14. März 2016 1 Likes

Leben im Schatten des Riesen

Die Galileischen Monde, erster Teil: Goldener Io, eisiger Europa

Lesezeit: 4 min.

Jupiter trägt nicht umsonst den Namen des römischen Göttervaters: Er ist der größte Planet unseres Sonnensystems, so groß, dass er am Nachthimmel zuweilen sogar heller erscheint als unser geliebter Nachbar Mars, obwohl er 550 Millionen Kilometer weiter weg ist. Er wiegt etwa 318 Mal so viel wie die Erde und ist damit fast 2,5 Mal schwerer als alle anderen sieben Planeten zusammen. Selbst Pluto würde hier das Kraut nicht mehr fett machen.

Jupiter ist also in jeglicher Hinsicht unvorstellbar groß. Da fragt man sich: Wie „lebt“ es sich wohl im Schatten eines solchen Riesen? Zweifellos muss Jupiter auf Objekte in seiner Umgebung einen ungeheuren Einfluss haben, zum Beispiel auf die vier Galileischen Monde. Die großen Monde von Jupiter sind fast alle nach Frauen benannt, mit denen sein griechisches Alter Ego Zeus Affären hatte. Die Ausnahmen sind Amalthea – die Ziege, die Zeus säugte – und Ganymed – der war ein Hirtenknabe und ebenfalls ein Geliebter von Zeus, dem alten Schwerenöter.

Io, Europa, Ganymed und Kallisto wurden, wie ihr Name verrät, im siebzehnten Jahrhundert von Galileo Galilei entdeckt. Sie haben schon früh eine wichtige Rolle in der Astronomie gespielt. Zum Beispiel haben Wissenschaftler durch ihre Beobachtung Keplers Gesetze zur Bewegung der Planeten überprüft, und auch erste Messungen der Lichtgeschwindigkeit wurden mit ihrer Hilfe durchgeführt. Trotzdem war das Quartett bis ins zwanzigste Jahrhundert nichts mehr als eine Ansammlung von Kieseln neben einem Berg. Erst als man schließlich genauer hinsehen konnte, wurde klar, dass die Galileischen Monde ziemlich interessant sind.

Am nächsten sind Jupiter die kleinen Monde Io und Europa, beide etwa so groß wie unser heimischer Mond. Natürlich werden diese beiden auch am stärksten von ihrem Göttervater beeinflusst: Während die meisten anderen Monde im Sonnensystem pockennarbig von Einschlagkratern sind, sind die Oberflächen von Io und Europa glatt wie Babypopos, weil sie ständiger Veränderung unterworfen sind.

Tatsächlich ist Io der vulkanisch aktivste Körper des Sonnensystems und dementsprechend ungemütlich. Dort findet man kilometertiefe Vulkankrater, Lavaströme aus noch nicht genauer bestimmtem, sehr, sehr heißem Material (womöglich Silikate oder Natrium) und Seen aus geschmolzenem Schwefel. Vermutlich riecht es ein bisschen streng, aber der Schwefel ist auch verantwortlich für Ios beeindruckende gold-gelbe Farbe. Der alles bestimmende Vulkanismus wird durch Gezeitenkräfte ausgelöst – der kleine Io ist eingezwängt zwischen dem massiven Jupiter und seinen Nachbarmonden Europa und Ganymed, die an ihm zerren, und wenn wir uns ansehen, was Gezeiten bereits in unserem lachhaft kleinen Erde-Mond-System anstellen, kann man sich ausmalen, was für Effekte sie im Jupiter-Maßstab haben. Io wird also ständig von Gezeitenkräften durchgewalkt und kehrt wortwörtlich sein Innerstes nach außen, weshalb Einschlagkrater auf seiner Oberfläche nicht lange überdauern. Aber Jupiter formt nicht nur Ios Aussehen, sondern auch seine Atmosphäre. Genau genommen saugt Jupiters Magnetfeld Ios ohnehin dünne Gasschicht einfach auf und baut sie in einen Ring ein, in dem Ios Orbit liegt. Aber er bekommt auch etwas zurück: Geladene Partikel aus dem Magnetfeld erzeugen in den Gasschichten um Io ein geisterhaftes, Aurora-ähnliches Leuchten.

Bis auf das Fehlen von Einschlagkratern könnte Europa, der nächste Galileische Mond, Io nicht unähnlicher sein. Ein eisiger Panzer hüllt den Planeten ein, Oberflächentemperaturen um -200 Grad Celsius lassen uns schon beim Gedanken an einen Schritt vor die Tür frösteln. Und doch: Auch Europas Oberfläche ist in Bewegung, denn wie sonst sollten die Krater verschwunden sein, die man auf der Oberfläche finden müsste? Auf Europa ist es kein Vulkanismus, der die hässlichen Einschlagkrater verschwinden lässt, sondern ein anderer geologischer Vorgang: Plattentektonik. Anders als auf der Erde schwimmen die Platten von Europa nicht auf geschmolzenem Gestein des Erdmantels, sondern höchstwahrscheinlich auf einem kilometertiefen Ozean aus Wasser. Ähnlich wie Io ist auch Europa enormen Gezeitenkräften ausgesetzt, die vermutlich das Wasser unter dem dicken Eispanzer flüssig und in Bewegung halten. Auffallend sind außerdem die ausgeprägten Linienmuster auf seiner Oberfläche; hier geht man aktuell davon aus, dass es sich um Plattenränder handelt, an denen wärmeres Material aufsteigt – ganz ähnlich wie etwa am Mittelatlantischen Rücken. Jedoch sind viele Theorien widersprüchlich und noch konnte niemand so recht die Geheimnisse von Europa und seines möglicherweise lebensfreundlichen Ozeans ergründen. Derzeit werden Missionen zu Europa diskutiert, um seinen inneren Aufbau zu verstehen und genauer zu beleuchten, ob dort eventuell Leben möglich wäre.

Io und Europa sind spannende kleine Welten, die im Schatten eines gigantischen Planeten existieren und maßgeblich von ihm geprägt werden. Im zweiten Teil beleuchten wir Ganymed und Kallisto, die beiden großen Brüder, die Jupiter weiter draußen umkreisen.
 

Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich insbesondere für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Alle ihre Kolumnen finden Sie hier.

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