4. Januar 2015 2 Likes 1

Die nächste Stufe der Evolution

Kazuaki Takanos Science Thriller „Extinction“

Lesezeit: 3 min.

Vor sechs Millionen Jahren teilte sich eine menschliche Spezies in zwei Linien: Aus der einen entstanden die Schimpansen, die bis heute mehr oder weniger unverändert fortbestehen. Aus der anderen entwickelten sich mindestens zwanzig verschiedene Variationen, von denen eine, der Homo sapiens, heute die Erde beherrscht. Doch bis dahin teilten sich verschiedene Spezies Mensch für Jahrtausende die Erde. Die Begegnungen verliefen nicht immer friedlich, wie das Beispiel der Neandertaler zeigt. Seit rund 200.000 Jahren ist der Homo sapiens fossil belegt – doch was passiert, wenn eines Tages ein Wesen entsteht, das die nächste evolutionsbiologische Entwicklungsstufe des Menschen darstellt?

Der Wissenschaftler Artur Rubens befasst sich im Auftrag der CIA mit dem sogenannten „Heisman Report“, einem Dossier, in dem es um Faktoren, die zur Ausrottung der Menschheit führen und darum, wie man sie politisch bewältigt, geht. Eines der Szenarien ist das Auftreten einer höher entwickelten Spezies Mensch – und genau das scheint bei einem Pygmäenstamm im Kongo geschehen zu sein. Rubens wird beauftragt, einen Handlungsplan für die amerikanische Regierung zu entwickeln, der die Beseitigung eines Kindes mit übermenschlicher Intelligenz vorsieht. Doch den Wissenschaftler überkommen immer stärkere Zweifel an der Richtigkeit seines Vorgehens …

Kento Kaga, ein Pharmakologiestudent in Tokio, erhält mysteriöse E-Mails von seinem erst kürzlich verstorbenen Vater. Mithilfe einer hoch entwickelten Software soll er ein Medikament gegen eine unheilbare Krankheit entwickeln. Doch woher hatte sein Vater Zugang zu einer Technologie, die alles, was wir bisher kennen, in den Schatten stellt? Die Mails seines Vaters warnen Kento davor, dass man ihn beobachtet und dass seine Forschungen unbedingt geheim bleiben müssen. Vorsichtig macht sich Kento an die Arbeit, doch jemand ist ihm dicht auf den Fersen.

Zeitgleich erhält der Söldner Jonathan Yeager den Auftrag, die Verbreitung eines Virus bei einem Pygmäenstamm im Kongo zu verhindern. Doch im Dschungel erkennt Yeager, dass es um etwas ganz anderes geht: Bei dem Stamm findet er einen dreijährigen Jungen namens Akili, der über unglaubliche Fähigkeiten und übermenschliche Intelligenz verfügt. Er ist in der Lage, Muster besser zu erkennen als jeder Supercomputer und kann gewissermaßen die Zukunft vorhersehen. So manipuliert er große Ereignisse wie andere Menschen Schachfiguren. Yeager, selbst Vater, weigert sich, das Kind zu töten, und wird damit vom Jäger zum Gejagten. Akili versichert sich Yaegers Loyalität, indem er verspricht, Yaegers Sohn von seiner unheilbaren Krankheit zu heilen. Doch kann man dem Versprechen eines Dreijährigen, der sein ganzes Leben lang gejagt wurde, wirklich trauen? Und welche Pläne verfolgt das geniale Kind für sich selbst – und für die Menschheit?

„Extinction“ springt zwischen Washington, D.C., Tokio und dem Kongo hin und her. Zwischen Konferenzen der amerikanischen Sicherheitschefs mit dem Präsidenten, hochkomplizierter biochemischer Recherche und actiongeladener Verfolgungsjagden entwickelt sich nach und nach eine spannende Geschichte um die Frage, was wohl passieren würde, wenn wir Menschen plötzlich nicht mehr alleine auf diesem Planeten wären, sondern auf einmal dem gegenüberstünden, zu dem wir werden könnten. Kazuaki Takano gelingt der Spagat zwischen diesen Welten mühelos, und der Perspektivwechsel zwischen den verschiedenen Handlungssträngen und –orten sorgt dafür, dass „Extinction“ zu keiner Sekunde langweilig wird. Einzig die Passagen über Kento Kagas Recherche in Tokio geraten mitunter ein wenig zu wissenschaftlich, und ab und an ertappte ich mich dabei, schlicht über einige mit biochemischen Fachvokabular gespickten Absätze hinwegzulesen. Diese Kopflastigkeit mache ich „Extinction“ keineswegs zum Vorwurf, denn Takano fordert hier mutig die volle Aufmerksamkeit seiner Leser und schafft damit mühelos den Spagat zwischen Action und Wissenschaft. Immer, wenn eines dieser Elemente allzu prominent in den Vordergrund zu rücken droht, wechselt Takano die Perspektive. So halten sich Kentos Forschung und Yaegers Jagd durch den Urwald stets das Gleichgewicht. Das Ergebnis ist ein ungeheuer spannender Science Thriller, der dem Leser kaum eine Minute Verschnaufpause gönnt. Wer seinen Spaß mit den Romanen von Michael Crichton oder Greg Bear (im Shop) hatte, sollte sich „Extinction“ nicht entgehen lassen!

 

Kazuaki Takano: Extinction • Roman • Deutsch von Rainer Schmidt • Verlag C. Bertelsmann, München 2015 • 560 Seiten • € 11,99 • im Shop

Kazuaki Takano, geb. 1964 in Tokio, arbeitet in Hollywood und Japan als Drehbuchautor. Für seine Romane erhielt er renommierte Preise. »Extinction« stand in Japan monatelang auf den Bestsellerlisten und wurde u.a. als bester Thriller des Jahres ausgezeichnet.

Kommentare

Bild des Benutzers Sturmvogel

Habe den Roman in Rekordzeit durchgelesen. Die Schreibweise wie er die Handlungsstränge verknüpft ist einfach Super. Ich bin von dem Werk total begeistert. Kann dieses Werk nur Empfehlen.

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