5. Oktober 2014

Iron Man auf Drogen

Im Comic „Nirvana“ verändert eine neue Droge die Welt

Lesezeit: 3 min.

In der nahen Zukunft drängt mit Nirvana eine unglaubliche quantische Droge auf den Markt, die den Körper des Konsumenten auf dem Trip buchstäblich zerlegt und danach wieder zusammensetzt – wenn man Glück hat. Der bodenständige Archivar Hurley Judd aus London hat seine untreue Frau, zu der er ohnehin ein schwieriges Verhältnis hatte, an die neue Droge verloren und wird ein Narco-Bulle, um seine Gattin wiederzufinden. Doch seine verdeckte Ermittlung wird schnell ebenfalls ein ganz schön heftiger Trip, da der nach und nach von den adaptierten Fähigkeiten eine schwulen Profi-Sportlers übernommene Hurley alle Brücken zu seinen Vorgesetzten und menschlichen wie nichtmenschlichen Kollegen einreißen muss. Am Ende fliegt er sogar in einer Iron-Man-mäßigen Kampfrüstung ins All, um den Nirvana-Guru höchstpersönlich zu stellen…

Gleichzeitig möchte man auf der Erde die Blaster-Androiden offiziell auf alle Nirvana-Süchtigen hetzen, denen nach einer Verhaftung ohnehin die Todesstrafe droht, und die Junkies gleich von den Killer-Robotern ausschalten lassen. Was das für gesellschaftliche Konsequenzen hat, wird direkt im zweiten Teil der Science-Fiction-Comicgeschichte geschildert, in der es dann auch noch um ein paar Flüchtlinge geht, die durch eine Notlandung auf einem feindseligen Planeten unsanft aus dem Kälteschlaf ihrer Raumreise geweckt werden: Ein paar Jahre nach Judds Jagd auf den Nirvana-Schöpfer kennen diese Leute schon nur noch eine Welt, in der die Erde Kolonien im Weltraum hat und die Blaster-Kampfmaschinen selbst Menschen, die im Mutterleib mit Nirvana infiziert und für die Blaster-Verfolgung „gebrandmarkt“ wurden, obwohl sie niemals die Chance hatten, rein zu bleiben, als unerbittliche Robo-Vollstrecker bis ins All jagen.

Der Bielefelder Splitter Verlag hat die beiden französischen Original-Alben, die sich mit der ersten und zweiten Generation der Menschheit nach dem Aufkommen des Nirvana-Rauschs beschäftigen, in einem praktischen Doppelband – einem Splitter Double – zusammengefasst. Dass sowohl die darin enthaltene Hardboiled-Nummer im ersten als auch die zweigleisig auf der Erde und einem fremden Planeten fahrende Fortsetzung im zweiten Teil storytechnisch lediglich bedingt überzeugen kann, wird durch das Artwork von Arnaud Boudoiron gut kompensiert.

Boudoiron wurde 1974 im französischen Bordeaux geboren, wuchs in der Nähe von Nantes auf und startete seine künstlerische Karriere in Paris. Heute lebt er in Charlottesville, Virgnina (USA) und verdingt sich als Comiczeichner, Illustrator, Konzeptdesigner- und Skulpteur sowie als Modelleur. Im „Nirvana“-Doppelband kredenzt Boudoiron am laufenden Band tolle Panels voller SF-Atmosphäre, egal ob mit dem Near-Future-Setting auf Erden oder mit Kampfrobotern auf einem unwirtlichen Planeten. Und zwischendurch gibt’s auch die eine oder andere Splashpage, die richtig rein haut, um es mal salopp zu formulieren.

Der dank seiner Fantasy-Comics (Die Druiden, Die Elfen) mittlerweile als Splitter-Haus-Autor geltende Jean-Luc Istin legt mit „Nirvana“ kein Meisterwerk vor und erfindet die Science-Fiction keineswegs neu – immerhin, ein paar schöne Ideen und Ansätze hat er. Doch es liegt in erster Linie am Artwork von Arnaud Boudoiron, dass man sich dieses „Splitter Double“ mit zwei Alben in einem großformatigen Hardcover zum Kampfreis durchaus mal anschauen kann.

Jean-Luc Istin u. Arnaud Boudoiron: Nirvana • Splitter, Bielefeld 2014 • 118 Seiten • € 22,80

 

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.