6. Februar 2015 2 Likes 1

Homo homini lupus

13 Fragen an Takano Kazuaki, dem Autor des Bestsellers „Extinction“

Lesezeit: 5 min.

Der Science Thriller Extinction stand in Japan, der Heimat von Autor Takano Kazuaki, monatelang auf der Bestsellerliste, und auch hierzulande ist der Roman sofort unter den Top 10 gelandet. Die Geschichte um ein Kind, das von allen gejagt wird, weil es die nächste Stufe der Evolution erreicht hat, wirft mehr als nur Fragen nach dem, was wir genuin als „menschlich“ definieren, auf. In einem Interview verriet der ansonsten sehr zurückhaltende Takano etwas über die Hintergründe zu seinem Bestseller:

 

In Extinction schildern Sie eine gnadenlose Verfolgungsjagd, aber es geht Ihnen offenbar um wesentlich mehr als um Spannung, oder? Was ist Ihnen wichtig? Worin besteht für Sie der Kern von Extinction?

Mein vorrangiges Ziel war es, eine interessante und spannende Geschichte zu kreieren, die den Leser gefangen nimmt. Darüber hinaus sehe ich die Menschen als eine Art Tier, und ich wollte beschreiben, wie sie bei genauer Betrachtung ihrer Lebensumstände erscheinen.

 

Sie beschreiben das unterschiedliche Verhalten von Menschen in existenziellen Konfliktsituationen. Was möchten Sie bewusst machen?

Menschen können sowohl aus uneigennützigem als auch aus egoistischem Handeln Nutzen ziehen. Sie können sich zum Guten als auch zum Bösen entwickeln, doch in einer Extremsituation, wie sie der Krieg darstellt, verschwimmt die Grenze zwischen Gut und Böse womöglich. Die Protagonisten in diesem Buch sind unentwegt dieser Prüfung ausgesetzt.

 

Gregory S. Burns, der US-Präsident in Ihrem Buch, fürchtet nicht nur um die Sicherheit Amerikas, sondern sieht eine Bedrohung auf die ganze Menschheit zukommen – durch eine neue Lebensform / einen neuen Menschentypus, der in Afrika entdeckt wurde. Worin besteht die Bedrohung genau? Worin die größte Herausforderung?

Es wird deutlich, dass die größte Bedrohung der Menschen tatsächlich die Menschen selbst sind. In dem Moment, als ihnen unverständliche Wesen gegenüberstehen, projizieren sie ihre eigene Aggression auf ihr Gegenüber, sie bekommen Angst vor diesen Anderen und versuchen sie gewaltsam zu unterwerfen. Da „die neuen Menschen“ nichts tun, tritt die Aggressivität der Menschen offen zutage.

 

Burns und seine engsten Berater fassen einen folgenreichen / folgenschweren Beschluss. Eine Hauptrolle bekommt dabei Jonathan Yaeger, ein ehemaliger Elite-Kämpfer der Special Forces. Obwohl er ahnt, dass ihn ein schmutziger Auftrag erwartet, kann er es sich eigentlich nicht leisten abzulehnen. Worin besteht sein Dilemma?

Er muss den Job machen, um seine Familie zu schützen, obwohl er gegen seine moralischen Vorstellungen handelt. Außerdem ist er dem Konflikt ausgesetzt, dass er, um das Leben seines kranken Sohnes zu verlängern, andere Menschen töten muss.

 

Überhaupt ist Extinction auch eine Geschichte ganz besonderer Vater-Sohn-Beziehungen. Was macht dieses Thema so bedeutsam für Sie?

Dieses Thema ist ganz von selbst aus der Geschichte heraus entstanden. Ich hatte das Gefühl, dass die Beziehung zwischen Vater und Sohn, samt ihrer metaphorischen Bedeutung, ein für unsere Welt wesentliches Prinzip ist.

 

Durch seinen verstorbenen Vater wird auch der japanische Pharmakologiestudent Kento Koga in die Ereignisse verwickelt. Was zeichnet diesen unscheinbaren Typen aus? Worin unterschätzt er sich?

Kento Koga ist kein besonderer Typ, er entspricht dem Bild eines ganz normalen jungen Mannes in Japan. Er erkennt seine überragenden Qualitäten und Möglichkeiten nicht, weil er nicht klug genug ist, sondern weil er ein passiver Charakter ist. Ich habe in der Geschichte versucht zu schildern, wie dieser junge Mann an der stetigen Gefahr wächst.

 

Der Dritte im Bund Ihrer unfreiwilligen Helden ist Arthur Rubens. Was löst bei dem Wissenschaftler im Dienst des Pentagon Skrupel aus?

