28. August 2014 1 Likes 2

Welt ohne Strom

William R. Forstchens Roman „One Second After“ auf Deutsch

Lesezeit: 3 min.

Der 1950 geborene William R. Forstchen veröffentlichte Anfang der 80er Jahre seinen ersten SF-Roman. Hierzulande kennt man den Experten für Militär- und Wissenschaftsgeschichte, der auch als Lehrer tätig ist, in erster Linie für seine Science-Fiction-Buchserie um das Verlorene Regiment, in denen Soldaten aus dem amerikanischen Bürgerkrieg auf einem fremden Planeten gegen Aliens antraten (allerdings wurden nur fünf der neun Bände ins Deutsche übertragen, ehe maue Verkaufszahlen der Serie bei Bastei Lübbe ein frühzeitiges Ende bereiteten).

Beim neuen Festa-Imprint Deltus.de ist nun „One Second After – Welt ohne Strom“ erschienen, ein für sich stehender Roman, den Forstchen im Original bereits 2009 veröffentlicht hat und der wochenlang auf der New-York-Times-Bestsellerliste stand. Im Buch beschreibt Forstchen nach ausgiebigen Recherchen, was wohl passieren und wie es aussehen würde, wenn eine amerikanische Kleinstadt – in diesem Fall sogar Forstchens eigene Wahlheimat Black Mountain in North Carolina – von einem EMP getroffen wird und der Zivilisation buchstäblich von einer Sekunde auf die nächste die Lichter ausgehen.

Dem elektromagnetischen Puls folgt schließlich das Standardprogramm zum endzeitlichen Frühstadium, das Forstchen routiniert und ohne allzu großes Tempo abspult. Angenehm ist dabei, dass Forstchens Endzeit-Szenario an einem realistischen technischen bzw. militärischen Ausgangspunkt festgemacht ist. Schon ganz nett, dass mal keine Zombies durchs Bild wanken und es primär darum geht, dass den Menschen der Zugriff auf einen Großteil aller elektrischen Geräte abgeschnitten wird – von der Kaffeemaschine bis zum Auto. Dafür muss man es in den Kapiteln von „One Second After“ mit zahlreichen genauso zombiehaften Figuren-Stereotypen und einem wenig überraschenden Handlungsverlauf aufnehmen – selbst ohne die obligatorischen vor sich hin faulenden Untoten-Horden mangelt es Forstchens Story also etwas an Frische und Überraschungen.

Das größte Manko des Buches sind jedoch nicht einmal die ganzen Stereotypen oder der konventionelle Aufbau und Spannungsbogen, die in der Nähe zum Belletristik-Mainstream und Nicht-Genre-Käuferschichten wohl dazu gehören, sondern die politische Färbung des Ganzen. Immerhin kommt „One Second After“ ganz schön über-patriotisch und über-republikanisch daher. Das beginnt mit Forstchens Widmung und Einleitung sowie dem Vorwort von Forstchens Freund und Gelegenheits-Co-Autor Newt Gingrich (dem einstmals unbeliebtesten Politiker der USA), setzt sich auf den folgenden fast 500 Romanseiten fort und gilt auch für das Nachwort von Navy-Captain Bill Sanders. Aufgrund dieser rechtslastigen Einbettung grübelt man als Leser schon mehr als sonst über Forstchens pro-patriotischen Roman und darüber, was für Werte Mr. Forstchen einem hier eigentlich verkaufen möchte.

Endzeit ohne Zombies und mit einem schon heute realistischem Stein des Anstoßes – das lässt man sich zwecks Abwechslung beim literarischen Weltuntergang gerne gefallen! Schade, dass „One Second After“ zum Ausgleich für zu wenige Überraschungsmomente lediglich eine ausgeprägte politische Schieflage anzubieten hat. So wirkt Forstchens Roman unterm Strich in erster Linie wie eine böse Gute-Nacht-Geschichte für konservative amerikanische Durchschnitts-Fernsehzuschauer, die den Machtwechsel herbeisehnen, damit endlich wieder mehr Geld in die Verteidigung investiert wird und sie jemand vor allen bösen Feinden beschützt, die schon jetzt die Atombomben bzw. die EMP-Waffen in Stellung bringen.

William R. Forstchen: One Second After – Die Welt ohne Strom • Deltus.de, Leipzig 2014  • 507 Seiten • € 13,80

Kommentare

Bild des Benutzers Hans Schilling

Die Rechtslastigkeit ist klar gegeben, da muss ich Ihnen leider zustimmen. Aber: Man kann diesen Text auch als spannende und realistische Möglichkeit einer Welt ohne Strom lesen. Welch riesiger Rattenschwanz an Problemen folgt, wenn es von jetzt auf gleich keinen Strom mehr gibt? So gelesen ist der Text durchaus eine mögliche Realität.

Bild des Benutzers Richard Lutz

Ich stimme uneingeschränkt zu, dieser Roman ist nervenaufreibend, man benötigt eine Portion mentale Stärke um diesen zu lesen und zu verarbeiten.
Selbstverständlich, auf den ersten Blick sieht dieser Roman sehr rechtslastig aus. Ich betrachte jedoch niemals nur eine Seite, sondern immer mehrere Seiten. Auch der Blick zu mehr Rüstung sieht plausibel aus. Es ist jedoch eine Antwort zu der Frage zu suchen, ist dem wirklich so?
Was will einem der Autor mitteilen? Dass der Mensch zum gefährlichsten Tier werden kann? Weil sich der Mensch nur dann beherrschen kann, wenn alles immer lieb, schön und nett nach seinen Ego-Wünschen läuft? Blos niemals irgendwelche unbequemen Herausforderungen welche einen von seiner Ponyhof-schöne heile Welt-Denk- und Lebensweise herausreissen könnten?
Nach meiner Ansicht ist es nicht die Frage nach mehr Rüstung. Es ist die Frage, was kann jeder einzelne Mensch dafür tun um sich auf solche eventuell eintretbare Möglichkeit vorzubereiten. Ich denke, darum geht es. Und darum, was am Schluß des Buches offenkundig ist: Das Haus Erde ist schon lange übervoll, ohne Hightech nicht mehr überlebensfähig.

Materiell wird sich der Einzelne, lebt er nicht von anderen Menschen unerreichbar in einer Einöde, nicht können, außer –dies dann aber ab sofort- in einem uneinnehmbaren Bunker.
Demzufolge hilft lediglich ein mentales und emotionales Vorbereiten… es ist dann eben, so wie es ist. Einfach zu akzeptieren, ohne jammern, ohne klagen, niemals über das bereits Geschehene zu denken noch zu sprechen, denn dadurch löst es nicht auf. Demzufolge ist –sobald eingetreten- nur eines sinnvoll: Wie lösen?, Wie damit umgehen?, Was ist jeweils Heute zu tun?, mehr nicht, Basta.

So unschön solche Erkenntnisse sind, jene lösen sich nicht in Wohlgefallen auf, nur, weil einem solche Erkenntnisse unangenehm oder unerträglich scheinen.
Man hat sich das Unmögliche, das Unangenehme, das Unerträgliche vorstellbar zu machen; dann kann man niemals davon überrascht werden und niemals in heilloser Panik und Angst ausbrechen.

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