18. Dezember 2021

„Eastward“: Vater-Tochter-Drama im „Zelda“-Gewand

Kurztest: Ein Endzeit-Abenteuer der besonderen Pixelklasse

Lesezeit: 3 min.

Zum Jahresende haben sich gerade bei Gamern eigentlich immer einige Titel angesammelt, die man schon zum Release gern gespielt hätte und die es daher absolut verdient gehabt hätten, auch an dieser Stelle eher berücksichtigt zu werden. Zu diesen Spielen zählt definitiv Eastward von Pixpil, welches bereits Mitte September digital für Switch und PC herauskam und seinem Ruf als Hommage auf die ersten The Legend of Zelda-Abenteuer um Nintendos Kulthelden Link mit jeder Faser gerecht wird.

In Eastward erleben wir die Geschichte der eigenbrödlerischen Vaterfigur John und seiner etwas vorlauten Ziehtochter Sam, die über besondere Kräfte verfügt. Zusammen leben sie in der Untergrundstadt Port Isle, in der teils sehr raubeinige Charaktere ihr konfliktreiches wie tristes Leben führen. Die Oberwelt gilt als gefährlich und darf daher nicht betreten werden. Da es sich bei Port Isle um eine waschechte Endzeitstadt handelt, erleben wir dort Mangel und viel Provisorium. So geht Sam etwa in eine Schule, die aus alten U-Bahn-Waggons zusammengezimmert wurde, überall ziert Graffito die Wände und gerade die Lichtverhältnisse könnten manchmal düsterer kaum sein. Getragen von einem ausdrucksstarken Ambientsoundtrack und vielen ausführlichen Dialogen, werden wir von Anfang an direkt in den Bann dieser ruppigen Urbanität hineingezogen.

Eastward lebt vor allem von der Dynamik zwischen John und Sam, die einem beide sehr schnell ans Herz wachsen. Das ist auch gut so, denn nachdem die beiden (nicht ganz freiwillig) Port Isle verlassen, um die Oberwelt zu erkunden, müssen wir mit beiden Figuren abwechselnd agieren, um überleben zu können. Sam ist dabei eher der Mann fürs Grobe, der die meist tierischen Monstergegner vermöbelt, während Sam sie mit ihrer Psychokinese einfriert. Wir können nach einiger Zeit frei zwischen den beiden Figuren hin und herschalten, um uns ihre Fähigkeiten taktisch zu Nutze zu machen.

Das ist gerade bei den obligatorischen Endbossen nötig, die am Ende der oft verschachtelten Dungeons begegnen, aber ebenso bei den sehr klassisch gehaltenen Schalterrätseln, bei denen wir nur im Zusammenspiel der Figuren weiterkommen. In den Dungeons finden wir weitere Waffen und Items, wobei wir auch Aufträge von anderen Figuren annehmen können, die uns in der schrulligen Welt begegnen und uns einladen, mehr von der Welt zu erkunden.

Das Geschehen präsentiert sich dabei in einer leicht modernisierten 2D-Pixelansicht, die direkt an frühe Zelda-Teile erinnert. Wir laufen also in alle Richtungen und müssen viele Textkästen lesen, da für die ausschließlich englischen Dialoge keine Sprachausgabe aufgenommen wurde. Die Steuerung verläuft flüssig und auch die Technik spielt uns keine Streiche. Dazu punktet die natürlich technisch nicht taufrische Grafik mit vielen Details, sehr gut eingesetzten Licht-Schatten-Kontrasten und einer schönen Farbpalette.

Was hebt das Action-Adventure, das locker über 20 Stunden Spielzeit bietet, aber nun von anderen Retrotiteln merklich ab? Zum einen definitiv der Humor des Spiels, der sich beispielsweise daran zeigt, dass Sam mit einer Bratpfanne auf die Gegner eindrischt. Zum anderen aber an der eindringlichen Geschichte, in der John und Sam Situationen erleben, die anrührend, spannend oder melancholisch sind. Wenn wir etwa mit John Sams ersten Schultag begleiten und sich Eastward nicht nur hier viel Zeit nimmt, uns tief in die Stimmungslage der Beteiligten eintauchen zu lassen, erweist sich der Titel als echte Storytelling-Perle. Dazu warten mehrfach kleine (Meta-)Überraschungen wie ein Spiel im Spiel oder weitere Referenzen auf Spieleklassiker wie Final Fantasy, die das Fanherz höherschlagen lassen.

Was hingegen nicht so gut gelungen ist, ist die Spielbalance. Fast zu oft werden wir aus unserer Erkundungstour durch die Dialoge herausgerissen und die doch sehr altbackenen Rätsel können ebenso wenig begeistern wie die schnell routiniert ablaufenden Gefechte. Diese Kritikpunkte sollten jedoch alle, die sich von Eastward bislang schon angesprochen fühlen, nicht davon abhalten, sich auf Abenteuerreise mit John und Sam zu begeben. Für rund 25 Euro (wir spielten auf PC) erhält man einen top inszenierten Retrotrip durch eine zauberhafte Welt voller erinnerungswürdiger Momente und Charaktere, dem man seine Macken einfach verzeihen muss.

Fazit

Äußerst charmantes, klasse präsentiertes Endzeit-Action-Adventure, dessen Höhepunkte klar bei Story und Charakteren liegen.

Eastward • Pixpil • Action-Adventure/RPG • PC/Switch

Abb. © Chucklefish

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