2. Mai 2020

Seid nett

Der schöne Kurzfilm „Here we are: Notes for Living on Planet Earth“ hat eine einfache Botschaft

Lesezeit: 3 min.

Die Perspektivverschiebung setzt gleich zu Beginn ein, als Meryl Streeps Erzählerstimme vom Kosmos berichtet, den Planeten und schließlich zur Erde kommt: „Gleich hinter dem Mars, neben dem Mond, liegt ein kleiner blauer Planet: Die Erde.“ Nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit liegt also unser Heimatplanet, sondern irgendwo in den gigantischen Weiten des Universums, je nach Perspektive ganz am Rand oder im Zentrum.

Wie soll man dieser gigantischen Größe gerecht werden? Wie soll man verstehen, dass es auf der Erde, in der Natur und erst recht in den Weiten des Universums so viel zu verstehen gibt, dass man es unmöglich alles verstehen kann? Vor diesem Dilemma steht der kleine Finn in der Verfilmung von Oliver Jeffers Kinderbuch „Hier sind wir: Anleitung zum Leben auf der Erde“, die am 22. April auf der Streaming-Plattform Apple+ veröffentlicht wurde. Pünktlich zum Earth Day, dem Tag der Erde, der im Wust von fast 365 speziellen Gedenktagen zwar unterzugehen droht, obwohl er vielleicht der wichtigste ist.

1969 erdacht, 1970 zum ersten Mal begangen, entstand der Tag der Erde nicht zufällig in der großen Ära der Raumfahrt, als sich der Blick der Menschen erweiterte und man nun auch optisch ganz klar sehen konnte, dass die Erde nur Teil des großen Ganzen ist. Und ebenso wenig wie die Erde wichtiger als andere Planten ist, sind auch die Menschen nicht wichtiger als die Natur, vor allem aber nicht manche Menschen wichtiger als andere.

Diese ebenso einfache wie komplexe Erkenntnis zu verstehen und daraus den Schluss zu ziehen, alle Lebewesen mit Güte zu behandeln, davon erzählt Oliver Jeffers in seinem kurzen Buch, dass er für seinen neugeborenen Sohn schrieb. Philip Hunts Adaption folgt dem Humanismus der Vorlage und auch ihrer Ästhetik. Von warmen Farben und Formen geprägt sind die animierten Bilder, die die an New York angelehnte Großstadt unwirklich bukolisch erschienen lässt. Wenn da der junge Finn zusammen mit seinen Eltern durch den malerischen Park radelt, schließlich doch seinen Wunsch erfüllt bekommt, dass Museum für Alles besuchen zu dürfen und mit stets großen, neugierigen Augen die Welt entdeckt, streift „Here we are“ ein ums andere Male an verklärendem Kitsch vorbei.

Menschen aller Völker und Ethnien versammeln sich am Ende friedlich auf dem Dach des Wolkenkratzers, in dem Finns Familie lebt, und blicken in die Sterne, im Versuch nicht nur zu verstehen wie etwas funktioniert, sondern auch warum. Einen Wecker in Form eines Raumschiffs hatte Finn anfangs untersucht und sich die Frage gestellt wie er funktioniert. Eine interessante Frage, aber viel interessanter, komplexer und auch ambivalenter ist die Frage, warum es wichtig ist – oder vielleicht auch nur wichtig erscheint – Zeit messen zu können. Die Dinge nicht nur oberflächlich zu verstehen, sondern sich ihrem Kern anzunähern, diese Erkenntnis nimmt der kleine Finn von seinem Abenteuer mit und auch der Zuschauer aus diesem schönen Kurzfilm, der die Perspektiven zurechtrückt.

Hier sind wir: Anleitung zum Leben auf der Erde (Here we are: Notes for Living on Planet Earth; 2020) Regie: Philip Hunt • 37 Minuten • nach dem Kinderbuch von Oliver Jeffers • auf Apple+

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