„Oppenheimer“ – Bombenunterhaltung!
Christopher Nolans Film über den Vater der Atombombe, ethische Fragen und das Ego von Männern
„Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten!“ Kein schlechter Satz im Angesichts der ersten Atomexplosion. Ob Robert Oppenheimer am 16. Juli 1945 tatsächlich die Geistesgegenwart hatte, diesen Satz zu sagen, sei dahingestellt, in Christopher Nolans epischen, drei Stunden langen Biopic „Oppenheimer“ darf dieses berühmte Zitat natürlich nicht fehlen. Mehrmals sogar wird es zitiert, auch nach ziemlich genau zwei Dritteln, wenn der „Trinity“ genannte erste Atomtest durchgeführt wird. Dass es danach noch eine Stunde weitergeht, zeigt ein wenig, dass es Nolan mit seinem lang erwarteten neuen Film nicht einfach nur um eine klassische Nacherzählung historischer Ereignisse geht, nicht einfach nur um einen biographischen Film um den Mann, der als Vater der Atombombe in die Geschichte einging.
Nach einem Hinweis auf den antiken Prometheus, der bekanntermaßen den Menschen das Feuer brachte und dafür von den Göttern bestraft wurde, beginnt „Oppenheimer“ mit zwei kurzen Titeleinblendungen: Fusion und Fission. Verschmelzung/ Spaltung. Ein Gegensatzpaar, das sich fortsetzen lässt: Atombombe/ Hydrogenbombe, Wissenschaft/ Politik, Oppenheimer/ Strauss. Anhand dieser und anderer Gegensätze wird die Geschichte von Robert Oppenheimer erzählt, den Cillian Murphy als vielschichtigen, ambivalenten, arroganten, zweifelnden Mann spielt. Zu Beginn sitzt Oppenheimer 1954 in einem Ausschuss, der darüber entscheidet, ob seine Sicherheitsstufe verlängert wird. Geschieht dies nicht, ist Oppenheimers Karriere in den streng geheimen Bereichen der Nuklearwissenschaft beendet, so wie es auch geschah. Parallel dazu sieht man den Geschäftsmann und Philanthrop Lewis Strauss (Robert Downey Jr.) 1959 vor einem Ausschuss des amerikanischen Kongress sitzen, der darüber entscheidet soll, ob Strauss den Posten des Handelsministers übernehmen darf, was abgelehnt wurde.
In Rückblenden wird nun auf oft etwas konventionelle Weise erzählt, wie Oppenheimer den Weg an die Universität von Berkeley fand, wo er sich als einer der ersten Wissenschaftler in den USA mit den Problemen und Möglichkeiten der Quantenphysik beschäftigte. Eine Position, die mit Beginn des Zweiten Weltkriegs dazu führte, dass er zum Leiter des Manhattan Project berufen wurde. In der Wüste New Mexikos fand sich die Elite der Wissenschaftler Amerikas zusammen, um eine Waffe zu bauen, die nicht einfach nur eine neue Waffe war, sondern, wie es an einer Stelle angebracht pathetisch heißt: eine neue Welt.
Spektakulär besetzt ist das, in größeren Rollen treten Matt Damon, Emily Blunt, Benny Safdie und Matthew Modine auf, in winzigen Parts sind Schauspieler wie Casey Affleck oder Rami Malek zu sehen. Physikfans werden sich wiederum an Auftritten von Koryphäen wie Enrico Fermi, Richard Feynman oder Kurt Gödel erfreuen, letzterer spaziert etwa mit Albert Einstein durch den Wald, schaut verklärt auf die Bäume und freut sich an den dort entdeckten Strukturen …
Seine übliche visuelle Brillanz kann Nolan angesichts des Themas nicht wirklich ausspielen, stattdessen wird sehr, sehr viel geredet, allerdings oft pointiert und in einer guten Mischung aus komplizierten Quantenphysik-Sprech und für Laien verständlicher Übersetzung. Wirklich interessant wird „Oppenheimer“ jedoch immer dann, wenn nicht nur die ethischen Fragen eines Atombombenabwurfs diskutiert werden, sondern das Ego der, ja, weißen Männer ins Spiel kommt.
Zwar liegen Nolans Sympathien deutlich bei Robert Oppenheimer, doch als durch und durch strahlender Held mag der Wissenschaftler nicht erscheinen. Zu egozentrisch mutet sein Verhalten an, gerade gegenüber seiner Frau und den diversen Geliebten, aber auch gegenüber manchen Kollegen. Wenn er schließlich das Titelblatt des Time-Magazins ziert, dann ist da auch ein Hauch von Stolz zu spüren. Wie das mit dem Bau einer Vernichtungswaffe wie der Atombombe in Einklang zu bringen ist, das ist die wirklich ethische Frage im Herzen von „Oppenheimer.“
Oppenheimer • USA 2023 • Regie: Christopher Nolan, Darsteller: Cillian Murphy, Matt Damon, Robert Downey Jr., Emily Blunt, Florence Pugh, Kenneth Branagh, Rami Malek, Casey Affleck • Start 20. Juli
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