21. Januar 2017 2 Likes 1

Wunderschöner Roadtrip mit Hindernissen

Japano-RPG „Final Fantasy XV“ im Test

Lesezeit: 8 min.

Es dauerte ein ganzes Jahrzehnt bis Square Enix’ „Final Fantasy XV“ in die Hände der Spieler gelangte. Seit dem 29. November 2016 ist dies nun aber weltweit für die XBox One und die Playstation 4 der Fall und ob sich die lange Wartezeit gelohnt hat, das gilt es zu klären.

Vorher muss aber noch ein wenig in die problematische Geschichte des Science-Fiction/Fantasy Mashups aus Japan eingetaucht werden, denn dort liegt auch der Chocobo begraben. Ursprünglich 2006 als das noch damals Playstation 3-exklusive „Final Fantasy Versus XIII“ angekündigt, sollte das, was später zum fünfzehnten Teil der Hauptreihe werden würde, eigentlich ein Glied der sogenannten „Fabula Nova Crystallis“ sein. Dabei handelte es sich um ein Spin-Off zum damals erschienenen „Final Fantasy XIII“, das zwar nicht in der gleichen Welt spielte, sich aber einen schwer verwobenen Mythos teilte, zu dem auch das vor einiger Zeit für die Playstation 4 portierte „Final Fantasy Type-0“ zählt. 2012 dann wurde „Final Fantasy Versus XIII“ in „Final Fantasy XV“ umgetauft und der Welt erneut vorgestellt mit einer brandneuen Ausrichtung. Es sollte nicht mehr Playstation 3-exklusiv sein und nicht einmal für die „alte“ Konsolengeneration erscheinen. Den Platz des Game Directors und das Charakterdesign übernahm weiterhin Hajime Tabata, der bereits seit 2006 damit betraut war. Weiterhin solle die Welt nicht in mehreren Spielen ausgebaut werden, sondern in diversen Nebenprojekten weiterleben, wie einem Animationsfilm, einer Anime-Serie und einem Downloadable Content, der auf virtueller Realität Fuß fassen soll. Doch dazu später mehr.

Das japanische Giganto-Rollenspiel beginnt ruhig und beschaulich: Thronfolger Prinz Noctis Lucis Caelum, kurz Noctis, steckt auf der Landstraße in einer texanisch angehauchten Wüste fest, während er und seine drei Weggefährten das kaputte Auto zur nächsten Tankstelle schieben. Besagtes Auto, mit dem Namen Regalia, wird zunächst das Hauptfortbewegungsmittel des Spiels sein, welches sich später sogar mehrfach upgraden lässt bis hin zu einem fliegenden Untersatz. Prinz Noctis, der kindliche Hobbyfotograf Prompto, der schlagkräftige Gladiolus und der clevere Koch Ignis bilden das Herz und die Seele von „Final Fantasy XV“. Diese vier Gefährten bilden die zu entwickelnden Charaktere aus denen die für „Final Fantasy“ typische Party besteht. Explizit steuern lässt sich für den Spieler aber nur Prinz Noctis selbst, entgegen den meisten anderen Teilen der Hauptreihe. Hand an die Ausrüstung und erlernbaren Techniken und Fähigkeiten der einzelnen Gruppenmitglieder kann der Spieler aber weiterhin selbst legen. Mit ihnen gilt es dann die wunderschöne Welt von Eos zu erkunden und dem bösen technokratischen Imperium Niflheims die Stirn zu bieten. Noctis und seine persönliche drei-köpfige Leibgarde begeben sich auf den Weg in die Hauptstadt Altissia um Prinzessin Lunafreya zu finden, welche Prinz Noctis’ Gemahlin werden soll. Zur gleichen Zeit wird auch der mächtige Kristall des Königreiches Lucis gestohlen und Prinz Noctis Vater, der regierende König, ermordet. Und so machen sich die vier auf den Weg das Königreich wiederherzustellen und den Kristall ausfindig zu machen.

Die Geschichte um „Final Fantasy XV“ lässt sich recht schnell erzählen und selbst die in fünfzehn Kapitel aufgeteilte Hauptstory wartet trotz ihrer Längen mit äußerst wenigen Überraschungen auf. Dafür, dass das Spiel so lange in Entwicklung war, fällt das Geplänkel um das Königreich Lucis, den Kristall und einer drohenden Apokalypse, ziemlich dünn aus. Die vier Hauptfiguren der Gruppe um Noctis tun dem ebenfalls leider keinen Abbruch. So sind sie meistens stereotypische Japano-RPG-Abziehbildchen, die man schon in vielerlei Variation in anderen Teilen gesehen hat. Nur selten durchbrechen Figuren wie Prompto ihre Ein-Dimensionalität in kleinen persönlichen Momenten. Und dass auch tiefgründige Geschichten mitten bei der Monsterhatz erzählt werden können haben gerade Biowares Rollenspiele wie „Dragon Age“ und „Mass Effect“ unter Beweis stellen können.

