27. Oktober 2025

„A House of Dynamite“ – Leidenschaftslose Katastrophe

Mehr Uni-Essay als Thriller

Lesezeit: 4 min.

Wenn man durch die ganzen bisher veröffentlichten Jubel-Arien zu Kathryn Bigelows neuem Film „A House of Dynamite“ streift, bekommt man unweigerlich erneut den Eindruck, dass die Atemlosigkeit des Internets der Rezeption nicht gerade zuträglich ist. Dass es keine gute Idee ist, angetrieben vom Ziel möglichst als einer der ersten was zu veröffentlichen, den soeben gewonnen Eindruck unverzüglich niederzuschreiben. Sondern, dass es oft sinnvoller ist, das Gesehene erstmal „durchsickern“ zu lassen, eine Nacht drüber zu schlafen.

Natürlich, der erste Impuls ist nahe liegend: Angesichts des Irren im Weißen Haus wirkt ein Film, der als Thema die menschlich bedingte Fehlbarkeit von Politik- und Militärapparaten und die sich daraus ergebende Fragilität internationaler Machtgeflechte hat, ein Film, der drauf hinweist, dass wir uns selbst wenn ein rationaler, besonnener, normaler Präsident (Idris Elba als POTUS sendet deutliche Obama-Vibes) an den Schalthebeln einer Weltmacht sitzt, mitten in einem Pulverfass, in einem Haus aus Dynamit, befinden, dass jederzeit hochgehen kann, extrem nahe am Puls der Zeit und deswegen eindringlich.

Aber genau das ist der Knackpunkt. Er wirkt so, er fühlt sich nicht nur dank Trump, sondern auch dank der aktuell generell äußerst angespannten Weltlage (man denke nur an Putins Atomwaffen-Geprotze) so an. Wenn man aber die Nachrichten aus dem Hinterkopf verbannt, fällt auf, dass Bigelow, die sich spätestens mit „The Hurt Locker – Tödliches Kommando“ (2008) als dezidiert politische Regisseurin empfohlen hat, aus ihrem Stoff dieses Mal wenig macht, dass ihr als Mahnmahl verstandenes Werk erstaunlich kalt lässt.

In Alaska bemerken Major Daniel Gonzalez (Anthony Ramos) und sein Team überrascht eine Interkontinentalrakete in der Luft, die unentdeckt im Pazifik gestartet wurde. Zunächst wird der Start für einen Test gehalten, doch schnell wird klar: Es ist ernst, die Rakete ist auf den Weg in die USA und wird in 19 Minuten im Land der Freiheit, genauer gesagt, in Chicago, einschlagen. Für die Mitarbeiter des Weißen Hauses beginnt nun ein atemloses Rennen gegen die Zeit: Es muss schnellstmöglich herausgefunden werden, wer die Rakete gestartet hat und man muss sich überlegen, wie die Reaktion auf den Vorfall ausfallen soll. Die üblichen Verdächtigen, Nordkorea, Russland und China leugnen eine Beteiligung an dem Vorgang, mobilisieren aber ihre Armeen, die USA bemannt ihre Kommandozentralen, bereitet den Start ihrer Atomwaffen vor und lässt strategische Bomber zu ihren Positionen fliegen.

„A House of Dynamite“ ist in drei Episoden eingeteilt, in denen die 19 Minuten aus verschiedenen Perspektiven gezeigt werden: Aus der Sicht der Soldaten, aus der Sicht des Situation Rooms im Weißen Hauses und zuletzt aus der Sicht des Präsidenten, der ganz allein entscheiden muss, ob ein Gegenschlag ausgelöst werden soll oder nicht – und vor allem gegen wen. Wie der Präsident sich entscheidet, erfährt man nicht, man erfährt ebenso wenig, wer die Rakete gestartet hatte oder ob sie einschlägt. Es geht nicht um die Katastrophe, sondern um die Reaktionsmechanismen des militärischen und politischen Systems, durchsetzt von Brüchigkeiten wie mangelhafter Kommunikation, Verunsicherung, Ratlosigkeit und Angst.

Bigelows Film ist ein Warnung, dass das Paradigma „Frieden durch Aufrüstung“ auf ganz wackligem Grund steht, da trotz allem Hightech und allen Mechanismen am Ende immer noch der Mensch steht. Allerdings wird diese Warnung von einer noch recht spannenden ersten Episode, die nicht nur dank der antiquierten Wackelkameraoptik Erinnerungen an den einstigen Seriensuperhit „24“ (2001-2010) wachruft, zu einer gelegentlich theaterhaften Versuchsanordnung.

Das Momentum der ersten Episode geht zu Beginn der zweiten völlig verloren, das Haus aus Dynamit explodiert nicht, sondern implodiert, die eigentlich hochtalentierte Besetzung ist die meiste Zeit dazu verdammt, die Stirn in Sorgenfalten zu legen, Monitore anzustarren, Befehle zu knurren oder in Telefone zu sprechen. Es gibt keine neuen Kontexte oder gar dramaturgische Wendungen – lediglich die Perspektiven ändern sich.

Der Film wird völlig dominiert von seinem Thema, das Figurenpersonal ist nur Mittel zum Zweck und so überrascht es dann nicht unbedingt, dass ein völlig unterfordernder Idris Elba in den letzten Minuten, in einem Dialog, bei dem man die Drehbuchseiten nur so rascheln hört, auch noch den Titel des Films erklären darf.

Dass das völlig offene Ende für viel verärgertes Publikum außerhalb der Presse-Bubble gesorgt hat, ist – in dem Fall – verständlich, nach diesen 112 insgesamt doch sehr mageren Minuten möchte man zum Schluss dann doch wenigstens noch eine schöne, riesengroße Explosion.

Abb.: Netflix

A House of Dynamite • USA 2025 • Regie: Kathryn Bigelow • Darsteller: Idris Elba, Rebecca Ferguson, Gabriel Basso, Jared Harris, Tracy Letts, Anthony Ramos • Netflix

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