14. November 2015 2 Likes 1

Komplexe Details

Die neueste Ausgabe der Literaturzeitschrift Krachkultur widmet sich allerlei Phantastischem

Lesezeit: 2 min.

Phantastik ist wie Sex – alle machen es, aber das Gespräch darüber verkrampft sich irgendwo zwischen Fetischisierung und Arztbesuch. Das nervt ein wenig, nicht nur weil sich diejenigen, die das Thema – also die Science-Fiction, die Fantasy, den Horror in all ihren komplexen Details – kulturell ernst nehmen, in ständiger Verteidigungsbereitschaft befinden, sondern vor allem weil man denjenigen, die es ernst nehmen, so einfach nicht gerecht wird: Es mangelt am intellektuellen Instrumentarium; es mangelt überhaupt an der Bereitschaft, sich auf die komplexen Details einzulassen.

In der aktuellen Ausgabe der renommierten Literaturzeitschrift Krachkultur, die sich von der ersten bis zur letzten Seite der Phantastik verschrieben hat, findet sich diese Bereitschaft – etwa in Dietmar Daths fulminanter Abrechnung mit den zünftigen Literaturverwaltern „Brief an eine alte Feindin“, in Zadie Smiths J.-G.-Ballard-Psychogramm „Sex und Motoren“ oder in Huan Vus historischer Spurensuche „Wider den Kult des Realen“. Vor allem aber findet sie sich in den zahlreichen Kurzgeschichten und Prosastücken, die seit jeher Teil dieser Zeitschrift sind (diesmal von Harlan Ellison, James Sallis, Leif Randt, Algernon Blackwood, John Russo und vielen anderen). Denn Phantastik schreiben, heißt ja nicht, die Realität mit anderen Mitteln nachzuerzählen, sondern die Realität mit anderen, eben phantastischen Mitteln aufzubrechen. Ellisons hier erstmals auf Deutsch veröffentlichte Story „Der mit den Sherlock-Holmes-Büchern aufwuchs“ beginnt mit den Sätzen: „Etwas Schlimmes war passiert. Nein, etwas Schlimmes war passiert.“

Mann, wie gerne hätte ich das meinem Deutschlehrer gezeigt und gesagt: Na, interpretieren Sie das mal!
 

KRACHKULTUR Nr. 17/2015 Hrsg. von Martin Brinkmann und Alexander Behrmann ISBN 978-3-931924-12-6 240 Seiten • € 14,– auf krachkultur.de

Kommentare

Bild des Benutzers timetunnel

Vielen Dank für diesen Tipp, das wäre sonst völlig unbemerkt an mir vorbei gegangen. Daths "Abrechnung mit den zünftigen Literaturverwaltern" klingt allein schon interessant genug - hab's gleich mal bestellt!

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