25. August 2016 1 Likes

Eingepferchte Freiheit

Unsere Review zum Indie-Spiel „No Man’s Sky“

Lesezeit: 5 min.

Jetzt ist es seit dem 10. August 2016 endlich da, das lang erwartete Sci-Fi-Videogame „No Man’s Sky“ vom Indie-Entwickler Hello Games. Es soll Spielwelten und Konzepte eröffnen, wie noch kein Spiel seiner Art. Es soll so gigantisch sein, dass bereits beim Gedanken an die Größe Rauch aus den Ohren steigt (so sind es doch über 18 Trillionen Planeten an der Zahl!). Ob es aber dem riesigen Hype, der sich mit seiner eigenen Spielgröße zu messen scheint, gerecht wird, das gilt es zu klären.

Aber zunächst einmal: Worum geht es denn tatsächlich bei „No Man’s Sky“? Das gerade mal 15-Mann-starke Entwicklerteam der britischen Hello Games-Schmiede setzt alles daran, dem Spieler grenzenlose Freiheit zu geben: Man erwacht auf einem zufällig generierten Planeten am Rand der Galaxis, das Raumschiff ist zur Hälfte zerstört, die Düsen sind ausgefallen und einen Hyperraumantrieb besitzt man gar nicht erst. Nur einen Anzug, der überlebensnotwendige Funktionen ausübt und ein so genanntes Miningtool, mit dem es später gilt, allerhand Erze, Mineralien und Rohstoffe zu ernten. Die Schubdüsen reparieren sich ja schließlich nicht von selbst. Auch der Raumanzug braucht stetige Energiezufuhr, damit die lebenserhaltenden Funktionen, wie diverse Schilde gegen Radioaktivität, eisige Kälte oder Hitze nicht ausfallen. Der Spieler wird vor die Wahl gestellt: Will er dem „Atlaspfad“ folgen, einer enigmatischen Entität, die einen führen will, oder dringt der Spieler zum Zentrum der Galaxis vor – dem ultimativen Ziel des Spiels, so das Entwicklerteam selbst.

Jeder Planet ist frei erkundbar und kann vom kargen, zerklüfteten grauen Riesen bis hin zu eisigen kleinen Monden reichen. Die Flora und Fauna, die dem Spieler begegnet, ist aus zahllosen Bauteilen zufällig generiert und jeder Planet verspricht ein völlig anderes Spielgefühl und Wesensarten. Kein Planet soll dem anderen gleichen. Neben diverser Lebewesen (von gigantischen Dinosaurier-Schildkröten bis hin zu bizarren Schrumpfkopf-Schnabelwesen) finden sich jedoch überall Handelsposten, Transmitterstationen oder überwucherte Kommandobasen. Diese können sogar von einzelnen Vertretern dreier Alienrassen bewohnt sein, mit denen es zu kommunizieren gilt. Hier kommt auch gleich eines der spannendsten Konzepte von „No Man’s Sky“ zum Tragen: Das Erlernen der Aliensprachen. Häufig wird der Spieler bei Alienkontakt sofort vor eine Wahl gestellt. Hilf dem Wesen und es gibt dir nötige Resourcen oder gar Baupläne für neue Technologien. Die Auswahl bleibt zunächst jedoch willkürlich, da der Spieler nichts versteht und auf „gut Glück“ eine Wahl treffen kann – händige ich dem grünen Männchen meine Waffe aus, will es ein paar Rohstoffe oder soll ich ihm die Hand schütteln? Dies lässt sich nach und nach umgehen, indem man sogenannte Alien-Monolithen und Bauten findet, die einzelne Wörter der drei neuartigen Sprachen vermitteln. Diese erlernten Wörter werden dann im Text rot hervorgehoben und mit der Übersetzung ersetzt. Jenes Erlernen der Sprachen macht unglaublich viel Spaß und gerade zu Beginn des Spiels freut man sich über jedes noch so obskure neue Wort.

