30. März 2020 3 Likes

Wer stillsteht, verliert

„DOOM Eternal“: Ein brachialer, wie auf allen Bahnen zündender Erfolg

Lesezeit: 8 min.

In meiner Review zu „DOOM“ von 2016 schrieb ich: „Ich verspüre etwas, was ich lange nicht mehr bei einem Spiel hatte: Puren, ungezügelten Spielspaß!“ Heute sage ich, seit damals hatte ich keinen solchen Spaß mehr, wie mit „DOOM Eternal“. Und davon bietet id Softwares neuester Streich und Nachfolger des 2016er Titels eine ganze Menge – und noch so vieles mehr. Bei „DOOM“ ging es vorrangig darum, ein altbewährtes, aber nicht mehr in Mode scheinendes Spielkonzept vom „blitzschnellen, kompromisslosen Shooterspaß“ den Spielern von heute nahezubringen. Und hierauf baut „DOOM Eternal“ erneut von der ersten Sekunde auf und macht im Stechschritt alles besser. Denn die gewählte Überschrift, „Wer stillsteht, verliert“ trifft nicht nur auf die Videospielindustrie allgemein zu, sondern natürlich ebenso auf „DOOMs“ aggressive Gameplay-Philosophie.

Die Story von „Eternal“ setzt zwei Jahre nach „DOOM“ ein, weg vom Mars, während die Erde nun von dämonischen Höllenhorden überrannt ums Überleben kämpft. 60% der menschlichen Rasse sind ausgetilgt und der Rest entschwand zu den Sternen oder versucht in Form des ARC-Widerstandes den Dämonen wörtlich die Hölle heiß zu machen. In dieses Szenario fällt der Doom Slayer, der bereits bekannte, stets wortlose Protagonist der Reihe, der von der K.I. Vega aus seiner Weltraumstation, der Fortress of Doom, Unterstützung bekommt. Bewaffnet mit einem neuen Arsenal, neuen Fertigkeiten und seiner altbewährten Kettensäge, macht sich der Doom Slayer auf drei Höllenpriestern, dämonischen Akolythen der Apokalypse den Garaus zu machen und somit die Invasion zu stoppen. Im Weg steht aber noch die engelshafte Gestalt des Khan Maykrs, die versucht, die Menschheit zu opfern. Und damit sei auch in den Grundzügen alles zur Story gesagt, während man sich durch die knapp 15-20 Stunden der voll bepackten Kampagne schießt, metzelt und puzzelt. Der Plot ist nicht allzu wendungsreich, bietet aber deutlich mehr Tiefgang, als es auf den ersten Blick wirken mag. Dabei sind die Zwischensequenzen nie zu lang, um den Spieler aus dem Sog der Gewalt – auch hier salopp Spielspaß genannt – zu ziehen und gar komplett überspringbar für ganz ungeduldige Zeitgenossen. Dabei warten ebendiese Sequenzen mit etlichen schönen Doom-Slayer-Momenten auf, die vielen Spielern ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern sollten. Und besonders Kenner des ureigenen „DOOM II“ von 1994 sollte im Verlauf der Story unerwartet das Herz höher schlagen, wenn Brücken gebaut werden, ohne mehr verraten zu wollen. So sei gesagt, dass „DOOM Eternal“ eine mehr als grundsolide und durchweg unterhaltsame Narrative bietet, was wohl die wenigsten erwartet hätten.


„Dieser Zustand des nahen Glorykills und des noch näheren Todes wird bei „DOOM Eternal“ zum Daueranblick.“

Das absolute Höllenfeuer wird aber selbstverständlich im blitzschnellen Gameplay befeuert. Geschwindigkeit ist alles, während sich der Doom Slayer per Doppel-Sprint und Doppelsprung über die deutlich vertikaleren Level metzelt, als das 2016-Pendant noch bot. Jeder errungene Sieg in einem Abschnitt ist dem eigenen Know-How, dem gekonnten Einsatz der vielen Waffen, Waffenmods und dem Ausbeuten gegnerischer Schwachstellen verdankt. Die Lernkurve kann steil werden, wenn von Level zu Level immer größere Dämonen und Dämonenmassen auf den Spieler zustürmen. Häufig sind die wiederkehrenden Glorykills - besonders brutale und abwechslungsreiche „Event“-Kills, die per Nahkampfangriff bei geschwächten, blinkenden Gegnern ausgelöst werden – der letzte Strohhalm kurz vor dem panischen Ableben, welche dann in einer blutigen Explosion begehrte Lebensenergie spenden und den hektischen Kreislauf von vorne beginnen lassen. Sprint nach vorne, zur Seite, Sprung, Granate links, Plasmageschoss rechts, die Raketen gehen zu Neige, schnell ein Kettensägeneinsatz um an Energie und Munition zu gelangen und der nächste Glorykill, und das Ganze beginnt erneut – bis jeder einzelne grunzende Dämon zu einem brennenden Stück Fleisch verarbeitet wurde. Die Dämonen sind nicht nur Gegner, sondern dienen dem Slayer zugleich als Resource. Die meisten der Kämpfe enden mit einem verzweifelt wohligen Gefühl, gerade noch mit dem eigenen Leben davongekommen zu sein.


