Dicke Katzen immer gut
Große Alien-Sause im Kinderhort: „Home – Ein smektakulärer Trip“
Jemand schmeißt ein iPad mini, auf dem permanent Candy-Crush-Saga läuft, in eine transparente Schüssel voller Bubble Tea. Diese Schüssel versenkt er im Ball-Bad des IKEA-Kinderparadieses, während im Hintergrund auf 200-Zoll-Bildschirmen die Teletubbies in Endloschschleife ihre seltsam unheimlichen Abenteuer erleben. Das ganze wird beschallt von Rihannas größten Hits, parallel auf zwanzig Spuren. Alle 10 Minuten furzt jemand. Unbeteiligt drum herum stehen sehr viele 5-Jährige und wischen auf ihren bonbonfarbenen Smartphones rum. Am Ende gibt’s Kuchen satt von Mutti. So ungefähr geht Home – Ein smektakulärer Trip. Aber eins nach dem anderen.
Es handelt sich hier um das neue Animationsabenteuer aus dem Studio Dreamworks, zu Beginn der CGI-Trickfilm-Welle größter Konkurrent von Pixar und anders als die Schöpfer von Meilensteinen wie Toy Story, Findet Nemo oder The Incredibles von Anfang an eher für platte Popkultur-Referenzen und Holzhammer-Humor als für wirkliche Filmkunst zuständig. Und während frühere Hits wie Shrek, Ab durch die Hecke, Madagaskar oder Die Croods sich an ein immer jüngeres Publikum wandten, markiert Home den vorläufigen Endpunkt der Infantilisierung und sucht sein potenzielles Klientel nun endgültig ausschließlich in der Kita. Dabei ist die Prämisse gar nicht mal so übel: Eine bonbonfarbene, weichteilige außerirdische Rasse sucht auf der Flucht vor fiesen Feinden ein neues Zuhause, entdeckt die Erde, siedelt kurzerhand fast die gesamte menschliche Bevölkerung ins Wolkenkuckucksheim um und kolonisiert den blauen Planeten. Doch einer dieser Aliens ist anders als die anderen. Innerhalb des hedonistischen Schwarms besetzt er die Außenseiterposition – ohne Freunde oder Bestimmung im Leben. Dieser kleine Racker, genannt Oh, schließt sich mit einem menschlichen Wildfang namens Tip zusammen und begibt sich auf der Suche nach dessen Mutter und einem Sinn im Leben auf den titelgebenden smektakulären Trip.
Einen Trip ins manisch hüpfende Herz des Teddy-Toys-Universums. Denn obwohl die Anfangssequenzen der außerirdischen Kolonisierung durch den ambivalenten Tonfall zwischen kindlicher Naivität der Aliens und panischer Überraschung der Erdbewohner durchaus verstörendes Potenzial haben – ein Aspekt des Invasions-Subgenres, das gerade im Animationsfilm oft zu kurz kommt –, wird ganz schnell klar, dass das hier ausschließlich für 3-Jährige gemacht ist. Vorschulorientierte Tipsi-Tapsi-Pippi-Kacka-Diktion dominiert den Tonfall, vielfarbige Bubbles überfluten die Bilder und alle kunterbunten Beteiligten sind dermaßen Kika-kompatibel, dass die Netzhaut schmerzt. Irgendwie geht’s hier außerdem ständig darum, dass jemand von seiner Mama getrennt ist, und zumindest in der deutschen Synchro können die Boovs (so heißen die schrägen Außerirdischen, die je nach Stimmung und Gefühlslage ihre Außenfarbe wechseln) nicht mal richtig sprechen. Babys halt. Keine Ahnung, ob das im Original genau so unbeholfen daherkommt, zumindest die Trailer lassen das nicht vermuten. Die englische Version wäre vermutlich vorzuziehen, denn da sind wenigstens arrivierte Kräfte wie Steve Martin am Werk. Hierzulande muss man dagegen 90 Minuten lang Bastian Pastewka und Uwe Ochsenknecht beim Radebrechen zuhören, und das ist nun wirklich kein Spaß.
Jedenfalls ist dies kein Film, den man auch Erwachsenen bedenkenlos ans Herz legen kann – eine duale Qualität, die gerade die großen Disney-Klassiker und ihre späteren Pixar-Fortführungen so außergewöhnlich gut machte. Schon jeder 10-Jährige dürfte hier entnervt mit den Augen rollen, wenn mal wieder irgendein lavendelfarbenes Tentakelwesen mit Hubba-Bubba-Textur regenbogenfarbene Seifenblasen pupst. Tatsächlich ist das, was an Home am meisten auffällt, nicht die handelsübliche und nicht weiter erwähnenswerte Geschichte von der Rasselbande schräger Außenseiter, die im Angesicht großer Widerstände zur verschworenen Gemeinschaft zusammenwachsen, sondern eher die signifikante Art und Weise, mit der deutlich wird, wie die Digitalisierung des Alltags immer mehr auch die Ästhetik des Kinderfilms bestimmt. Hier werden Facebook, E-Mails, Smartphones, Pads und dergleichen (inhaltlich) zu selbstverständlichen Motoren der Handlung und (formal) zu konstitutiven Elementen der Bildsprache. Die intuitiven Bedienungsoberflächen moderner Gadgets finden ihre Entsprechung in den dreidimensionalen Oberflächen des Trickfilms – jeder virtuelle Kameraschwenk evoziert eine Wischbewegung (der Nachspann demonstriert dies ganz buchstäblich). Insofern ist Home im ganz prosaischen Sinne ein höchst modernes Stück Kino, das den tricktechnischen und den soziologischen Aspekt des Digitalen zum ersten Mal in völlig beiläufiger und unapologetischer Form zusammenbringt. Und in dieser Selbstverständlichkeit eine neue Art des Referenzsystems herstellt, für Unter-6-Jährige, wohlgemerkt. Das ist weder gut noch schlecht, es fällt nur extrem auf, wenn man sich das Ganze als 40-Jähriger ansieht. Und tendenziell von so viel digitaler Selbstverständlichkeit, die den Gadget-Fetischismus längst hinter sich gelassen hat, etwas überfordert ist.
Sei’s drum, jede Generation bekommt die Trickfilme, die sie braucht. Und solange sogar ein kunterbunter, feuchtklebriger Appletraum wie Home noch ein Herz für dicke Katzen hat, ist alles in bester Ordnung.
Home – Ein smektakulärer Trip ist seit dem 26.3. bei uns im Kino zu sehen.
Abb. © 2015 DreamWorks Animation L.L.C.
Home (USA 2015) • Regie: Tim Johnson • Darsteller (deutsch): Bastian Pastewka, Uwe Ochsenknecht / Darsteller (original): Jim Parsons, Rihanna, Jennifer Lopez, Steve Martin
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