8. Dezember 2024

„Abendland“ – Merkel im Kaninchenbau

Merkel trifft Merkel in einem Film, der merkelt

Lesezeit: 2 min.

Der Frust lässt etwas auf sich warten, „Abendland“ fängt ganz gut an. Das Werk des israelischen Videokünstlers, Filmregisseurs und Filmprofessors Omer Fast steigt mit militanten Naturschützern ein, die einen Wald vor der Rodung bewahren wollen. Als die Polizei auftaucht, werden die Beine in die Hand genommen. Unter den Aktivisten befindet sich eine junge Frau, die ihr Gesicht fast den ganzen Film hinter einer Angela-Merkel-Maske verbirgt und dementsprechend Merkel genannt wird.

Merkel schafft es ihre Verfolger abzuschütteln, doch fällt auf der Flucht in eine Schlucht und verletzt sich. Auf der Suche nach Hilfe trifft sie auf eine Gruppe von Menschen, die sich im Wald ein neues Leben aufgebaut haben und Alien-, Aladin-, Fawkes-, Jason- und andere Masken tragen. Auch eine zweite Merkel ist Teil der Gruppe, bei denen es sich laut Eigenauskunft nicht um Aktivisten, sondern um Separatisten handelt: Man möchte komplett von vorne starten und hat im Wald die Utopie einer neuen Gesellschaft errichtet, autark, dezentral, unhierarchisch, der Identitätsbegriff wurde ebenso neu geformt – Identitäten werden mittels Maskentausch gewechselt. Doch dem Neuankömmling wird besonders von Merkel Nummer 2, genannt Angie, mit Argwohn begegnet …

Eigentlich eine wunderbare Basis für eine schön wilde, psychedelische Politiksatire und in der Tat fängt „Abendland“ viel versprechend an, das irgendwo zwischen Regen- und Märchenwald liegende Setting ist atmosphärisch, der Verfremdungseffekt der Masken reizvoll irritierend.

Leider wird mit zunehmender Minutenzahl (es gibt müde machende 120) deutlicher und deutlicher, dass Fast keinen wilden, sondern einen – man kann das mittlerweile mit ruhigem Gewissen so sagen – typisch deutschen Film gedreht hat, der wie so viele Produktionen der letzten Jahre über einen überschäumenden Drang nach Relevanz stolpert.

In „Abendland“ geht es um einiges und gleichzeitig um nichts und das schön humorlos. Corona, Merkel, Identitätspolitik, Flüchtlingskrise, Kapitalismus, das Verhältnis des Individuums zum Kollektiv. Fast, von dem ebenso das Drehbuch stammt, lässt sich auf nichts ein, findet keine wie auch immer geartete Position, sondern reist alles nur extrem vage an. Zum Beispiel darf seine Protagonistin immer mal wieder Merkel-Sätze wie „Liebe Mitbürger, es ist ernst. Nehmen sie es auch ernst!“ oder „Ohne Wachstum keine Arbeitsplätze.“ sagen – warum? Man weiß es nicht. Sätze, die im luftleeren Raum schweben. Es wird zudem bis zum Ende nicht klar, wieso der Film so heißt, wie er heißt.

So wie „Abendland“ keine Entscheidung (für ein Thema) trifft, indifferent bleibt, aber trotzdem geschlagene zwei Stunden weitermacht, kann man durchaus sagen, dass der Film merkelt. Vielleicht ist das ja der große Meta-Gag in diesem vom Geist der ehemaligen Bundeskanzlerin durchdrungenem Kunsthochschulauswurf. Wer weiß.

Abb. Piffl Medien

Abendland Deutschland 2023 • Regie: Omar Fast • Darsteller: Stephanie Amarell, Marie Tragousti, Sebastian Schneider, Ivy Lissack, Janina Stopper, Amon Wendel • jetzt im Kino

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