„Avatar: Frontiers of Pandora“ – Grafikrausch in tiefblau
Bekannte Stärken und Schwächen bei Ubisofts Avatar-Versoftung
Mal ehrlich: Wer erinnert sich noch wirklich positiv an beide Avatar-Filme – außer in technischer Hinsicht? Egal, wie man diese Frage für sich beantworten mag, es ist in jedem Fall nicht verwunderlich, dass sich Ubisoft mit etwas Verzögerung zum Start von Teil 2 an einer zu James Camerons Franchise passenden Versoftung gewagt hat und diese nun Ende des letzten Jahres unter dem Namen Frontiers of Pandora zum Vollpreis für aktuelle Konsolen (außer Switch) und PC erschienen ist.
Das Konzept ist schnell auf den Punkt gebracht. Letztlich ist das neue Avatar ein Far Cry mit entsprechendem Setting und wir übernehmen die Rolle einer/s Na´vi (Stichwort Charaktereditor), die als Ureinwohner des Mondes Pandora die Heimat gegen die hochgerüsteten Invasoren der Menschenmilitärorganisation RDA verteidigen müssen. Erschwerend kommt dabei hinzu, dass unser Charakter lange Zeit in Gefangenschaft aufwuchs und sich nach erfolgreicher Flucht erst noch das Vertrauen der eigenen Clans verdienen muss.
Die Handlung der Solokampagne (auch im Koop spielbar), die bezogen auf die Filme vor Teil 2 angesiedelt ist, umfasst rund 25 Stunden und bietet neben vielen Treffen mit Clanmitgliedern und einem ansteigenden Plot rund um Fiesling John Mercer zahlreiche Ubisoft-typische Aufgaben, die es auf der Open World-Map sowohl zwingend für das Voranschreiten der Handlung oder eben optional für die zusätzliche Erweiterung der Fähigkeiten unseres Charakters abzuarbeiten gilt. Wie schon bei den Filmen, dürfte es für die meisten Spieler*innen nicht die überschaubare, mit eher austauschbaren Charakteren bespickte Story sein, die bei Frontiers of Pandora fesselt, sondern – wie passend – die schick designte Spielwelt, die teilweise mit überragender Hochglanzoptik punktet.
Überhaupt kann der Titel mit technischer Konsequenz überzeugen, da schon unser Na´vi so umgesetzt ist, dass sich die Körpergröße von weit über 2 Meter in einer gewichtigeren Steuerung niederschlägt und sich unsere Aktionen insgesamt angenehm realistisch anfühlen, wenn wir uns beispielsweise in menschlicher Umgebung häufiger bücken müssen. Besonders gelungen ist dabei die Interaktion mit unserer Umgebung, da u.a. für Pandora typische Riesenpilze wie Trampoline eingesetzt werden können und das Hochklettern an Bäumen nicht nur flott von der Hand geht, sondern wahlweise sogar taktische Vorteile im Kampf bietet, um Feinde gerne mal in Fallen zu locken – Stichwort pflanzliche Sprengschoten.
Ansonsten besteht unser Kerngeschäft darin, die große, wenn auch nicht überdimensionierte Map zu Fuß oder auf dem Rücken von Reit- und Flugtieren zu erkunden und sich Stück für Stück den Eindringlingen zu widersetzen. Dies geschieht etwa damit, dass wir feindliche Stationen auskundschaften und anschließend mit variablem Plan zwischen Stealth und offenem Angriff einnehmen, in der Natur Ressourcen für das Crafting sammeln, mit Figuren plaudern oder eben in den festen Storymissionen auch größere Schlachten zu schlagen haben. Bei den optionalen Aufgaben ist, auch das Ubisoft-üblich, viel (Sammel-)Kram dabei, den eigentlich nur absolute Nerds brauchen und der für Normalspieler*innen einfach nur Zeit ohne echten Mehrwert frisst.
