7. Oktober 2021

„Das Haus“ – Fallstricke der Technik

In seinem Near-Future-Thriller wirft Rick Ostermann verschiedene Themen durcheinander

Lesezeit: 3 min.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie diesen Text auf ihrem Smart-Phone lesen, ein Gerät, das binnen weniger Jahre zu einer aus allen möglichen und vielen unmöglichen Lebenssituationen nicht mehr wegzudenkenden Krücke geworden ist. Wie smart die Geräte und der Umgang mit ihnen ist hängt wie bei vielen technischen Neuerungen, die natürlich als Errungenschaften verkauft werden, nicht zuletzt vom Nutzer ab – und von den Intentionen der Technik bzw. demjenigen, der sie programmiert.

Das gilt auch für sogenannte Smart Houses, die in Rick Ostermanns Near-Future-Thriller „Das Haus“ schon Alltag geworden sind. Zumindest für den Star-Journalisten Johann Hellström (Tobias Moretti), dessen Feriendomizil eine architektonische Perle ist und thrillertypisch schön abgelegen auf einer einsamen Insel liegt. Hierhin flieht der Journalist mit seiner Frau Lucia (Valery Tscheplanowa), nachdem sein Chefredakteur Paschke (Hans-Jochen Wagner) ihn mit Schreibverbot belegt hat. Denn in dieser nahen Zukunft haben rechte Kräfte in Deutschland die Macht übernommen und bemühen sich nun, unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen. Per Medienmanipulation werden linke Aktivisten eines Mordes beschuldigt, zwei von ihnen sind ausgerechnet die Klienten von Johanns Frau, die zudem auch noch eine Affäre mit Paschke hatte.

Was das alles mit dem Smart-House zu tun hat?

Das ist die Frage, die sich zunehmend stellt, denn wie Johann und der Zuschauer bald feststellen, ist das Haus nicht nur außerordentlich schön, sondern auch eigensinnig. Es bestellt eigenmächtig Lebensmittel, dimmt die Lichter je nach Bedarf und in weiser, etwas unheimlicher Voraussicht den Bedürfnissen der Bewohner entsprechend. Mehr und mehr scheint es jedoch so, als hätte das Haus eigene, finsterere Interessen: Es führt Johann ein Überwachungsvideo vom Sex Lucias mit Paschke vor, scheint das Paar gegeneinander ausspielen zu wollen und agiert wie eins dieser Spukhäuser, die das Horrorkino so liebt und die meist übernatürliche Ursachen haben.

Sehr stilvoll gefilmt ist das, gedreht wurde auf einer Insel in den Schären vor Stockholm, wo das Haus tatsächlich so steht wie im Film zu sehen – allerdings ohne die besonderen Fähigkeiten. Vorlage des Films war eine Kurzgeschichte des Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit, die im gleichen Sammelband zu finden sind, aus dem schon die Vorlagen zum TV-Film „Exit“ und Maria Schraders Berlinale-Erfolg „Ich bin Dein Mensch“ stammen. Auch „Das Haus“ ist also vor allem eine hübsche Idee, eine Gedankenspielerei, ein „Was-wäre-wenn?“, wie man es etwa aus der Erfolgsserie „Black Mirror“ kennt.

Mögliche durch technologische Entwicklungen entstehende Bedrohungen werden hier wie da durchgespielt, im Ansatz meist spannend, in der Ausführung oft weniger. Auch in Rick Ostermanns Film stellt sich zunehmend die Frage, ob das eigentliche Thema der Erzählung – der Rechtsruck, die Fake-News-Kampagne der neuen Regierung – nicht interessanter ist als das Smart-House selbst. Das erscheint trotz allem als eher nachrangige Bedrohung und ist vor allem schönes Dekor eines interessanten Films, der immerhin ein ehrenwerter Versuch ist, deutsches Genrekino zu drehen.

Das Haus • Deutschland 2021 • Regie: Rick Ostermann • Darsteller: Tobias Moretti, Valery Tscheplanowa, Hans-Jochen Wagner • ab 7. Oktober im Kino

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