Happy Halloween, werte Erwachsene!
Süßes oder es gibt Saures: Fantastisches und Gruseliges von noho, Becky Cloonan, Tula Lotay und Haruo Iwamune
Der 31. Oktober steht vor der Tür. Doch nicht nur an diesem Tag der Tage greifen Leser:innen gerne zu Lektüre, in denen nicht immer die Menschen die Hauptrolle spielen. Drei Comictipps für Erwachsene.
Die Tipps für die lieben Kinder findet sich hier.
Von Geistern und Menschen
Bewerte nie ein Buch nach seinem Einband und einen Comic anhand seines Stils. Der ist bei „Mein Nachbar Yokai“ minimalistisch und Zucker pur. Dabei vergisst man leicht, dass hinter der süßen Fassade die Lasten des Erwachsenendaseins lauern. Alles beginnt damit, dass Kater Buchio zu einem Nekomata wird. Als solcher hat er nicht nur zwei Schwänze, er kann auch fortan mit seiner Familie reden und jede Form annehmen, die er sich wünscht. Doch dafür muss der Jung-Yokai erst einmal die Geisterschulbank drücken und sich von den Älteren erklären lassen, wie man als Fabelwesen unter Menschen lebt. Hier in Fuchigamori hat er es damit leicht. In der beschaulichen Bergstadt leben Menschen, Yokai und Gottheiten friedlich nebeneinander. Da ist etwa die Kitsune Yuri, der Raben-Tengu Jiro oder das Mädchen Mu-chan. Ihnen allen widmet Mangaka noho kleine und große Alltagsgeschichten. Diese erstrecken sich über ein Jahr oder vier abgeschlossene Bände plus einer Storysammlung, die im November auf Deutsch erscheint. Die Geschichten über Freundschaft, Familie, Identität, Liebe, Trauer und Verlust richten sich eher an ein erwachsenes Publikum. Ältere Teenager dürften an der Mischung aus realer Welt und japanischer Mythologie dennoch ihre Freude haben. Das Beste: Am Ende gibt es dann doch noch eine große Katastrophe, bei der die Jüngsten zu Held:innen werden. Ein famoses Kleinod über das Leben, das Universum und den ganzen Rest.
noho: Mein Nachbar Yokai • Aus dem Japanischen von Janette Blesch • Splitter Manga+, Bielefeld 2025 • je ca. 230 bis 300 Seiten • Preis: je € 10,50 bis 12,00
Der Teufel, der sie rief
Die Historie ist mitunter grausamer als jeder Horrorstreifen. Hier reicht ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Doch manchmal lohnt es sich, weiter zurückzuschauen. Beispiel gefällig? Zur Hochzeit der Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit verloren Abertausende Männer und Frauen ihr Leben. Wer unter Verdacht gerieten, mit dem Teufel oder Dämonen im Bunde zu sein, landete auf dem Scheiterhaufen – oder starb einen noch grauenvolleren Tod. Was dieser Wahn aus Menschen und Gemeinschaften macht, beschreiben Becky Cloonan und Tula Lotay in „Somna“. Ihre fiktive Geschichte spielt in einem englischen Dorf um 1600. Im Mittelpunkt steht Ingrid, die Ehefrau des Stadtvogts Roland. Dieser nimmt seinen Kampf gegen das Böse sehr ernst. So ernst, dass er vor lauter Aufgaben seine ehelichen Pflichten vernachlässigt. Als eine Hexe verbrannt und ein Mann ermordet wird, scheinen sich Rolands schlimmste Befürchtungen zu bewahrheiten. Doch Ingrid ahnt, dass hinter dem vermeintlich teuflischen Treiben ein menschliches Drama lauert. Wäre da nur nicht der geheimnisvolle Fremde, der sie regelmäßig im Traum verführen möchte … „Somna“ ist erotische Fantasy von zwei überaus begnadeten Künstlerinnen. Wer welche Szenen illustriert hat, ist dabei klar ersichtlich: Cloonans kräftiger Strich steht für die harte Realität, Lotays weiche Illustrationen für die fieberhafte Traumwelt. Doch am Ende ist es nicht nur Ingrid, die die Grenze zwischen den Welten nicht mehr sieht. Ein Kunstkniff, der der Geschichte noch mehr Wucht verleiht.
Becky Cloonan, Tula Lotay: Somna. Eine Gutenachtgeschichte • Aus dem Amerikanischen von Frank Neubauer • Cross Cult, Ludwigsburg 2025 • 168 Seiten • Preis: € 35,00 • empfohlen ab 18 Jahren
Bewohnerin der Endzeit
Was wäre eine Halloween-Liste ohne Postapokalypse? Die letzte Empfehlung für heute ist eine solche – und kommt ebenfalls aus Japan: Haruo Iwamunes „The Color of the End“. Darin folgen Leser:innen der jungen Saya durch eine menschenleere Stadt in ferner Zukunft. Von der einst so blühenden Metropole sind nur noch atemberaubende Ruinen übrig geblieben. An ihnen haftet ein geheimnisvolles, außerirdisches Miasma, das die Menschheit dahingerafft hat. Gegen die Krankheit selbst ist Saya immun. Sie wurde in einem Labor künstlich erschaffen, soll die Ruinen reinigen und die sterblichen Überreste der Toten den automatisierten Krematorien übergeben. Ihre einzigen Kontakte in der Außenwelt sind ihr treuer, tierisch-mechanischer Gefährte Ku und die Roboter, die ihr begegnen. Bei alldem hat Saya noch eine weitere Aufgabe: Sie soll Überlebende finden. Doch das erste Treffen mit einem solchen verläuft anders als geplant. „The Color of the End“ ist eine etwas andere Geschichte von der Endzeit, die fast ohne Monster aller Art auskommt. Stattdessen fokussiert sich Iwamune auf das Leben seiner Heldin in einer toten Welt, die hier und da an Tsutomu Niheis bedrückende Szenerien aus „Blame!“ erinnert. Dabei geht der Mangaka auch philosophischen Fragen nach dem Sinn des Lebens nach. Ein spannender, neuer Manga, den Sci-Fi-Fans auf dem Schirm haben sollten.
Haruo Iwamune: The Color of the End • Aus dem Japanischen von Gandalf Bartholomäus • Egmont Manga, Berlin 2025 • je rund 190 bis 220 Seiten • Preis: je € 8,50
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