15. Juli 2015 2 Likes

Rap to the Max

Subtil geht anders, Spaß macht es trotzdem: Sion Sonos „Tokyo Tribe“

Lesezeit: 2 min.

Exzentriker, Enfant Terrible. Begriffe, die durch übertriebenen Gebrauch einiges an Bedeutung eingebüßt haben, die aber auf manche Künstler dennoch zutreffen. Sion Sono zum Beispiel, der sich in den letzten 20 Jahren zum Kultregisseur gemausert hat, dessen Filme so voller Gewalt, Sex, Inzest, Blut und anderen Exzessen ist, dass sie gern in den Mitternachtsvorstellungen von Filmfestivals gezeigt werden. Das Label eines Kultregisseurs, der für Exzesse bekannt ist, birgt natürlich auch Risiken: Die Erwartungen zu erfüllen bedeutet oft noch exzessiver zu werden, was schnell langweilig werden kann. Der Ausweg aus dieser Bredouille ist für Sion Sono das zunehmend intensivere Spiel mit Meta-Narrationen, die seine Filme weniger zu eigenständigen Werken machen, sondern zu augenzwinkernden Hommagen, die eine einzige Referenz sind. Das birgt zwar auch Fallstricke, sorgt in seinem jüngsten Film „Tokyo Tribe“ aber über weite Strecken für absurden, exzessiven Spaß.

Der Titel ist eigentlich schon die ganze Handlung: In einem futuristischen, dystopischen, imaginierten Tokio, dass nur noch aus Neon, Nacht und Bling besteht, kämpfen 23 Gangs bzw. Tribes um die Macht. Godfather des Ganzen ist der Yakuza-Boss Lord Buppa (Riki Takeuchi, bekannt aus den Filmen Takashi Miikes, noch so ein japanischer Exzentriker), der seine Macht erhält, in dem er die anderen Gangs gegeneinander aufhetzt. Er selbst lebt in einer pompösen Hütte, bzw. einer Crib, denn wenn es einen überragenden Bezugspunkt gibt, dann ist es Hip-Hop-Kultur. „Tokyo Tribe“ basiert zwar auf einem Manga, sieht aber aus wie ein überkandideltes Rap-Video, inklusive vieler leichtbekleideter Schönheiten, vergoldeter Pistolen und mehr Bling Bling als jeder Rapper tragen würde. Und das ist der Punkt: Der Exzess der Hip-Hop-Kultur und damit zwangsläufigerweise auch der Gangster-Kultur wird hier noch einmal ins Unermessliche gesteigert und verwandelt sich dadurch in ironische Popkultur.

Dass ist zumindest der Ansatz, der über weite Strecken auch funktioniert: Je besser man sich in der Populärkultur der letzten Jahrzehnte auskennt, desto mehr Verweise erkennt man: Von der Weltkugel, die an „Scarface“ erinnert, bis zur Bar aus nackten (hier allerdings lebenden) Puppen, die an „A Clockwork Orange“ gemahnen, über den legendären gelben Trainingsanzug, der hier sowohl an „Kill Bill“ erinnert, als auch an dessen Vorbild Bruce Lee. Das ist bunt und lustig und auf Dauer auch etwas ermüdend, zumal es kaum möglich ist in der ausufernden Zitatenspielerei nicht den Überblick zu verlieren. Zusammengehalten wird das Ganze erstaunlicherweise von der Musik, denn praktisch der gesamte Dialog wird gerappt! Die Größen der japanischen Hip-Hop-Szene (ja, so was gibt es) geben sich die Klinke in die Hand, spielen sich praktisch selbst, was dem Treiben oft den Anschein eines bunten, grellen Kindergeburtstages gibt, bei dem man sich nach Hip Hop-Manier verkleiden durfte – nur mit mehr Blut und Brüsten…

„Tokyo Tribe“ startet am 16. Juli im Kino

Tokyo Tribe • Japan 2014 • Regie: Sion Sono • Darsteller: Ryohei Suzuki, Riki Takeuchi, Tomoto Karina

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