Sind die Maschinen schon unter uns?
Der Voigt-Kampff-Test und seine Anwendungsmöglichkeiten in der Politik
Ich weiß ja nicht, ob es nur mir so geht, aber besonders in Öffentlichen Verkehrsmitteln bin ich mir bei manchen Passagieren nicht immer sicher, ob die auch wirklich menschlich und von diesem Planeten sind. Dieser Eindruck wird regelmäßig durch die Medien, besonders bei Interviews mit Politikern, verstärkt (ich möchte jetzt keine Namen nennen – ihr wisst schon, was ich meine!). Scheinbar bin ich nicht ganz so alleine mit meiner Paranoia, wie ich dachte: 2003 fragten sich Mitarbeiter des Magazins The Wave, ob alle Kandidaten, die sich zur Wahl für das Bürgermeisterarmt von San Francisco gestellt hatten, wirklich Menschen seien. Was, wenn die Bürger der Stadt einen Replikanten ins Amt heben würden? Um das zu verhindern, gibt es nur eine mögliche Lösung: Der Voigt-Kampff-Test aus Philip K. Dicks Roman Träumen Androiden von elektrischen Schafen? (im Shop unter dem Titel Blade Runner) respektive die Variante aus dem Film Blade Runner. The Wave interviewte alle Bürgermeister-Kandidat/innen – mit erschreckendem Ergebnis, das man hier nachlesen kann. Demnach war die Hälfte der Kandidaten eindeutig Replikanten, nur einer von ihnen erkannte die Fragen aus Blade Runner.
Gewonnen hat die Wahl damals Gavin Newsom, der inzwischen Vizegouverneur des Bundesstaates Kalifornien ist und beim Voigt-Kampff-Test so abschnitt:
The Wave: Reaktionszeit spielt dabei eine Rolle, also passen Sie bitte gut auf und antworten Sie, so schnell Sie können.
Sie bekommen zum Geburtstag eine kalbslederne Brieftasche geschenkt. Wie reagieren Sie?
Gavin Newsom: Ich hätte nichts, was ich hineintun könnte. Ich würde mich bedanken und weitergehen.
TW: Sie haben einen kleinen Sohn, und er zeigt Ihnen seine Schmetterlingssammlung sowie das Glas, in dem er Schmetterlinge tötet.
GN: Ich würde ihm sagen, dass er … Wissen Sie was? Ich hätte keine Ahnung, wie ich reagieren sollte. Was halten Sie von dieser Antwort? Ist das ein psychologischer Test? Ich mache mir Sorgen …
TW: Das sind nur einfache Fragen, Gavin. Um Ihre Frage zu beantworten: Sie werden für mich notiert. Es ist ein Test, bei dem eine emotionale Reaktion ausgelöst werden soll.
GN: Oh, ich verstehe.
TW: Sollen wir weitermachen?
GN: Klar, fahren Sie fort.
TW: Sie sitzen vor dem Fernseher. Plötzlich bemerken Sie, wie Ihnen eine Wespe über das Handgelenk krabbelt. Wie reagieren Sie?
GN: Ich würde ruhig sitzenbleiben und warten, bis sie zu ihrem nächsten Opfer fliegt.
TW: Sie sind in einer Wüste und gehen durch den Sand. Plötzlich sehen Sie nach unten und sehen eine Schildkröte, die langsam auf Sie zu kriecht, Gavin. Sie greifen nach unten und drehen die Schildkröte um, Gavin. Sie liegt jetzt auf dem Rücken, ihr Bauch kocht in der heißen Sonne, und sie strampelt mit den Beinen, um sich wieder umzudrehen, aber sie schafft es nicht – nicht ohne Ihre Hilfe. Aber Sie helfen ihr nicht. Warum, Gavin?
GN: [Sofort]: Niemals” Ich hätte die Schildkröte nicht umgedreht.
TW: Beschreiben Sie in einfachen Worten nur die guten Dinge, die Ihnen in den Sinn kommen, wenn Sie an Ihre Mutter denken.
GN: Moral. Verpflichtung. Aufopferung.
Auswertung: So knapp daneben, dass man es fast nicht hätte feststellen können. Fast. Newsom verteidigt sich, als seine Empathie infrage gestellt wird. Er ist sich bewusst, dass er auf emotionale Reaktionen getestet wird, und drückt sogar Sorge davor aus. Diese Sorge wird jedoch durch unseren erfahrenen V-K-Tester sofort gemildert. Newsom ist definitiv ein Replikant, wahrscheinlich ein Nexus 5.
Also, mir würden auf Anhieb einige Politiker einfallen, die man dringend diesem Test unterziehen sollte … Vielleicht wäre der Voigt-Kampff-Test auch eine geeignete Präventivmaßnahme, der sich jeder Politiker unterziehen sollte? Andererseits: Was, wenn es langfristig besser für uns wäre, von einer KI regiert zu werden – ein Gedanke, dem auch Isaac Asimov seinerzeit schon kam und den er in seiner Story „Beweismaterial“ von 1946 (enthalten in Ich, der Roboter – im Shop) ausführt? Ich jedenfalls habe jeden Abend bei der Tagessschau den Eindruck, dass es mit Menschen an der Spitze der Politik nicht mehr schlimmer werden kann.
Ann Leckies preisgekrönter Roman „Die Maschinen“ (im Shop) ist gerade auf Deutsch erschienen. Mehr zum Thema Künstliche Intelligenz finden Sie unter dem Stichwort „Maschinen-März“.
Kommentare
Stimmt, sobald man beginnt, darauf zu achten, erkennt man es plötzlich :-)
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