Interessant dabei: Beim Mapdesign zeigen sich im Vergleich zum Vorbild Far Cry kleinere Veränderungen, die durchaus begrüßenswert sind. Denn nun wird es uns viel eher selbst überlassen zu entscheiden, ob wir mithilfe unserer einschaltbaren Na´vi-Sinne oder direkter Anzeige auf der Map erfahren wollen, wo sich ein bestimmtes Questziel oder Gebiet „versteckt“. Wer will, kann nur den relativ vagen Hinweisen innerhalb der Welt folgen (z. B. Aussagen von NPCs) und wird nicht von vielen Symbolen auf der Map geradezu erschlagen. Die eben angesprochenen Na´vi-Sinne helfen aber ebenso bei der Identifikation von feindlichen Schwachstellen, was in den Gefechten immer wieder wichtig ist, um von den – zumindest auf den höheren Schwierigkeitsgraden – oft überstarken Militärfeinden zwischen Soldat, Mech und Kampfdrohne nicht in Windeseile abgeballert zu werden.
Überhaupt müssen die oft unfairen bis zumindest schlecht gebalancten Kämpfe als echter Schwachpunkt des Spiels benannt werden. Zwar gibt es wie angesprochen viele Möglichkeiten, gerade die Lager zu infiltrieren, indem man auch Hackings einsetzt, doch mit der Zeit zeigt sich doch die Eintönigkeit im Design und Vorgehen. Dazu trägt ebenso das begrenzte Waffenarsenal bei, das über Standards wie Bögen, Schleuderspeer, Schrotflinte, Granate und Raketenwerfer nicht hinauskommt, wobei allerdings auch hier die Steuerung ordentlich funktioniert. Zusätzlich helfen im Übrigen genretypische Craftings wie Heilkräuter oder (erkochte) Boni, damit wir vorankommen. Alles in allem in Ordnung, aber weder originell noch im Detail ganz ausgereift.
Wer übrigens einen üblichen Grindverlauf dank möglichst vieler erlegter Gegner oder absolvierter Missionen erhofft, sieht sich bei Avatar einem anderen Weg gegenüber. Hier müssen bestimmte Blumen gefunden werden, um die verschiedenen Fähigkeitenbäume weiterzuentwickeln und auch gegen stärkere Gegner zu bestehen. Motivierend ja, aber eben mit zusätzlicher Sucherei verbunden – muss man (nicht) mögen.
Zwei zentrale Aspekte müssen wir unbedingt noch betonen, nämlich die Herrlichkeit der Spielwelt sowie unsere tierischen Gefährten. Ersteres ist wahrscheinlich die Hauptattraktion des Titels und übertrifft wohl alles, was Ubisoft bei Far Cry, aber ebenso bei Assassin´s Creed bislang grafisch hervorgebracht hat. Ob Tag oder Nacht, Wasser, Berg oder Wald, Grün, Rot oder Blau, Pandora bietet so viele Feinheiten, die uns eine Lebendigkeit präsentieren, bei der man oft einfach nur stehenbleiben und staunen will. Es kreucht und fleucht überall und auch der Soundtrack unterstützt das cineastisch atemberaubende Grundgefühl der Spielwelt, die nur bei wenigen Gebieten nicht ganz das Niveau halten kann.
Zum Thema tierische Gefährten ist noch hinzuzufügen, dass es den Machern gelungen ist, die Vorlage auch an dieser Stelle glaubhaft umzusetzen. Haben wir nach einigen Stunden unseren persönlichen Ikran-Flugsaurier, wie man sie ikonisch aus den Filmen kennt, können wir diesen sehr dynamisch sowohl zur Reise als ebenso in Gefechten einsetzen, was beide Elemente merklich aufwertet.
Im Verbund mit der generell guten, wenn auch aufgrund sichtlich nachladender Texturen nicht perfekten technischen Performance (wir spielten auf PS5), ist Frontiers of Pandora ein insgesamt gelungener Open World-Titel geworden, dessen deutliche Schwächen bei Kampf und Storytelling gerade durch das Spielgefühl und die fantastische Welt weitgehend ausgeglichen werden. Wer die Vorlage mag und nichts gegen eine weitere Open World im Ubisoft-Stil hat, kann daher definitiv zugreifen. Wer hingegen nicht viel für Avatar übrig hat, sollte sich das Geld lieber (erstmal) sparen.
Fazit
Sehr atmosphärische, top umgesetzte Avatar-Open World, die aber spielerisch wie erzählerisch einige Dellen aufweist.
Avatar: Frontiers of Pandora • Massive Entertainment • Action-Adventure/Open World • PS5/Xbox Series X/PC
Abb. © Ubisoft
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