20. Oktober 2020

„42 Grad“ und es wird noch heißer

In Wolf Harlanders Roman bricht der Kampf ums Wasser aus

Lesezeit: 3 min.

Sommer, Sonne, Sonnenschein. Fehlt nur noch die Abkühlung. Doch was ist, wenn kein Wasser aus dem Hahn kommt, Flüsse und Seen austrocknen und Sprudelwasser knapp wird? Das beleuchtet Journalist Wolf Harlander in seinem Öko-Thriller „42 Grad“ – und natürlich wird es im Lauf der Geschichte noch heißer.

Alles beginnt mit einem Erdbeben in Norditalien, das den Grundwasserspiegel in Nordeuropa beeinflusst. Hydrologiestudent Julius Denner entdeckt daraufhin Verwerfungen im Erdboden, die Probleme verursachen dürften. Zur selben Zeit analysiert IT-Spezialistin Elsa Forsberg Daten, die eine Wasserknappheit biblischen Ausmaßes in Europa vorhersagen. Auch anderswo häufen sich Probleme: Ingenieur Noah Luethy reist von Wasserwerk zu Wasserwerk und wundert sich über die technischen Fehlermeldungen. Manipuliert jemand die Software der Betriebe, und wenn ja, warum? Das ungewöhnliche Trio findet sich alsbald in einem Wettrennen gegen die Zeit wieder, in dem es nicht nur sprichwörtlich um Leben und Tod geht.

Elsa, Julius und Noah sind nicht die Einzigen, die sich in der Katastrophe beweisen müssen. Harlanders Leser folgen gleich mehreren Hauptfiguren über die knapp 530 Seiten hinweg. Zu den bereits erwähnten Wissenschaftlern gesellen sich THW-Mann Florian Herzog, der einen aussichtslosen Kampf gegen Waldbrände führt, die junge Mutter Kerstin Lange, die mit ihren Kindern den elterlichen Hof auf der Suche nach Wasser verlassen muss, die beiden engagierten BKA-Beamten Sarah Hansen und Titus Belling sowie der überambitionierte Staatssekretär Krause – und natürlich noch ein Bösewicht, der eigene Pläne verfolgt.

Klingt nach einer Menge Erzählstoff? Ist es auch. Dabei geht Harlander auf Nummer sicher und bedient sich klassischer Figuren und Erzählmuster, die so oder so ähnlich in jedem guten Katastrophenthriller vorkommen. Datenspezialisten Elsa etwa ist eine begnadete Hackerin und ehemalige Öko-Aktivistin. Obwohl ihre Forschungsergebnisse stichhaltig sind, glaubt ihr in den EU-Behörden – wie sollte es auch anders ein? – niemand. Julius wird zu ihrem leicht naiven Sidekick, der ein großes und mutiges Herz hat, während die beiden BKA-Kommissare zunächst gegen die Wissenschaftler ermitteln statt mit ihnen. Dass sie noch rechtzeitig Elsas Scharfsinn erkennen, versteht sich von selbst. Viel Schema F also, aber die Erzählformel funktioniert auch in „42 Grad“.


Wolf Harlander. Foto © privat

Eines macht Harlanders Erzählung dann doch bedrückend: Die Nähe zur Realität. Angesichts der ersten kühlen Tage scheinen die Nachrichten aus dem Sommer schon fast vergessen. Drittes Dürrejahr in Folge, Sorge um die Ernte, Wasserknappheit in mehreren Landkreisen – so lauteten in diesem Jahr mancherorts die Schlagzeilen. In „42 Grad“ verläuft es ähnlich. Viele kleine Meldungen setzen sich nach und nach zu einem großen Ganzen zusammen. Kaum ist die Katastrophe dann da, kommt schon die hässliche Fratze der Zivilisation zum Vorschein. Niemand möchte die Wassersuchenden vor der eigenen Haustür haben. Wer weiß schon, was die alles einschleppen! Die Analogie kommt bekannt vor? Das macht es umso schlimmer. Der Mensch ist und bleibt des Menschen Wolf. Glücklicherweise gibt es im Roman dann doch noch ein glückliches Ende.

Erzähltechnisch braucht der gelernte Journalist ein paar Seiten, um seinen Schreibstil zu finden. Im letzten Drittel hat er dann sein Tempo gefunden und beschreibt cineastisch das Geschehen. Zwischendurch gibt es mehrere Passagen, in denen etwa die Auswirkungen der Hitzewellen erklärt werden. Die wirken manchmal aufgesetzt, geben dem Thriller aber die notwendige wissenschaftliche Grundlage. Die geplante Verfilmung verspricht schon jetzt perfektes Popcornkino.

Mit „42 Grad“ legt Wolf Harlander einen kurzweiligen Thriller vor, dessen Inhalt hoffentlich nie Realität werden wird, da sein Szenario überzeugt. Harlander gelingt es, die vielen kleinen Zeitungsmeldungen im größeren Kontext zu betrachten, sodass sich der Leser automatisch mehr Gedanken über den Klimawandel in Deutschland macht. Nur Fans von Katastrophenthrillern mögen angesichts vieler bekannter Figuren und Motive von manchen Wendungen nicht mehr überrascht sein.

Wolf Harlander: 42 Grad • Rowohlt Polaris, Hamburg 2020 • 528 Seiten • 15,00 €

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