11. Dezember 2017 1 Likes

Fische, UFOs und morgendliche Glorie

Wer hat die schönsten Wolken im Sonnensystem?

Lesezeit: 5 min.

„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, sang dereinst Reinhard Mey und schwärmte davon, sich gleich eines Flugzeugs über die wattigen Himmelsgebilde zu erheben. Aber Moment, bei all der romantischen Melancholie, Herr Mey verpasst das Beste! Wolken sind schließlich nicht nur Regenbringer oder Hintergrund-Deko für ein Lied über Fernweh. In Großbritannien gibt es zu ihrer Würdigung gleich eine offizielle Gesellschaft – die „Cloud Appreciation Society“, die Fotos von besonders schönen Exemplaren sammelt und teilt. Und wenn man sich diese abstrakten, wunderschönen und teilweise unwirklich erscheinenden Gebilde so ansieht, fragt man sich vielleicht: Gibt es sowas auf anderen Planeten auch?

Der wohl präsenteste Himmelskörper mit interessanten Wolken ist Venus. Jahrzehntelang rauften sich Forscher die Haare, weil Venus nicht nur irgendwelche Wolken hat, sondern so dicke und dichte, dass man nicht zur Oberfläche sehen kann. Optische Mittel scheitern an der zwanzig Kilometer dicken gelben Suppe sowieso, und selbst frühe Methoden der Fernerkundung mit speziellen Instrumenten auf Orbitern konnten einfach nicht hindurchschauen. Venus‘ Wolken bestehen, wie in früheren Kolumnen erwähnt, zum Teil aus Schwefelsäure, woher auch die etwas kränkliche gelbe Farbe rührt. Spannend? Auf jeden Fall! Aber hübsch? Nun ja.

Auch Mars schmückt sich zuweilen mit Wolken, und auf den Aufnahmen des Marsrovers Curiosity sieht man sie als feine Federwolken über den Himmel ziehen. Höchstwahrscheinlich bestehen sie aus dem wenigen Wasser, das die dünne Atmosphäre des Mars zu bieten hat und das an aufgewirbelten Staubpartikeln kondensiert und zu Eiskristallen gefriert. Auch ein Wolkenband um den Äquator ähnlich der irdischen „Innertropischen Konvergenz-Zone“, wo durch die starke Sonneneinstrahlung Luft erwärmt wird, aufsteigt und in großer Höhe zu Wolken kondensiert, wurde auf dem Mars schon beobachtet. Definitiv hübsch anzusehen, aber nicht übermäßig aufregend.

Ein ähnliches Verhalten wie die innertropische Konvergenz-Zone zeigen auch die Gasriesen, in deren Atmosphären es Regionen gibt, wo Gase aufsteigen und zu Wolken kondensieren, und andere Zonen, wo sie absinken und die Wolken sich auflösen. Besonders schön sieht man diese Muster auf Jupiter und Saturn, deren Bänder klar zu sehen sind, doch auch Neptun und Uranus haben sie.

So weit, so gut, aber kehren wir doch zurück nach Hause und sehen uns ein paar der außergewöhnlichsten Wolken an, die unsere Erde zu bieten hat.


Quelle: Wikimedia Commons, © Sunfly 

„Hilfe! Ein UFO!“, denken tatsächlich viele Menschen, wenn sie zum ersten Mal Altocumulus Lenticularis sehen, die im Alpenvorland auch als „Föhnfische“ oder „Föhnlinsen“ bekannt sind. Tatsächlich haben diese Wolken schon öfter mal panische Anrufe bei Behörden ausgelöst, die von der Ankunft von Aliens berichteten. In Wirklichkeit entstehen diese Wolken, wenn Luft über ein Gebirge fließt (daher besonders gern beim alpinen Föhn). Die Luft wird gezwungen, aufzusteigen, um das Hindernis der Alpen zu überwinden. Danach fällt sie aber nicht einfach wieder nach unten, sondern beginnt wie ein angestoßenes Pendel zu oszillieren. Am oberen Teil der Pendelbewegung entstehen dann diese hübschen, abgerundeten Wolken – ganz ohne extraterrestrische Technologie.

