11. Mai 2016 1 Likes 4

Frankenstein mal anders

Paul McGuigan erzählt in „Viktor Frankenstein“ die bekannte Geschichte aus ungewöhnlicher Perspektive

Lesezeit: 3 min.

Kaum ein Stoff wurde im Lauf der Filmgeschichte so oft adaptiert wie Mary Shelleys „Frankenstein“. Versucht man sich da also an einer Neuinterpretation sollte man einen interessanten oder zumindest originellen Ansatz parat haben. In Paul McGuigans Film nach einem Drehbuch von Max Landis ist das der Kniff, die allseits bekannte Geschichte aus Sicht einer Nebenfigur zu schildern: Igor, buckliger Gehilfe des genialischen Frankensteins, ist der Erzähler.

Wie der Titel jedoch andeutet steht am Ende doch „Viktor Frankenstein“ im Mittelpunkt. Was auch daran liegt, dass sowohl bei Shelley als auch den bisherigen dutzenden Verfilmungen Igor  kaum mehr als Staffage war, ein Assistent eben, der kaum ein Wort von sich geben durfte. Dementsprechend nimmt sich Max Landis die Freiheit, nicht nur die bekannte Geschichte aus anderer Perspektive zu erzählen, sondern eher ein Prequel zu imaginieren.

Es beginnt in einem Zirkus, in dem der bucklige Igor als Clown arbeitet, sich in seiner Freizeit aber erhebliches medizinisches Wissen angelesen hat. Mit diesem rettet er die schöne Artistin Lorelei, was den zufällig anwesenden Viktor Frankenstein so sehr beeindruckt, dass er Igor zu seinem Assistenten, Mitverschwörer, Partner in Crime macht. Anfangs experimentiert das Duo noch an Tieren, lässt Augen, eine Leber, schließlich ein Herz zum Leben erwecken, was Scotland Yard auf den Plan ruft, aber auch einen Finanzier. So erfolgt schließlich der Wechsel aus dem viktorianischen London, wo Frankenstein in bester Steam-Punk-Manier experimentiert, in die schottische Einöde und die bekannten narrativen Gefilde.

Ein merkwürdiger Bastard ist McGuigans Film, gleichermaßen Neuverfilmung, Weiterführung, Variation einer allseits bekannten Geschichte, von deren zwei spannendsten Elementen eines völlig ignoriert wird: Die langsame Entdeckung der Menschlichkeit des Monsters, die Boris Karloff in den berühmten Filmen von James Whale zu berührend andeutete, spielt hier überhaupt keine Rolle, zumal das Monster erst in den letzten 20 Minuten auftaucht.

Bleibt noch das ewige Thema des ebenso visionären wie verrückten Forschers, der Kampf zwischen Gott und Wissenschaft. James McAvoy spielt Frankenstein mit kaum verhohlenem Wahnsinn, angesichts dessen der Film immer wieder in exzessiven Camp abzudriften scheint. Ihm gegenüber steht jedoch der ewige Harry Potter Daniel Radcliffe, der sich zwar redlich bemüht, aber vor allem eins ist: blass. Schon als Zauberlehrling wirkte Radcliffe immer ein wenig passiv und hilflos, was damals ebenso gut passte wie in „Die Frau in Schwarz“, seinem besten Post-Potter-Film. Als aktives Zentrum eines Films, der sich wie hier sowohl gegen einen verrückten Wissenschaftler durchsetzen soll, als auch eine schöne Frau retten, überzeugt Radcliffe nur bedingt.

Was am Ende allerdings auch kaum einen Unterschied macht: Zu zerfahren ist Paul McGuigans „Viktor Frankenstein“, zu unentschlossen in Ansatz um Atmosphäre, zu fahrlässig im Umgang mit etlichen schönen Ideen, die aber nicht für eine wirklich interessante Neuinterpretation des klassischen Stoffs ausreichen.

„Victor Frankenstein - Genie und Wahnsinn“ startet am 12. Mai im Kino.

Abb. © Twentieth Century Fox

Viktor Frankenstein • UK 2015 • Regie: Paul McGuigan • Darsteller: Daniel Radcliffe, James McAvoy, Jessica Brown Findlay, Andrew Scott, Charles Dance

Kommentare

Bild des Benutzers Kodijak

Ein sehr schönes Review...

Aber wie es halt mit den Geschmäckern ist...halte ich den Film für großartig uns sehr gelungen!
Sicher...man kann es so "gespalten" sehen wie es im Artikel steht, es wird ja gut genug begründet.

Nur bei Aussagen (und sie kommen immer wieder in Reviews vor) wie "der Darsteller ist blass"...ist es halt immer nur eine total subjektive Einschätzung, die man kaum seriös mit "Fakten" belegen kann.

Ich z.B. empfand Daniel Radcliffe nämlich einfach hervorragend!!!!...Ich möchte sogar soweit gehen und sagen, dass er und seine Rollte den Film bis zur Mitte der Laufzeit trägt...und warum?...weil er es einfach kann!!!!! Danach sicherlich...verschiebt sich der Fokus auf James McAvoy...(der eigentlich immer sein Geld wert ist, toller Schauspieler)...aber auch für meine Behauptung gilt...es ist halt nur eine Einschätzung von Vielen!....

Mich hat Radcliffe mit seiner Darstellung erreicht...ich mochte ihn und seine Rolle, ich mochte die Geschichte, sein Zusammenspiel mit Mcavoy ist das Herz dieses "Gothic-Coming-of Age-Action-Grusel-Buddy Movies"

Der Film war mir ein richtiges Vergnügen!

Bild des Benutzers Bernd Kronsbein

Gab's nicht mal einen Trickfilm, in dem auch Igor die Hauptrolle spielte? Kann mich dunkel erinern.

Bild des Benutzers Doctor Flamenco

Igor war bei Shelley nicht nur "Staffage" - Er kommt bei ihr überhaupt nicht vor. Generell scheint der Film nur sehr, sehr wenig mit dem Original zu tun zu haben. Radcliff sagt ja selbst: ‚Wer das Buch mag, wird den Film vermutlich hassen.’

Bild des Benutzers Uwe Roos

Die Neuerfindung des Rades nach Hollywood-Manier. Für die Macher ist die Literaturvorlage nur eine redumentäre Sichtweise aus den Stoff. Bunt, actiongeladen und kurzweilig muss das Ganze sein. Popcornkino für die Massen, die von Mary Shelley und ihrem Werk so gut wie nichts wissen.

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