Gerade der „Open World“-Aspekt von „Final Fantasy XV“ hilft dem Erzählrhythmus des Spiels nicht. So platzen plötzlich wichtige Storyinformationen aus Figuren heraus, während noch vor wenigen Sekunden herumgealbert wurde und man als Spieler quasi auf „Durchzug“ schaltete. Und selbst, wenn die Hauptgeschichte in Fahrt kommt, gibt es zu keinem Zeitpunkt wirkliche Dringlichkeit, trotz weltbewegender Ereignisse. Die Spielfiguren drängen zwar kurz „Wir müssen jetzt aber dorthin!“, es gibt jedoch keinen Timer oder keine Bestrafung, wenn man sich erst einmal Stunden mit dem Aufleveln diverser Fertigkeiten um die Ohren schlägt. Selbstverständlich möchte Square Enix nach dem sehr „schlauchigen“ „Final Fantasy XIII“ den Spielern mehr Freiheit und Selbstbestimmung geben, dennoch hätte dem Spiel in gesonderten Abschnitten mehr Führung gut getan. Man merkt dem Titel dann doch seine zehn Jahre Entwicklungszeit an, so wirkt er oft zerstückelt und wie aus diversen Teilen zusammengesetzt. Es wird zusätzlich noch schwer bestimmten Wirrungen zu folgen, wenn man die Animeserie „Brotherhood: Final Fantasy XV“ oder dem Film „Kingsglaive: Final Fantasy XV“ nicht gesehen hat. Square Enix hätte lieber alle Seitenprojekte in das Hauptspiel packen sollen, woraus dann unter Umständen ein kohärentes Gesamtpaket entstanden wäre.

Die großen Stärken, von denen das japanische Rollenspiel dann doch auch eine Menge besitzt, finden sich im Kampf- und Levelsystem, den Monster-Jagdaufträgen und dem Endgame-Inhalt. Erfahrungspunkte bekommt man nach wie vor nach jedem durchstandenem Kampf. Neue Erfahrungsstufen können aber erst erreicht werden, wenn sich die Truppe abends an einem Campfeuer in der Wildnis oder in einem Hotel zur Ruhe legt. Erst dort werden die über den Tag gesammelten Erfahrungspunkte dem Spieler auf das Level gutgeschrieben. Und dann muss auch noch überlegt werden ob man lieber in ein Hotel will, das mit Erfahrungsmultiplikatoren aufwartet oder doch lieber in der Wildnis übernachtet, wo Koch Ignis der Gruppe exklusive Mahlzeiten kocht, die unterschiedlichste lohnenswerte Boni für den nächsten Tag bereithalten. Das verleiht „Final Fantasy XV“ eine besondere Dynamik und Planung. Soll der Spieler lieber Erfahrung verdoppeln oder auf die Boni der Mahlzeiten setzen, weil demnächst ein großer Bosskampf ansteht?

Im Kampf selbst lässt sich nur Prinz Noctis steuern, jedoch können ebenfalls durch Knopfdruck bestimmte Techniken der anderen Gefährten ausgeführt werden, wie Teamattacken und gesonderte Angriffe, die allesamt Teile der Tech-Leiste aufbrauchen. Jene Leiste dient dazu, starke Techniken auszuführen, ähnlich eines Limitbreak-Angriffes aus älteren Teilen der Serie. „Final Fantasy XV“ ist wie der zwölfte und dreizehnte Teil der Serie nun komplett fort vom rundenbasierten Kampf und deutlich action-orientierter, wie „Final Fantasy Type-0“ oder das „Crisis Core: Final Fantasy VII“ seinerzeit auf der PSP. Per Tastendruck springt und wirbelt Noctis mit Schwert, Lanze, Pistole oder anderen Waffen durch die Luft und weicht ebenfalls per Druck gegnerischen Angriffen stylisch aus – was aber wiederum MP (Magiepunkte) und Ausdauer kostet. Selbst Anfänger können sofort los legen, ohne sich zu viele Gedanken machen zu müssen, wobei das Kampfsystem bei genauerer Betrachtung äußerst tiefgründig ausfällt. So kann aus einem zehnminütigem Kampf bei Nutzung passender Waffen und Beobachtung der Schwächen des Gegners ein 30-Sekunden-Scharmützel werden. Der Schwierigkeitsgrad des gesamten Spiels richtet sich an Serienneulinge. So besiegten wir bereits ohne große Umschweife und mit genügend Heiltränken ausgerüstet mühelos Gegner, die zwanzig oder gar dreißig Level über unserem sind. Undenkbar in einem anderen „Final Fantasy“. So lassen sich selbst die stärksten Gegner mit Beharrlichkeit und Ausdauer besiegen. Eine schöne Lektion fürs Leben, aber eine kleine Enttäuschung für das Gamerherz. Und so flimmert nach gut 30-45 Stunden, je nach Spielweise, der Abspann über den Schirm.