Da er sich auf der Seite der Intrige positioniert, kann er, auch wenn er versucht gerecht zu handeln, nicht mit hundertprozentigem Erfolg rechnen. Er ist in die schwierige Position geraten, ein paar Menschen töten zu müssen, um viele Menschen zu retten.

 

Arthur Rubens spürt den betagten Gelehrten Dr. Joseph Heisman auf, der ihn immer mehr beeindruckt. Wodurch genau? Inwiefern könnten Heismans Erfahrungen und Erkenntnisse ein Schlüssel zur Lösung sein?

Rubens verehrt Heisman und dessen Intelligenz und Kompromisslosigkeit. Als er ihn dann tatsächlich trifft, ist er ergriffen von dem harten Leben des alten Professors. Obwohl Heisman an den Menschen verzweifelt, kann er ohne das Verlangen nach Frieden nicht existieren. Außerdem fungiert er mit seinem klaren Kopf als Medium für die neue Menschengattung. Er versteht die Botschaften, die die übermenschliche Intelligenz aussendet, und nur Heisman vermag es, Rubens den richtigen Weg zu weisen.

 

Derjenige, der so erbarmungslos verfolgt wird, ist Akili, ein kleiner Junge. Was macht ihn gewöhnlichen Menschen überlegen?

Das ist mir auch als Autor nicht wirklich klar. Liegt es nicht, wie Rubens während des Stücks vermutet, an der Mutation des DNA-Transkriptionsfaktors?

 

Akili entstammt dem Pygmäenvolk der Mbuti in den unwegsamen Wäldern des Kongo. Was hat Ihr Interesse an diesen Menschen und an dieser Gegend geweckt?

Zunächst habe ich für die Bestimmung einer neuen Menschenart die wissenschaftliche Erkenntnis in Betracht gezogen, nach der „bei geographisch isolierten Kleingruppen es leicht zu vermehrten genetischen Mutationen kommt“. Darüber hinaus empfand ich das afrikanische Hinterland als passende Bühne für mögliche Abenteuer.

 

Extinction ist voll von Anspielungen auf den Einfluss von Wissenschaftlern. Worin sehen Sie deren spezielle Verantwortung?

Das Ziel der Naturwissenschaften ist weder das Gute noch das Böse, sondern besteht einfach in der Erklärung der natürlichen Fügung, doch es gibt immer Menschen in unseren Gesellschaften, die deren Ergebnisse missbrauchen. Dieses Phänomen beschränkt sich nicht nur auf Wissenschaftler, sondern auch Politiker, Armeeangehörige und Unternehmer nutzen wissenschaftliche Techniken zu bösen Zwecken. Ich finde es ungerecht, dass man hinsichtlich des Schadens, den Wissenschaften für die Menschheit verursachen, nur die Wissenschaftler zur Verantwortung zieht. Ich finde, dass auch die Bürger Verantwortung übernehmen sollten, ökonomische Vorteile miteingeschlossen. (Wenn ich Auto fahre, übernehme ich ja auch das Risiko, einen Unfall zu verursachen.)

 

Extinction kann man nicht zuletzt als Warnung verstehen. Worin besteht Ihre wichtigste Botschaft? Und welche Hoffnung oder welche Visionen verbinden Sie mit Ihrem Buch?

Die Antwort auf diese Frage möchte ich gern den Lesern überlassen. Wenn sie das Buch gelesen haben, wird sie von selbst in ihrem Innern auftauchen, das ist die Botschaft von Extinction.

 

Sie haben viel Erfahrung als Drehbuchautor – wie hat das Ihre Arbeit am Roman Extinction beeinflusst?

Wenn ich ein Drehbuch schreibe, unterteile ich die Geschichte in einzelne Einheiten und achte mehr auf die Details dessen, was die Figuren sagen und wie sie handeln, wobei ich den Gesamtaufbau außer Acht lasse. Nachdem ich das mehrmals wiederholt habe, verstehe ich, „wie die Geschichte funktioniert“. Mit diesem Ansatz habe ich bei Extinction versucht, die gesamte Geschichte möglichst einfach und dynamisch in Gang zu setzen.

 

(Die Antworten des Autors wurden von Nora Bierich aus dem Japanischen übersetzt.)

Kazuaki Takano: Extinction • Roman • Deutsch von Rainer Schmidt • Verlag C. Bertelsmann, München 2015 • 560 Seiten • € 11,99 • im Shop

Kommentare

Bild des Benutzers Shrike

Gefährlich ist's, den Leu zu wecken, verderblich ist des Tigers Zahn, jedoch der schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch in seinem Wahn.
Hätte nicht gedacht, dass Schillers Glocke für einen Kommentar zu Extinction herhalten könnte. Aber sie scheinen die gleichen Gedanken zu haben, der alte Schiller und der junge Kazuaki Takano.

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