„I.S.S.“ - Kalter Krieg im Weltraum
Ein stilistisch interessantes, aber reichlich doofes Weltraumabenteuer
Eigentlich ist der Kalte Krieg ja seit längerem vorbei, doch nicht nur die Reaktionen auf den russischen Überfall der Ukraine zeigten, dass die Erinnerung an diesen Konflikt noch wach ist. Auch in der populären Kunst lassen sich immer wieder Spuren finden, je nach Weltlage mal unterschwelliger und mal deutlicher, wie sehr dieser jahrzehntelange Konflikt der Weltmächte immer noch im Unterbewusstsein mitschwingt, gerade in den USA.
Zwischenzeitlich waren „die Russen“ zwar von anderen Nationen oder Ethnien als liebste Antagonisten Hollywoods abgelöst worden, von Muslimen, Nordkoreanern oder kurze Zeit auch den Chinesen, aber in den letzten Jahren dient der alte Kontrahent wieder als liebster Feind. Aus dieser Geisteshaltung scheint auch Gabriela Cowperthwaites „I.S.S.“ entstanden zu sein, der eine völlig fiktive Internationale Raumstation zeigt, die ausschließlich von Amerikanern und Russen bewohnt wird. Auf US-Seite ist gerade die Biologin Dr. Kira Foster (Ariana DeBose) eingetroffen, ihre beiden Landsmänner sind Gordon Barrett (Chris Messina) und Christian Campbell (John Gallagher Jr.). Ihnen gegenüber stehen die Kosmonauten Weronika Vetrov (Maria Mashkova), Alexey Pulov (Pilou Asbæk) und Nicholai Pulov (Costa Ronin), die an sich ganz gut mit den Kollegen zusammenarbeiten. Doch dann bricht auf der Erde ein Krieg zwischen den beiden Ländern aus und die jeweiligen Besatzungen bekommen den Auftrag, die ISS unter ihre Kontrolle zu bringen – mit allen erdenklichen Mitteln.
So absurd und unrealistisch der Ansatz wirkt, so absurd und unrealistisch mutet das Verhalten der Astro- und Kosmonauten an, die sich von einem Moment zum nächsten von souveränen Wissenschaftlern zu teils psychopathischen Killern verwandeln, die mit allem Verfügbaren den Systemfeind eliminieren wollen. Da wäre es glaubwürdiger gewesen, wenn eine Alienspezies für Unfrieden gesorgt oder Weltraumstrahlung seltsames Verhalten verursacht hätte.
Bemerkenswert an dieser erstaunlich doofen Geschichte sind allein die Bilder. Eindrucksvolle Aufnahmen der Internationalen Raumstation, wie sie durchs All fliegt oder vor der Erde dahinschwebt sind zu sehen, vor allem aber der Effekt der Schwerelosigkeit wirkt sehr überzeugend visualisiert. In kaum einer Szene scheint es so, als wären die Schauspieler in einem Studio auf der Erde, fast jeder Moment wirkt, als wäre er in einem Parabelflug und der dort erzeugten kurzen Schwerelosigkeit gedreht.
Vielleicht ein kleiner Vorgeschmack auf den schon seit langem angekündigten Tom Cruise-Megastunt: Einem tatsächlich auf der I.S.S. gedrehtem Film, den der trotz allem unweigerlich alternde Actionstar vermutlich als Höhepunkt seines Schaffens betrachtet. Ob angesichts der Weltlage und der finanziellen Kosten aus dem Film etwas wird, bleibt abzuwarten. Zumal in diesem Fall Russland Hollywood zuvorgekommen ist: Im letzten Jahr kam in Russland der Film „Die Herausforderung“ ins Kino, der tatsächlich auf der I.S.S. gedreht wurde. Bei einer Gala-Premiere lobte Wladimir Putin sich und sein Land, das mal wieder die ersten gewesen seien, so wie damals, als Russland den Amerikanern im Space Race lange Zeit voraus war: Erst der Sputnik, dann der erste Hund, gefolgt vom ersten Mann im All. Bald war es damit dann bekanntermaßen vorbei, den Mond hat noch kein Russe betreten, das Rennen schien entschieden. Nicht nur ein Film wie „I.S.S.“ zeigt jedoch, das die alte Rivalität nur vorübergehend eingeschlafen war und jederzeit für propagandistische Zwecke wiederbelebt werden kann.
I.S.S. • USA 2023 • Regie: Gabriela Cowperthwaite • Darsteller: Ariana DeBose, Chris Messina, Pilou Asbæk, John Gallagher Jr., Masha Mashkova, Costa Ronin • Kinostart: 18. Juli 2024
Kommentare