – von ihren Fans liebevoll als DnA bezeichnet – mehrere bereits vorhandene Marvel-Figuren, die nicht selten seit den 60ern und 70ern Teil der Marvel-Mythologie sind. Guardians-Anführer Star-Lord etwa wurde schon 1976 von Steve Englehart und Steve Gan ersonnen, ehe X-Men-Autoren-Legende Chris Claremont ihn mit einem Blick auf Robert Heinleins Schaffen zu einem klassischen SF-Helden umgestaltete. Rocket Raccoon, der noch nie ein Kuscheltier war, feierte im selben Jahr wie Star-Lord seinen Marvel-Einstand. Abgesehen von einer eigenen, ziemlich schrägen Sci-Fi-Miniserie mit Artwork von Hellboy-Schöpfer Mike Mignola, konnte der wehrhafte Waschbär jedoch nicht viel reißen, bevor sich Abnett und Lanning seiner annahmen. Weitere Figuren, die von den beiden Briten für ihren populären Guardians-Relaunch genutzt wurden, waren Adam Warlock, der Zerstörer Drax, Thanos’ Adoptivtochter Gamora, Alien-Baumwesen Groot, Quasar, Mantis, der telepathische russische Hunde-Kosmonaut Cosmo und Bug.

Eine bunte Truppe an SF-Comic-Recken aus der dritten Reihe, die unter Abnett und Lanning in 25 US-Heften und zwei Jahren, in denen ihre spritzigen und witzigen, action- und ideenreichen Fährnisse fast durchgehend stark mit den Events aus der Feder von DnA verknüpft waren, zu echten Fanlieblingen mutierten – allen voran, natürlich, Rocket Raccoon und Groot. Nach vielen spacigen Abenteuern, Heldentaten und einer letzten epischen Schlacht mit Thanos, dem Verrückten Titanen, verschlug es die Wächter ungeachtet ihres Beliebtheitsgrads in alle Ecken der Galaxie, Star-Lord schien gar den Heldentod gestorben zu sein, und Abnett und Lanning zogen weiter und ließen den Marvel-Weltraum weitgehend hinter sich. Erst als zum ersten Avengers-Blockbuster von Joss Whedon die Serie „Avengers  – Die Rächer“ gestartet wurde, rückten Comic-Besteller-Autor Brian Michael Bendis und Zeichner Mark Bagley die Guardians erneut in den Mittelpunkt. Okay, neben den Avengers, aber was hat Captain America schon zu melden, wenn Rocket Raccoon in der Nähe ist?


Die aktuelle Guardians-Ära von Brian Michael Bendis

Bendis – immerhin einer der wichtigsten und einflussreichsten Marvel-Autoren der letzten Dekade – blieb den Guardians auch mit dem Start in die Ära Marvel NOW! erhalten und schreibt seither die Abenteuer des abermals veränderten Teams, das nun aus Star-Lord, Drax, Gamora, Rocket Raccoon und Groot besteht, wobei anfangs noch Iron Man mit in den Weltraum geschickt wurde. Für das Artwork sorgten seit dem Neustart der baldigen Blockbuster-Franchise-Helden indes Top-Künstler wie Steve McNiven, Olivier Coipel, Sara Pichelli, Francesco Francavilla und Kevin Maguire.

In den ersten Episoden, die mit Blick auf den Film entstanden und zu Beginn etwa eine aufpolierte Herkunftsgeschichte von Peter Quill alias Star-Lord präsentierten, beschützten die neu formierten Guardians die Erde zunächst vor einer Intrige, die eine Alien-Invasion zufolge hatte, und trugen im kosmischen Marvel-Mega-Event „Infinity“ ihren Teil zum Schutz des blauen Planeten bei. Nach dem SF-Superhelden-Event steht ein Crossover mit „Die neuen X-Men“ an, der zweiten großen Marvel NOW!-Serie von Bendis. Darin tun sich die Weltraum-Wächter mit Marvels Mutanten zusammen, da mehrere Alien-Völker der zeitreisenden jungen Jean Grey den Prozess machen wollen für Taten des zerstörerischen Phoenix, an dem Jeans älteres Ich nicht ganz unschuldig war. Danach wird sich die Team-Zusammensetzung der Guardians in den Comics ein weiteres Mal verändern – Rocket, so viel darf verraten werden, bleibt jedoch an Bord. Versprochen.

Dan Abnett und Andy Lanning, die inzwischen kreativ leider getrennte Wege gehen, kehren überdies noch einmal für zwei neue Guardians-Storys zu dem Team zurück, das sie in kurzer Zeit und wenigen denkwürdigen Heften für eine erfolgreiche Multimedia-Aufbereitung positioniert haben (auf den Geniestreich mit dem Waschbären musste man erst mal kommen!). Denn Filmemacher James Gunn hatte einen großen Wunsch: Er wollte, dass Abnett und Lanning die offiziellen Comic-Prequels zu seinem Film schreiben würden, der ja zu einem Großteil auf ihrem Revamp der Guardians fußt! Nach einem Set-Besuch der Autoren in ihrer englischen Heimat, wurde Gunns Wunsch Realität, und so gibt es zum Filmstart auch auf Deutsch ein Heft mit zwei brandneuen Guardians-Abenteuern von DnA, die vor der Findung des Teams spielen – mit Thanos’ mörderischen Adeptinnen Gamora und Nebula, und mit den Söldner-Kumpeln Rocket und Groot.


Und die jüngste Inkarnation der Guardians rauscht ins Kino

Multimedia-Luft schnupperten die Guardians of the Galaxy übrigens schon vor dem Science-Fiction-Film-Spaß des Jahres, als Gast-Stars in diversen Marvel-Animationsserien und -Videospielen. Und während der mit witzigen, viel versprechenden Trailern angekündigte Sommer-Blockbuster seinen Schatten voraus wirft, stehen in den USA zwei neue Solo-Comic-Heftserien mit Guardians-Mitgliedern in den Startlöchern. Darüber hinaus wurde auf der San Diego Comic Con gerade die erste eigene Animationsserie der Space-Avengers für Disney angekündigt.

Die Chancen stehen also gut, dass uns die Guardians of the Galaxy mit ihrer großartigen Mischung aus bewährter Marvel-Superhelden-Action und echter Science-Fiction-Kost noch einige Zeit quer durch alle Quadranten verfolgen werden.

Gar nicht so übel für einen Alien-Bastard, einen aggressiven Waschbär-Waffennarr, einen sprechenden Baum und ein paar grünhäutige Außerirdische!

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