4. Februar 2019 1 Likes

Sterben in Serie

„Russian Doll“ (bzw. Matrjoschka) auf Netflix: Lässt einen diese Loop-Story die Zeit vergessen?

Lesezeit: 3 min.

Spätestens seit 1993, als Bill Murray erstmals in der Zeitschleife des Murmeltiertags gefangen war, ist das Prinzip des Loops nicht nur Science-Fiction-Fans vertraut. Auf Netflix ging in diesem Jahr passend zum Groundhog Day am 2. Februar nun „Russian Doll“ (auf Deutsch „Matrjoschka“) an den Start. Geprägt und getragen wird das Netflix-Original von der Emmy-nominierten Natasha Lyonne („Orange is the New Black“), die sich „Russian Doll“ zusammen mit Leslye Headland („Sleeping with other People“) und Amy Poehler („Parks and Recreation“) ausdachte, wobei Lyonne nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern sogar als Autorin, Produzentin und Regisseurin agiert.

Die 1979 geborene Amerikanerin mimt Nadia Vulvokov, die wir auf der Party zu ihrem 36. Geburtstag kennenlernen, wo sie zunächst im Badezimmer vor dem Spiegel steht. Nadia ist eine energiegeladene, egoistische Game-Designerin und -Programmiererin mit einer Vorliebe für harte Drogen und fragwürdige Typen. Sie verlässt die Party, um nach ihrer verschwundenen Katze zu suchen, wird von einem Taxi überfahren, stirbt – und steht im nächsten Moment wieder vor dem Badezimmerspiegel und ist zurück auf der Party. Was sich zunächst wie das krasseste Déjà-vu ever anfühlt, wird rasch ein verstörender Albtraum in Endlosschleife. Nadia stirbt immer und immer wieder, und wenn sie in mehreren aufeinanderfolgenden Loops die Treppe runterfällt und sich das Genick bricht oder beim Telefonieren in einen Kellerschacht stürzt, grenzt das schon an bizarren Slapstick. Doch die Lage ist ernst. Ist Nadia schon tot, oder noch real? Sind es die Drogen? Oder hat sie am Ende die psychischen Probleme ihrer Mutter geerbt und sollte sich besser einweisen lassen? Auf der Suche nach Antworten kämpft sich Nadia durch die abwechslungsreichen Wiederholungen ihres Geburtstags – und trifft schließlich auf den unglücklichen Alan (Charlie Barnett aus „Chicago Fire“), der ebenfalls in einem Loop gefangen ist …


Nadia (Natasha Lyonne) hat ein Problem mit Katzen …


… und Krankenwagen. „Russian Doll“ alias „Matroschka“, Netflix

„Russian Doll“ beackert Zeitschleife für Zeitschleife die ganze Bandbreite zwischenmenschlicher Verbindungen, Verfehlungen und Verirrungen – und packt dabei ziemlich viel in seine gefällige, zeitgemäße Mischung aus Comedy und Drama, die hin und wieder sogar an Woody Allen erinnert: Moderne Großstadtfiguren voller Makel und Neurosen. New Yorker Craziness. Einsteins Relativitätstheorie. Judentum. Nerd-Humor („Jodorowskys Dune“ ist das Passwort eines Kneipenhinterzimmers). Zeitstränge. Sex. Psychische Krankheiten. Updike. Die vierte Dimension. Ja, das ist wirklich ein wilder, unangepasster Mix. Kein Mainstream, keine Geek-Revue. Eine eigenständige Zusammenstellung. Getragen wird sie jederzeit von ihrer guten Inszenierung – und von Natasha Lyonne als Nadia, mit ihrer rastlosen, fast hyperaktiven Energie und ihrem chaotischen, schrägen Charme. Spätestens nach den ersten zwei Folgen lädt die Serie definitiv zum Bingen ein. Auch, weil Netflix endlich mal wieder eine Originalserie streamt, deren Folgen bei klassischer Sitcom-Länge unter 30 Minuten bleiben; und weil die erste Staffel nach einem recht finsteren Intermezzo kurz vor Ende einen sauberen Abschluss hat, der einen ausnahmsweise nicht panisch auf eine direkte Fortsetzung hoffen lässt. Diese Zeitschleifen-Nummer ist nach acht Runden eine runde Sache ohne Cliffhanger.

Gleichzeitig gibt sich „Russian Doll“ wesentlich zugänglicher als „Maniac“, Netflix’ überambitionierte Science-Fiction-Serie von 2018. Den Wow-Faktor von „Sex Education“, Netflix’ erster Quotensensation des jungen Serienjahres 2019, fängt „Russian Doll“ jedoch nicht ein. Trotzdem kann die kühne Zeitschleifen-Story mit ihren starken Figuren und ihren überzeugenden Darstellern rund vier Stunden lang mühelos ein breites Publikum unterhalten, wobei gerade SF-Enthusiasten die erfrischende Umsetzung des täglichen Murmeltiergrußes zu schätzen wissen dürften.

Bilder: © 2019 Netflix

Russian Doll (dt.: Matrjoschka) – Staffel 1 • Creator: Natasha Lyonne, Leslye Headland, Amy Poehler • Darsteller: Natasha Lyonne, Charlie Barnett, Yul Vazquez, Greta Lee, Jeremy Lowell Bob • Laufzeit: 8 Episoden mit je ca. 25-30 Min.

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