„Rechts steht Treibstoff für die Kettensäge und vor einem große, wütende Dämonen: Die Wahl fällt leicht.”

Klingt brachial, hart, schweißtreibend und für manche Ohren gar ein wenig krank, aber oh, welch furioser Spaß sich dahinter verbirgt. Schnelles Denken und gute Reflexe sind Voraussetzung – denn wieder gilt: Wer stillsteht, verliert. Und so wird im Schnitt 18 Stunden lang atemlos durchgepowert. Id Soft erweitert aber das bekannte Arsenal wie die wohlige Schrotflinte, das Plasmagewehr oder das Markenzeichen, die BFG (wörtlich „Big Fucking Gun“) um etliche Facetten und Neuzugänge. Der Doom Slayer kann per Schultertaste nun auch Eisgranaten, die Gegner einfrieren, abfeuern, oder auch einen kurzen Feuerstoß abgeben, der danach getroffene Gegner um aufsammelbare Rüstung erleichtert. Hinzu kommen eine Armklinge, die an die Gausscanon erinnernde Ballista und eine mit Haken erweiterte Supershotgun, die den Doom Slayer an Gegner heranzieht. Jede der sieben Waffen bietet neben dem Standardfeuer auch jeweils zwei Modifikationen, die das Spiel- und Waffengefühl gehörig verändern. So wird aus der Schrotflinte ein Granatwerfer oder eine Maschinen-Shotgun, oder aus dem Plasmagewehr eine … Miniatur-Mikrowelle, die Gegner zum Platzen bringt. Jede der zackig im Kampf austauschbaren Modifikationen lässt das zunächst scheinbar kleine Waffenarsenal zu einer ganzen Kriegskiste werden, die nur darauf wartet, gemeistert zu werden. Auch Runen kehren in leicht abgewandelter Form zurück, die schnellere Glorykills, kurze Zeitlupen oder schneller ladendes Equipment und einiges mehr bieten. Und wer darüber hinaus noch immer nicht genug hat, kann in Missionchallenges und wöchentlich wechselnden Online-Challenges sein Können unter Beweis stellen, die eine gewisse Zahl an spezifischen Kills abverlangen, dafür aber mit etlichen Belohnungen einher kommen.


„Es blitzt, glüht und funkt eigentlich an allen Ecken und Enden beeindruckend.“

„DOOM Eternal“ wäre aber nicht so unglaublich suchterzeugend, wären da nicht die zahlreichen Secrets in den nun deutlich größeren Levels. Von alten Soundtrack-Stücken, über freischaltbare, klassische Cheats über Upgrades für den Praetorsuit des Slayers, Waffenmods, sammelbare Plüschtiere, versteckte Kämpfe und knallharte Slayer-Gates (brutale Gegner-Konfrontationen, die mit einer ganz besonderen Superwaffe im letzten Drittel des Spiels als Belohnung aufwarten): Jeder Winkel von „Eternal“ will ausgespäht werden, um sich einen noch so kleinen Vorteil über die Ausgeburten der Hölle zu verschaffen. Hier könnten sich etliche Entwickler etwas von id Soft abschneiden: Wirklich jedes Collectible hat einen Sinn und erweitert das Arsenal um eine Facette. Sogar die Musikstücke und Plüschtiere schmücken später die Heimbasis, die Fortress of Doom, denen man dort lauschen oder sie bestaunen kann, während man die unglaublich detailreiche, große Basis erkundet – in der sich übrigens von Mission zu Mission auch noch weitere Secrets finden lassen. Die Schlauchlevels von 2016 sind Geschichte und machen Platz für verwinkeltes und großes Leveldesign. Bei „DOOM Eternal“ handelt es sich in keiner Form um eine Openworld oder dergleichen, nur sind die Level deutlich vertikaler und offener gestaltet, mit vielen großläufigen Plätzen, die häufig mit einem Gemetzel aufwarten, von Klippen umsäumt, und reichlich vielen blauen Schubpads, die den Doom Slayer in die Luft katapultieren und schnell auf eine neue Ebene bringen. Da kommen gleich wohlige Erinnerungen an „Quake III Arena“ hoch. Aber nicht nur das Leveldesign ist hervorzuheben, sondern auch deren abwechslungsreiche Gestaltung. Neben detailverliebten, brodelnden Höllendimensionen spielt sich natürlich viel in den zerklüfteten, brennenden Städten der Erde ab, doche es gibt auch einen Abstecher zum Mars, altbekannte Laboranlagen und eine ganze Menge  luftig grüner Waldgebiete, die einige wohl sofort an die martialischen, klassischen Levels von „Unreal“ erinnern werden, während gigantische ritterhafte Statuen der Sentinels durch noch größeren Burgbauten klein erscheinen, und sich im Hintergrund große, grüne Wälder erstrecken.

