2. Oktober 2014

Wer zu spät kommt…

Die Teenager-Dystopie „Hüter der Erinnerung“ scheitert nicht zuletzt am schlechten Timing

Lesezeit: 3 min.

Wie es heißt hat Jeff Bridges seit gut 20 Jahren versucht, den 1993 erschienenen Roman „The Giver“ – auf Deutsch „Hüter der Erinnerung“ – zu verfilmen. Geklappt hat es erst jetzt und man darf davon ausgehen, dass der Erfolg von Verfilmungen so genannter Young-Adult-Novels, also Romane für junge Erwachsene, wie Die Tribute von Panem“ oder „Divergent“ dazu beigetragen hat. Mit Phillip Noyce wurde dann auch ein Regisseur verpflichtet, der immer wieder durch solide bis originelle Genrekost aufgefallen ist und hier mit Jeff Bridges und Meryl Streep immerhin zwei Oscar gekrönte Schauspielschwergewichte zur Verfügung hat.

Bridges spielt den titelgebenden Hüter der Erinnerung, der in einer dystopischen Zukunft genau diese Funktion hat: Als einziger Mensch trägt er Erinnerung in sich, Erinnerungen an Schönes, aber auch Schreckliches, an Liebe, aber auch Hass, kurz gesagt: An all die vielfältigen Emotionen und Gefühlszustände, die den Menschen erst zum Menschen machen. Der Rest der Gemeinschaft dagegen ist frei von diesem Wissen und lebt ein komplett durchorganisiertes, gleichgeschaltetes Leben: Von Geburt bis zum Tod ist jeder Entwicklungsschritt vorbestimmt, Babys werden Familien zugeteilt, auch Berufe werden nicht frei gewählt, sondern zugewiesen.

In dieser Welt wächst auch der junge Jonas (Brenton Thwaites) auf, der kurz vor dem wichtigsten Moment seines noch jungen Lebens steht: Bei einer großen Feier wird er seinen Beruf erfahren. Doch während seine Freunde als Krankenpfleger oder Gärtner zugeteilt werden, ist Jason für Höheres bestimmt: Er soll Nachfolger des Hüter der Erinnerung werden. Fortan geht er bei seinem Vorgänger in die Lehre, der ihm quasi per Handauflegen Erinnerungen vermittelt. Doch je mehr Jason von der Vielfalt menschlicher Emotionen erfährt, umso mehr wächst seine Skepsis: Die Welt, in der er lebt ist zwar friedlich, wohl organisiert und von ausgesuchter Höflichkeit, doch sind ihre Bewohner wirklich frei?

Spannende Fragen sind dies, die Autorin Lois Lowry in ihrer Anfang der 90er begonnen Romanserie aufwarf, die allerdings heute, gut 20 Jahre und zahllose ähnliche Bücher und Filme später, alles andere als originell wirken. Auserwählte jugendliche Helden, die sich gegen ein autokratisches Regime zur Wehr setzen, hat man in den letzten Jahren zu Genüge gesehen. Und so wirkt „Hüter der Erinnerung“ dann auch weniger wie ein eigenständiges, originelles Werk, als wie ein Best Of-Dystopia: Die zarte, aber doch keusche Liebesgeschichte ist Genre typischer Standard, das „freiwillige“ aus dem Leben scheiden älterer und damit unnützer Bewohner erinnert überdeutlich an „Logans Run“ und dass Jason die Welt anfangs komplett in grau sieht und sich erst mit wachsendem Bewusstsein zunehmend Farbtupfer breit machen ist zwar ein schöner Effekt, der aber in „Pleasantville“ zwingender wirkte.

So interessant „Hüter der Erinnerung“ im Ansatz auch ist, am Ende wirkt Phillip Noyce Film dann doch nur wie ein zu spät gekommener Nachzügler, der noch einmal Themen variiert, die in den letzten Jahren schon allzu oft im Teenager-Dystopie-Genre durchgekaut wurden.

„Hüter der Erinnerung - The Giver“ startet am 2. Oktober im Kino. Bilder: StudioCanal

Hüter der Erinnerung - The Giver • USA 2014 • Regie: Phillip Noyce • Darsteller: Jeff Bridges, Meryl Streep, Brenton Thwaites, Katie Holmes, Alexander Skarsgard

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