3. September 2017

Awake again

Die erste Episode des Prequels zu „Life is Strange“ ist da

Lesezeit: 4 min.

Schneller als gedacht und dennoch schon lange erwartet, steht nun wie bereits berichtet die erste Episode von Life is Strange: Before the Storm für PC, Xbox One, PS4 und Switch zum Download bereit. Damit erhält Dontnods atmosphärisches, schon kurz nach seiner Veröffentlichung vor gut zwei Jahren zum absoluten Kult avanciertes Coming-Of-Age-Adventure Life is Strange ein insgesamt drei Episoden langes Prequel, dessen Entwicklung Dontnod allerdings in die Hände des Third-Party-Studios Deck Nine gab und mit Zak Garriss außerdem ein neuer Lead Writer die Storygeschicke verantwortet.

Die erste Episode namens Erwachen setzt einige Jahre vor den Ereignissen des Vorgängers an und setzt ganz auf Hauptcharakter Chloe Price, die wir in den fünf Episoden des Erstlings bereits als punkiges Bestgirlfriend der nun nicht mehr spielbaren und entsprechend der bisher erzählten Geschichte nur noch als sehr periphere, wenn auch durch Chloes Gedanken stets sehr präsent gehaltene Heldin Max ins Herz geschlossen haben. Vom tragischen Unfalltod ihres Vaters und den schwierigen Selbstfindungsaprozessen einer aufmüpfigen Teenagerin gebeutelt, erleben wir Chloes Alltag im beschaulichen Küstenstädtchen Arcadia Bay, der von Schule, einigen wenigen Freunden und viel Ärger mit ihrer Mutter aufgrund Chloes ausschweifendem Teenlife geprägt ist.

Doch als Chloe nach einer äußerst ereignisreichen Nacht bei einem Rockkonzert Musterschülerin Rachel Amber näher kennen lernt und die beiden einen gemeinsamen Tag lang die Schule schwänzen, bahnt sich in ihrem Leben eine entscheidende Wendung an. Denn so wie Rachel Chloe mit all ihrer Klugheit und anziehenden Undurchschaubarkeit unter die Haut geht, fühlt sich auch sie von Chloes unbeirrt ehrlicher und dennoch emotional tiefgehenden Art angezogen. Doch Before the Storm wäre kein echtes Life is Strange, würden sich nicht gleich mehrere Konflikte abzeichnen, deren zum Teil höchst traurig tragische Konsequenzen bereits für Kenner der ersten Staffel bekannt sind. 

Genau darin besteht die größte Herausforderung der Staffel, die in der ersten, gut 3-4 Stunden langen Episode bereits überdeutlich zu Tage tritt: Einen Story-Arc zu erzählen, dessen wichtigste Endpunkte schon feststehen und der dennoch Überraschungen wie eine gewisse narrative Eigenständigkeit aufbieten kann. Da sich der Auftakt von der ersten Szene an bemüht, die Qualitäten der Serie in aller Konsequenz und unter den Bedingungen einer anderen spielbaren Figur (ohne Zeitmanipulationskräfte wie Max!) wieder aufleben zu lassen, fühlen wir wir uns sofort wieder wie zuhause und werden durch die emotionale Achterbahnfahrt erneut gepackt. Ganz klar: Ein sein Kernthema und Setting so stimmungsvoll einfangendes Game wie dieses, findet man viel zu selten. 

Gerade weil einige Endpunkte bereits festgezurrt sind, will uns Before the Storm die emotionale Wucht dieser zukünftigen Ereignisse in all ihrer heiter melanchiolischen, immer wieder unbeschwert glücklichen und dann wieder tieftraurigen Entwicklung miterleben lassen. Da auch diesmal der typisch bunte Comicstil sowie der bestechend stilsicher gewählte, weil jede Situation perfekt untermalende Indie-Soundtrack bestens zum gediegen schwelenden Erzähltempo dieses fast nur auf Dialogen und einiger kleinerer Pseudo-Rätsel basierenden Adventures passen, ist auch Before the Storm ein Titel, den Genrefans unbedingt mal zumindest angespielt haben sollten. 

Gameplaytechnisch hat sich bei diesem Nostalgietrip so gut wie nichts getan. Selbst Chloes Mangel an übernatürlichen Fähigkeiten zur Manipulation haben die Macher zumindest ein wenig kaschiert, indem ihr bei bestimmten Dialogen eine Art rebellischer Angry-Modus verpasst wurde, mit dessen Hilfe verschiedene Ausgänge in einigen Gesprächen möglich sind. Ob sich nicht nur in solchen Situationen getroffene Entscheidungen tatsächlich relevant auf den Storyverlauf auswirken, müssen naturgemäß die weiteren beiden Folgen zeigen, die in den nächsten Monaten erscheinen. Erst dann können wir wirklich final beurteilen, ob Before the Storm tatsächlich in einer Liga mit dem Vorläufer spielt oder eben nur ein hervorragender Zusatz für Freunde gut geschriebener Adventures darstellt. 

Dennoch steht sicher schon jetzt außer Frage, dass Deck Nine gerade mit der zwar nicht immer dialogisch formvolendet aufgebauten, dennoch sehr behutsam wie emotional berührend verfolgten Thematik einer lesbischen Liebe zwischen Chloe und Rachel etwas anbietet, was nicht nur im Game-Kosmos absoluten Seltenheitswert reklamiert. Und da Before the Storm die hohe Kunst kleiner Erlebnisse am Rande beherrscht, indem wir beispielsweise zusammen mit zwei Jungs einfach mal auf dem Schulhof eine Runde Tabletop-Fantasy zocken dürfen, fühlt sich auch dieses Abenteuer wie etwas an, was sich lange in unserem Herzen einnisten könnte.

Life is Strange: Before the Storm • Deck Nine Games/Square Enix • Adventure

Abb. © Deck Nine Games/Square Enix

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