Der aber vermutlich wahre Star und das bombastisch schlagende Herz der ganzen Höllenmaschinerie ist der unglaublich treibende elektronische Metallsoundtrack von Mick Gordon. Der zigfach ausgezeichnete Komponist aus Australien steuerte nach „DOOM“ (2016) erneut die musikalische Untermalung bei, die von unheimlichen, sphärischen Gesängen im Hintergrund bis hin zu Metall-Geknüppel reichen, das natürlich immer dann schneller wird, wenn die Action einsetzt. Besonders mit einem Surroundsoundsystem oder passenden Kopfhörern wird es schwer, nicht im Takt bei einem erfolgreichen Kill nach dem anderen mit dem Kopf mitzuwippen, wenn die harten Bass-Drops die Ohrmuschel erreichen. Wenige Spiele schaffen es, das eigene Können und Schaffen durch musikalische Untermalung derart zu befeuern, dass man sich so beflügelt fühlt wie bei „DOOM Eternal“. Statt sich auf dem Geleisteten auszuruhen, legt Mick Gordon mit einem Chor aus Metall-Sängern aus der ganzen Welt auch noch eine Schippe oben drauf, der mit einigen namhaften Gestalten besetzt wurde. So werden an zahlreichen Stellen im Spiel immer wieder dämonenartige Ausrufe und Schreigesänge in den Hintergrund beigefügt, die die bereits zum Schneiden dicke Atmosphäre nur noch eindringlicher machen.


„Im Battlemode gilt es als Dämon oder Slayer die anderen zur Hölle zu schicken.“

Zu guter Letzt wäre da natürlich auch noch der umgemodelte Battlemode. Dem altgedienten Deathmatch wird für ein asymmetrisches Spielerlebnis Platz gemacht, bei dem zwei Spieler online in die Hüllen der Dämonen schlüpfen, und versuchen einen dritten Spieler in der Rolle des Doom Slayers das Licht auszublasen. Beide Parteien sind ausgewogen, während unter den Dämonen der neue Wikinger-artige Marauder samt Laseraxt neben bekannten Serienvertretern wie dem Mancubus und dem Cacodämonen zur Wahl stehen. Diese lassen sich alle defensiv oder aggressiv spielen, mit unterschiedlichen Skills, wie Helferlingsbeschwörungen, Heilarealen, für den Doom Slayer toxischen Bereichen oder einer Vielzahl an weiteren Upgrades, die von Runde zu Runde dazukommen. Dem Slayer hingegen stehen sofort alle 7 Standardwaffen samt Modifikationen zur Verfügung. Allerdings müssen beide der feindlichen Dämonen innerhalb von 20 Sekunden voneinander getötet werden, da sonst der zuletzt verstorbene Dämon wiederbelebt wird. So kann es also passieren, dass eine Runde in 30 Sekunden bereits für eine Seite entschieden ist, oder sich in seltenen Fällen über schweißtreibende Minuten zieht, denn online wird einem wieder bewusst, wie sehr die Aussage zutrifft, dass der beste Jäger im Tierreich immer noch der Mensch selbst ist. Mit einer gigantischen Anzahl an freispielbaren Anpassungsoptionen optischer Natur und ebenfalls monatlich wechselnder Series-Belohnungen wie Waffen- und Player-Skins, bietet der Battlemode eine gesellige Option zur Kampagne, die über Wochen hinweg unterhalten könnte. Wann sich hier jedoch die kaum-existente Abwechslung durch fehlende andere Modi bemerkbar macht, ist noch nicht einzuschätzen, denn dafür macht der Battlemode zu viel Spaß, egal in welcher der beiden Partien man auch stecken mag.

„DOOM Eternal“ bietet in den gebotenen Stunden so viel Spaß und auszukundschaftende Ecken und Winkel wie schon lange kein Spiel mehr. Jeder, der auch nur im Entferntesten Interesse an Shootern hat, sollte sich im Sci-Fi-Höllenfeuer rösten lassen und wird unabdingbar als Halbgott emporsteigen. „Eternal“ wartet mit einer der besten Singleplayer-Kampagnen der letzten zehn Jahre auf und rundet das ganze mit einem kurzweiligen, blitzschnellen Battlemode für Online-Kämpfe ab. Bald sollen auch noch ein Invasion-Mode folgen, der online Spieler als Dämonen in die Storykampagnen anderer Spieler verfrachtet, um diesen das Leben zur Hölle zu machen und auch weitere DLCs dank eines Seasonpasses, der auch schon in der Deluxe-Edition von „DOOM Eternal“ enthalten ist.

„DOOM Eternal“ ist seit dem 20. März 2020 für PC, XBox One PS4 und Stadia erhätlich. Eine Nintendo-Switch-Version soll noch folgen.

DOOM Eternal • id Software • Shooter • PC/PS4/Xbox One

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