3. Mai 2014

Leschek, Faarman und der Würfelrhumpler

In Sebastian Stamms Comic-Debüt träumt ein Android von einer besseren Zukunft

Lesezeit: 2 min.

Maschinen-Mann Leschek arbeitet im Rang eines kleinen Angestellten als Actionfigurenentwickler in einer Spielzeugfabrik auf dem trostlosen Industrie-Planeten Neulins. Als er aufgrund unpünktlichen Erscheinens in die Abwasserabteilung des Unternehmens versetzt wird und kurz darauf von seinem dem „Endeffekt“ erlegenen Kollegen Fattko ein von und für Menschen erbautes Oldtimer-Frachtraumschiff des Typs „Würfelrhumpler“ erbt, scheint seine Möglichkeit zur Flucht aus der Tristesse in die Weiten und Abenteuer des Weltraums zum Greifen nahe. Es braucht jedoch ein nicht unerhebliches Vermögen, um den Tank des Raumschiffes zu füllen – und vor allem einen menschlichen Steuermann, der die der alten Navigationstechnik entsprechenden, für Roboter wie Leschek unverträglichen Piloten-Handbuch-Kapseln zu schlucken imstande ist. Die Fluchtoperation beginnt, nachdem sich auf Lescheks Suchanzeige der seinerseits von kosmischen Raumschiffabenteuern träumende junge Fleischfarmer Faarman meldet.

Des Weltraums unendliche Weiten stehen am Ende von Lescheks Flug, dem Comic-Debüt von Sebastian Stamm. Das Versprechen des Titels erfüllt sich – in kluger Aussparung der heldenepischen SF-Klischees, mit denen andere Genre-Comics nicht selten Unmengen ihrer (redundanten) Seiten vollmachen – lediglich als Verheißung, Ausblick und Hoffnung. Und vielleicht ist dieses Ende zugleich der Anfang der seit Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt schönsten Freundschaft zwischen zwei Utopikern, die gemeinsam einer besseren Zukunft entgegenfliegen und den Wert des Humanen nicht nach der oberflächlich-funktionalen Unterscheidung zwischen künstlicher und offizieller Menschlichkeit, sondern den eigenen Wünschen und Träumen bemessen. In die kann sich Stamm, der nicht nur Illustrator, sondern als spieleentwickelndes Teammitglied des Independent-Games-Studios Black Pants mit ähnlichen Dingen beschäftigt ist wie sein hochsympathischer Roboter Leschek, les- und sichtbar gut hineinversetzen.

Seine erzählgrafische Welt glänzt in gedeckter Kolorierung, in wunderbar organischer Empfindsamkeit, in warmem Schmutz, Rost und Qualm, in einer bezüglich Plotführung, Strich, Rhythmus und Figurenzeichnung so tiefenentspannt-verspielten wie empathischen Knarzigkeit. Bisweilen wünscht man sich aufgrund der detail- und fantasiesprühenden Ausstattungsopulenz ein größeres Format, Richtung Album, um am Schluss zu denken: Doch, das ist genau richtig so, das muss so sein, diese jedes Strecken nach falscher Größe und Schwere anrührend und souverän vernachlässigende Geschichte aufs Abenteuer-Comicheft-Prestigeformat zu bringen. Lescheks Flug zeigt, wie es bestenfalls funktioniert, wenn Freiheit und Stilbewusstsein unabhängigen Comic-Schaffens auf Genrevorlieben treffen und einer produktiv davon träumen kann, als oder mit einem Roboter in die unendlichen Weiten des Weltraums zu fliehen, aus einer schlechten Zukunft in eine hoffentlich gute. Mehr davon, bitte.

Sebastian Stamm: Lescheks Flug (Black Pants Adventure Comic) · Rotopolpress, Kassel 2013 · 120 Seiten · €19,–

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.