Danach ist aber zum Glück noch lange nicht vorbei, denn gerade die unzähligen Monster-Jagdaufträge fordern dann doch den Spieler heraus und dort finden sich die Herausforderungen, die der Hauptstory fehlten. Gigantische Roboter und Mechawesen, Dinosaurier oder Gryphen-artige Vögel müssen bezwungen werden. Die Monsterhatz, die nach gelungenem Erfolg weitere Jagden frei schaltet, ist äußerst motivierend und macht ganz einfach Spaß. Nur die weiteren Nebenquests sind ein kleines Dorn im Auge, so bestehen sie zum größten Teil aus „Gehe von A nach B und hole/töte C“. Spiele wie „The Witcher 3: The Wild Hunt“ und „Dragon Age: Inquisition“ haben da die Messlatte unglaublich hoch gelegt und zeigen, wie Nebenquests heutzutage aussehen müssen. Dafür sind jedoch die fordernden optionalen Dungeons, welche mit noch schwereren Endgame-Varianten aufwarten, einen Blick wert. So finden sich an deren Ende nicht nur spannende Bosskämpfe, sondern auch besonders starke Waffen und Ausrüstungsgegenstände wieder.

Ein weiteres kleines Highlight ist die beschränkte Magienutzung und das Zaubern: Diese muss man zuerst selbst in einem Menü mit gefundenen Items erstellen, wobei jeder Einsatz wohl bedacht werden muss. Anders als in anderen „Final Fantasy“-Iterationen bewirft man den Gegner nicht mit haufenweise Zaubern, sondern muss auch die eigenen Leute bedenken, denn fast jede Magienutzung ist äußerst stark und flächendeckend. Man fühlt sich oft wie beim Zünden einer wohlüberlegten Atombombe. Man weiß, der Schaden wird verheerend sein und die eigenen Figuren werden darunter leiden. Aber meist ist auch der Tod des Feindes sicher. Eine gelungene und höchst willkommene Neuausrichtung der Magie.

Bloß die der Spielereihe inhärenten Beschwörungen von Fanlieblingen wie den mythischen Figuren Shivas, Bahamuts oder Ramuhs ist etwas lästig; so lassen sie sich nicht zu jeder Zeit rufen, sondern nur unter ganz bestimmten, prekären Bedingungen. Diese teilweise undurchsichtigen Lagen hervorzurufen, ist schwierig und bleibt gefühlt eher dem Zufall überlassen. Wenn die Beschwörungen jedoch klappen sind sie stets eindrucksvoll und schlagkräftig.

Was bleibt zu sagen? „Final Fantasy XV“ beginnt mit den Worten „Ein Final Fantasy für Fans und Neueinsteiger“. Man muss Rollenspiel-Veteran Square Enix lassen: Es ist ihnen gelungen und sie haben etwas erschaffen, das beider Maßen befriedigt. Andererseits merkt man dem Spiel gerade durch seine zerstückelte Darstellung die lange Entwicklungszeit an. Und so etwas wie langwierige Schleichabschnitte, die immer wieder auftauchen, haben einfach nichts in einem „Final Fantasy“ zu suchen. Neulingen wird der Einstieg erleichtert, Veteranen könnten sich aber unterfordert fühlen. Aber dennoch davon auszugehen, dass jeder zum absoluten Verständnis des Spiels die diversen Verfilmungen gesehen haben sollte ist wiederum ein Unding. „Final Fantasy XV“ kann beizeiten einen Heidenspaß machen, nur an der Ausführung hadert es noch. Beim nächsten Teil der Hauptreihe kann Square Enix aus den hier begangenen Fehlern lernen und aus den großen Stärken schöpfen. Hoffentlich dauert es nicht erneut zehn Jahre, bis wir dort ankommen.

Final Fantasy XV • Square Enix • Rollenspiel • Xbox One, Playstation 4

Kommentare

Bild des Benutzers Alexander Schlicker

Volle Zustimmung: Endlich wieder ein FF, wie es fast nicht schöner sein kann.

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