27. November 2021

„Alan Wake Remastered“: Viel Licht im Schatten

Die Neuauflage des Mystery-Klassikers im Check

Lesezeit: 4 min.

Dann ging es plötzlich schnell. Darbten Fans lange Jahre nach einer Fortsetzung oder zumindest einem anderen Lebenszeichen des fiktiven Gruselschriftstellers Alan Wake, sorgte Entwickler Remedy im letzten Jahr mit einem DLC zum Mystery-Action-Adventure Control, in dem die Figur Wake explizit vorkam, dafür, dass das Flehen erhört wurde. Denn nun war klar, dass Control und Alan Wake im selben Serienkosmos angesiedelt sind (hier unser damaliger Review) und es so nur eine Frage der Zeit sein muss, bis Agentin Jesse und Wake gemeinsam in einem (oder mehreren) Spielen vereint sein könnten.

So schien es nur folgerichtig, Wakes bislang einzigen Eigenauftritt von 2010 nun auch als Remaster zu veröffentlichen (wir berichteten) und nach abgelaufener Microsoft-Exklusivität erstmals Sony-Jünger in den Genuss des atmosphärischen Action-Adventures zu bringen, das vor einschlägigen Genrereferenzen nur so strotzt. An jeder Ecke warten Anspielungen auf Stephen King, Twin Peaks oder Akte X, die dem nicht nur seinerzeit recht ambitionierten Storytelling über einen Autor, der sich irgendwo zwischen Realität und (eigener) Fiktion verheddert, viel Glanz und Tiefe verleihen.

Das Remaster ist nun seit Anfang Oktober für alle aktuellen Konsolen (außer Switch) und PC zum Preis von rund 30 Euro erschienen und erfüllt die Erwartungen fast komplett. An Story wie Inhalt wurde naturgemäß nicht geschraubt, sodass sich Kenner des Originals an der verbesserten Technik und eventuell an den immerhin gleich enthaltenen beiden DLC-Episoden The Writer und The Signal erfreuen können. Neulinge dürfen hingegen ein trotz aller technischen Aufwertung zwar grafisch leicht angestaubtes Mystery-Erlebnis erwarten, dessen Story, Figuren und Atmosphäre aber immer noch faszinieren können – zumal auch das actionreiche Gameplay dank ausgefeilter Licht-Schatten-Mechanik nach wie vor viele Spannungsmomente liefert.

Die Geschichte dreht sich nach wie vor um Alan Wake, der mit seiner angstanfälligen Ehefrau in das verschlafene Küstenstädtchen Bright Falls reist, um Urlaub zu machen. Den hat der seit längerem an einer Schreibblockade leidende Autor bitter nötig, obwohl er selbst in Bright Falls nicht vor Fans seiner Thrillerromane sicher ist. Nach einigen seltsamen Vorfällen und Begegnungen (vom alptraumhaften Prolog ganz abgesehen) erwacht Wake plötzlich nach einem Autounfall, an dessen Hergang er sich nicht erinnern kann. Zu allem Übel ist seine Frau verschwunden, woraufhin Wake sich auf die Suche nach ihr begibt und dabei gerade bei Nacht allerlei Unheil in Form von dämonischen Holzfällern, Rabenschwärmen oder außer Kontrolle geratenen Mähdreschern (!) auf sich zieht.

Wir steuern Wake dabei aus klassischer Third-Person-Perspektive, während wir innerhalb der Action neben typischen Schusswaffen wie Pistole, Flinte und Leuchtpistole vor allem auf unsere Taschenlampe angewiesen sind. Denn die oft von allen Seiten aus der Dunkelheit anstürmenden Feinde müssen zunächst mittels Taschenlampenbestrahlung verwundbar gemacht werden, ehe wir sie mit unseren Waffen endgültig vernichten können. Sowohl für die Waffen als auch die Taschenlampe benötigen wir stets Munition bzw. Batterien, sodass ein wesentlicher Punkt der Action darin besteht, vor den sehr flinken Feinden (zusätzlich mittels Ausweichrolle) zu fliehen, abwechselnd Lampe und Waffe nachzuladen und alles entsprechend gut getimed in der richtigen Reihenfolge einsetzen.

Das mag sich in den sechs Kapiteln des Spiels, die wie eine TV-Serie präsentiert werden, zwar schon aufgrund zu vieler ähnlicher Feinde relativ bald abzunutzen, doch die Abwechslung zwischen den eher adventureorientierten Tages- und den gefährlicheren Nachtsequenzen reicht heute noch locker aus, um über die gesamte Spielzeit von rund 15 Stunden zu unterhalten. Dazu trägt gerade das bereits gelobte Storytelling bei, denn wir lauschen nicht nur Alans Erzählerstimme oder einem Radiosender, sondern erleben ordentlich inszenierte (wenn auch auf Seiten der Figuren weiterhin hölzerne) Cut-Scenes, finden viele Hinweise wie Manuskriptseiten und lassen uns von den markanten Anspielungen, gerne auch durch herumstehende Fernseher, in eine wohlige Gruselstimmung bringen. Gerade das Wechselspiel aus Licht und Dunkelheit überzeugt komplett, wenn wir etwa durch dunkle Wälder streifen und uns von einer Lichtquelle zur nächsten kämpfen, um vor den Feinden erstmal sicher zu sein.

Die Steuerung geht gut von der Hand und dank drei wählbaren Schwierigkeitsgraden und ausreichenden Checkpoints kommt selbst bei kniffligeren Momenten kein echter Frust auf. Die Macher haben die damalige PC-Fassung des Xbox-Originals bei der Bildrate auf komfortable 60 bzw. 30 fps (je nach Last- oder Currentgen) getrimmt, außerdem die Charaktermodelle sowie einige Effekte und die Texturqualität überarbeitet (unsere Testversion war für PS4). Dennoch sieht man Alan Wake sein Alter an. Das sehr offensiv eingesetzte Motion Blur (beim Zusammenspiel zwischen Licht, Dunkelheit und Nebel) kann etwa bisweilen irritieren und die soliden, wenn auch nicht immer passgenau betonenden (deutschen) Sprecher hinken nach wie vor höchsten Ansprüchen hinterher.

In Sachen Sound ist der Titel allerdings über jeden Zweifel erhaben, da jede Situation stimmig untermalt und entsprechend dramatisiert wird. Wake-Experten werden im Gesamtpaket leider das noch actionlastigere Spinoff American Nightmare vermissen, aber die beiden enthaltenen DLC-Episoden trösten darüber ebenso hinweg, wie die Erkenntnis, dass Alan Wake definitiv eine Marke ist, die es längst verdient hatte, reaktiviert zu werden. Jetzt darf man gespannt sein, was Remedy mit seinem Schriftsteller weiter anstellen wird.

Fazit

Sehr gelungenes, wenn auch nicht perfektes Remaster eines kultigen Mystery-Action-Adventures, das gerade in Sachen Atmosphäre noch heute begeistert.

Alan Wake Remastered • Remedy Entertainment • Mystery/Action-Adventure • PS5/PS4/Xbox One/Xbox Series X/PC

Abb. © Remedy Entertainment

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