Nicht ganz so Science-Fiction, dafür vielleicht noch beeindruckender sind ausgewachsene Cumulonimbus-Wolken bei Gewittern, die wegen ihrer Form auch „Amboss“ genannt werden. Insbesondere bei den schweren Superzellen-Gewittern in den USA kann man beeindruckende Exemplare beobachten. Sie entstehen, wenn durch große Hitze und eine extrem labil geschichtete Atmosphäre Luft rasant aufsteigt. Grundsätzlich kann Luft solange aufsteigen, wie sie wärmer als ihre Umgebung ist. Nun ist unsere Atmosphäre so geschichtet, dass die Temperatur für die ersten zehn bis zwölf Kilometer abnimmt – also optimal für aufsteigende Luftpakete, wenn sie warm genug starten. Dann aber ändert sich die Schichtung der Atmosphäre. In etwa zwölf Kilometern Höhe liegt die Tropopause wie ein Deckel auf der Troposphäre, und die Temperaturen steigen wieder an – eine undurchdringbare Barriere für aufsteigende Luftpakete. Bei einem Gewitter rast also unser Luftpaket förmlich nach oben, bis es dann regelrecht an die Decke klatscht und sich zu den Seiten hin ausbreitet. Manchmal entsteht noch ein kleiner Auswuchs nach oben, wenn die Luft so viel Schwung hat, dass sie ein kleines bisschen über die Barriere der Tropopause hinweg schießt. Wenn so ein „Amboss“ auf einen zurollt, sollte man sich besser einen sicheren Unterstand suchen.


Quelle: Wikimedia Commons, © Daniela Eberl

Kommen wir zu einem weniger gefährlichen und sehr seltenen Phänomen. Im Juni staunten die Mitarbeiter des Münchner Flughafens nicht schlecht, als eine massive, kilometerlange und bedrohlich aussehende Wolkenwurst über sie hinwegrollte. Die „Roll Cloud“ oder auch „Morning Glory“-Wolke wird eigentlich am häufigsten in Australien beobachtet – dort dafür auch nicht selten als ganzes Rudel aufeinanderfolgender Wolkenrollen – und ist vollkommen harmlos. Über ihre Entstehung ist man sich nicht ganz einig, aber höchstwahrscheinlich wächst sie aus einer Rotationsbewegung, die durch eine plötzliche Drehung der Windrichtung ausgelöst wird, zum Beispiel beim Wechsel von Land- auf Seewind. Ein wahrlich beeindruckendes Spektakel.

Ähnlich schön anzusehen, wenngleich nicht ganz so beeindruckend, sind Wolken, die durch die sogenannte Kelvin-Helmholtz-Instabilität entstehen. Ein bisschen Physik als Grundlage: Wenn zwei Fluide (also Flüssigkeiten und im weitesten Sinne auch Gase) mit unterschiedlicher Dichte aufeinanderliegen, gibt es eine Grenzschicht zwischen ihnen. Wenn die beiden nun mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fließen, entsteht an dieser Grenzschicht eine Instabilität, die sich fortpflanzende Turbulenzen auslöst. Am einfachsten kann man das sehen, wenn Wind über Wasser weht – an der Wasseroberfläche entstehen Wellen, die sich ausbreiten. Ganz ähnlich, aber natürlich wie immer komplizierter, geschieht das in der Atmosphäre, wenn Luftschichten mit unterschiedlicher Dichte und Geschwindigkeit übereinander liegen. Wenn diese dann auch noch genau auf der richtigen Höhe liegen, wo Wasserdampf zu Wolken kondensieren kann, kann man mit etwas Glück diese schnuckelig verschnörkelten Wolkenkringel beobachten, die ein wenig aussehen wie in Tim Burtons Nightmare before Christmas.

Obwohl es Kelvin-Helmholtz-Wellen sogar auf Saturn und anderen Gasplaneten gibt, muss man doch zugeben, dass die Wolken hier auf der Erde einen wirklich aus den Socken hauen können und die Existenz einer Gesellschaft zu ihrer Anerkennung vollkommen rechtfertigen. Und dabei habe ich Ihnen ja noch nicht mal von „Leuchtenden Nachtwolken“, „Irisierenden Wolken“ oder „Nebelbögen“ erzählt …

 

Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich insbesondere für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Alle ihre Kolumnen finden Sie hier.

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.