8. Januar 2015 3 Likes

Die unvergessene Welt

Conan Doyles „Die vergessene Welt“ als neue Comic-Adaption

Lesezeit: 3 min.

Sir Artur Conan Doyle hatte ein eher kompliziertes Verhältnis zu seiner archetypischen Schöpfung Sherlock Holmes. Denn wenngleich er dem Meisterdetektiv seinen literarischen Ruhm und sein gesellschaftliches Ansehen verdankte, hätte Conan Doyle sich als Autor irgendwann gerne von Holmes emanzipiert, um Werke zu schreiben, auf die er thematisch mehr Lust hatte – historische Stoffe, zum Beispiel. Doch die Geschichte ist ja bekannt: Conan Doyle brachte Holmes um, musste sich am Ende jedoch dem Druck der Öffentlichkeit beugen und den Ermittler zurückkehren lassen – zunächst in „Der Hund der Baskervilles“, das vor Holmes’ Tod spielte, und schließlich in neuen Geschichten, in denen der Detektiv innerhalb der Chronologie offiziell von den Toten auferstand.

Obwohl er also bis 1927 weitere Holmes-Storys verfasste, stellte Conan Doyle seiner Leserschaft 1912 einen weiteren Helden aus seiner Feder vor: Professor Challenger. Während Holmes und seine Methoden von Conan Doyles ehemaligem Mentor Professor Bell inspiriert waren, beruhte Challenger auf dem Mediziner Professor William Rutherford, einem weiteren Dozenten von Conan Doyle an der Universität von Edinburgh. Die erste und bekannteste Challenger-Story, „Die vergessene Welt“ („The Lost World“), erschien vor ihrer Buchveröffentlichung von April bis November 1912 als Fortsetzungsgeschichte im Conan Doyle/Holmes-geeichten „Strand Magazine“ und führte Challenger, Professor Summerlee und den Jäger und Entdecker Lord Roxton ins Amazonasgebiet und schließlich in ein von der Zeit vergessenes Reich voller prähistorischem Leben. Bis 1929 folgten noch die beiden Challenger-Erzählungen „Der Gift-Gürtel“ und „Das Land des Nebels“ sowie zwei Kurzgeschichten.

Seit der ersten Verfilmung von „The Lost World“ im Jahre 1925 entstanden quer durch alle Medien viele Adaptionen von Professor Challengers Expedition, die Edgar Rice Burroughs „Im Reich der Dinosaurier“ außerdem genauso inspirierte wie das aus Michael Chrichtons Roman hervorgegangene „Jurassic Park“-Franchise.

Jetzt gibt es eine neue, für den französischen Albenmarkt produzierte Comic-Adaption von „Die vergessene Welt“, deren erstes Album gerade bei Splitter auf Deutsch herausgekommen ist, nachdem der Bielefelder Verlag zuletzt schon so herrliche freie Sherlock-Holmes-Comics wie die Serie um die Die Vier von der Baker Street ins Programm genommen hat. Die klassische Science-Fiction-Abenteuergeschichte „Die vergessen Welt“ von Comic-Vielschreiber Christophe Bec („Siberia 56“, „Carthago“, „Deepwater Prison“, „Prometheus“, „Heiligtum“ und andere) und den italienischen Zeichnern Fabrizio Faina und Mauro Salvatori adaptieren zu lassen und ab Ende 2014 in deutscher Übersetzung zu veröffentlichen, ergibt natürlich Sinn – schließlich steht 2015 ein neuer „Jurassic Park“-Teil ins Haus. Eine neuerliche Dino-Mania wie Mitte der 90er-Jahre wird das zwar nicht geben, doch ein bisschen Dino-Präsenz kann nicht schaden.

Allerdings hat das erste gut gezeichnete und hübsch aufgemachte Hardcover-Album, das erheblich von Andrea Scoppettas Kolorierung profitiert und noch mit ein paar Skizzen und Vorzeichnungen im Anhang daher kommt, ausgerechnet in Sachen Dino-Präsenz ein gewisses Handicap, das wiederum voll und ganz der Prosa-Vorlage in Verquickung mit einer Panel-Umsetzung in Happen von 50 Seiten geschuldet ist: Denn auch bei Sir Arthur Conan Doyle brauchte es 150 Seiten – fast den halben Roman – , ehe Challenger und Co. die ersten Dinosaurier zu Gesicht bekommen haben. Und kaum sieht man im ersten Band der jüngsten Comic-Fassung die beiden ausgewachsenen Iguanodons und ihre drei Jungtiere, fällt der Vorhang erst mal bis zum zweiten Band. Immerhin weiß man, dass die Saurier-Quote darin erheblich steigen wird.

Bis dahin ist diese neueste Übertragung von „Die vergessene Welt“, der ohne Frage einflussreichsten Dinosaurier-Geschichte der frühen Science-Fiction, die absolut solide Adaption des Weges hin zu einem unvergesslichen, anscheinend noch immer zeitlosen Abenteuer in Conan Doyles vergessener Welt.

Mehr Dinos werden dem Ganzen aber sicher nicht schaden.

Christophe Bec, Fabrizio Faina, Mauro Salvatore: Die Vergessene Welt Teil 1 • Splitter, Bielefeld 2014  • 56 Seiten • €14,80

 

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