Den wahren Reiz von „No Man’s Sky“ macht jedoch die Weltraumerkundung aus. Der erste nahtlose Ritt in den Weltraum ist etwas, das schon fast Gänsehaut vermittelt. Die Schubdüsen geben volle Energie, man steigt und steigt gen Himmel, die Farbe weicht dem etwaigen Farbschema des Weltalls, die poppig-rockige Synth-Musik setzt ein und man befindet sich im Weltraum. Diese nahtlosen Übergänge zwischen Planetenoberfläche und den endlosen Weiten des Alls sind selbst nach dem hundertsten Mal immer noch beeindruckend und toll inszeniert. Im All finden sich dann in jedem Sonnensystem diverse Himmelskörper und immer eine Raumstation, in der man mit Resourcen handeln kann. Hier und dort können auch „Atlasstationen“ auftauchen, die den Spieler zu einem der drei alternativen Enden führen – wenn man sich denn auf die Führung dieses „Atlas“ einlässt. Für den freigeistigen Spieler bleibt jedoch auch die Möglichkeit der Nutzung sogenannter „Raumanomalien“. Das sind spezielle Raumstationen, die schwarze Löcher ausfindig machen können, welche erhebliche Strecken zum Zentrum der Galaxis überspringen. Wurmlöcher, kurz gesagt. Je nachdem für welchen Pfad man sich entscheidet kann einen die Reise von „No Man’s Sky“ von 15 bis zu 100 (!) Stunden unterhalten. Laut Teamchef Sean Murray selbst würde das „eigenständige“ Reisen zum Zentrum gute 80-100 Stunden verschlingen. Erste Spieler bestätigen annähernde Zahlen bereits.

Und hier kommen wir auch zu den erheblichen Mängeln des Spiels. Bereits nach gut fünf bis zehn Stunden setzt die Ernüchterung ein. Die Planeten, so unterschiedlich sie auch sein sollen, vermitteln durch die angewandten Algorithmen des Programmcodes stets das Gefühl eines „Habe ich schon gesehen“. Selbst wenn die Wesen und Strukturen überall anders ausfallen, erinnern sie doch stellenweise sehr stark aneinander. Mit der Zeit erahnt man doch auch hinter welcher Bergkuppe sich welche Station befindet. Und man weiß, dass der nächste Handelsposten nie weit weg ist. Dann heißt es nur noch: Lande auf dem Planeten, suche 100 Plutonium, 50 Heridium und so weiter und bau dir deine Warpzelle zusammen. Und ab geht’s zum nächsten Sternensystem.

Das Ärgerlichste sind jedoch die zahllosen Bugs und Glitches mit dem das Spiel zu kämpfen hat. Vom versehentlichen Warpen direkt „in“ eine Raumstation (aus der man übrigens nicht mehr herauskam, außer man startet das Spiel neu) oder mehrfachen Abstürzen der Konsole: die Liste ist lang. Einige Designentscheidungen sind ebenfalls sehr fragwürdig und können schnell zu Frust führen. Gerade zu Beginn des Spiels sind das winzige Inventar und dessen Führung äußerst fummelig und nervenaufreibend. Die Raum- und Bodenkämpfe wirken lieblos und wie ein Gedanke, der den Entwicklern in letzter Sekunde kam. Und spätestens, wenn dank fehlerhaft programmierter Kollisionsabfrage man erneut in einem Berg stecken bleibt, macht sich Unmut breit. Den sprichwörtlichen Vogel hat jedoch ein Erlebnis abgeschossen: Nach gut sieben Stunden Spielzeit lande ich auf einem schwebenden Felsen auf der bislang vergeblichen Suche nach einem wichtigen Rohstoff. Den finde ich dann auch exakt dort. Jedoch verbraucht jeder Start der Schubdüsen 25% des geladenen Plutoniums im Raumschiff, egal wie kurz oder lang ich fliegen will. Als ich auf dem Flugkörper lande ist mein Antrieb leer. Ich sitze oben fest und befinde mich in schwindelerregender Höhe. Und auf der schwebenden Insel findet sich kein Fünkchen Plutonium. So sah ich mich gezwungen herunter zu springen, um verärgert festzustellen, dass es keinen Weg mehr auf die gefühlt meilenweit entfernte Insel herauf gab. So musste ich einen komplett neuen Spielverlauf beginnen. Sieben Stunden verschwendete Zeit.

Hello Games ist es gelungen das Versprechen eines gigantischen Universums zu erfüllen, das kann man nicht abstreiten. Das Spiel trotzt auch vor kleinen, intimen Momenten und es trumpft auf mit der wirklich fantastischen Musik und dem tollen Artdesign. Für ein Vollpreisspiel, das je nach präferierter Spielweise – auf Playstation 4 oder PC – zwischen 50 und 70 Euro kostet, bietet es jedoch noch deutlich zu wenig. Neuer, kostenloser Inhalt wie Basenbau und Ähnliches sind laut Hello Games schon die nächsten Ziele, aber zunächst müssen alle Bugs ausgemerzt werden. Die stille Hoffnung bleibt, dass das Spiel in ein, zwei Jahren eher dem Bild entspricht, was es von Anfang an hätte sein sollen. „Destiny“ hat mit den Erweiterungen eindeutig bewiesen, dass es klappen kann. „No Man’s Sky“ ist einen Blick wert, aber keinen für den man den Vollpreis verlangen kann. Noch nicht.

No Man’s Sky • Hello Games • Adventure/Survival • Playstation 4

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