7. Mai 2018 2 Likes

Freiwillige Überwachungsanlagen

Die Ausstellung „Faceless“ zeigt wie überwacht wird und wir uns überwachen lassen

Lesezeit: 3 min.

Vielleicht ist es schon zu spät. Vielleicht haben wir uns jahrelang schon viel zu sehr in den Schoß der sozialen Medien begeben, haben uns viel zu vertrauensselig verhalten, viel zu viele Daten preisgegeben, um das Rad der Geschichte noch zurückdrehen zu können. Zumal die immer intensiver geführten Diskussionen über Datenklau, Missbrauch von mehr oder weniger freiwillig offenbarten Daten, dem für und wieder von Facebook, Google etc, auch von einer bemerkenswerten Scheinheiligkeit geprägt sind, die die Widersprüche der Diskussion und des Umgangs mit den Sozialen Medien oft ignoriert.

In gewisser Weise setzt hier die Ausstellung Faceless an, die nach etlichen internationalen Stationen nun in leicht abgespeckter Version in den Räumen der österreichischen Botschaft in Berlin zu sehen ist. Es geht im weitesten Sinne um den Umgang mit Medien, die unausweichliche Offenbarung erheblicher Teile des eigenen Profils, aber auch des eigenen Bildes, die mit der Nutzung all der Dienste einhergeht, die das Leben – machen wir uns nichts vor – erheblich unkomplizierter gemacht haben. Wie kann man nun den Verlust der Anonymität bekämpfen, der mit dieser nur scheinbar unproblematischen Offenheit einhergeht? Die Verschleierung des eigenen Surfverhaltens ist nicht nur für kriminelle Aktivitäten nötig, sondern auch für investigative Journalisten oder ganz einfach für Nutzer, die nicht offenbaren wollen, welche Internetseite sie gerade besuchen. Doch wie steht es mit den allgegenwärtigen Überwachungskameras, die gerade in den Zentren der Hauptstädte praktisch jeden Meter Raum kontrollieren? So omnipräsent sind die Aufnahmen, dass es, wie Manu Luksch Video „The Spectral Children“ zeigt, problemlos möglich ist, ganze Filme zu drehen, die nur aus CCTV-Aufnahmen bestehen. Mit der technologischen Entwicklung wird die Gesichtserkennung noch besser werden, doch bei manchen Menschen ist das gar nicht nötig: Bei Elvis etwa, wie in Karin Fisslthalers Arbeit „Closer“ auf pointierte Weise festzustellen ist. Allein die Frisur reicht hier aus, um zu erkennen, wen man vor sich hat.

Will man dagegen ganz sicher gehen, nicht erkannt zu werden, könnte man sich eine der Masken bestellen, die Martin Backes anbietet. Ob man damit allerdings unauffällig durch die Überwachungsanlagen eines Flughafens oder auch nur einer Bank kommt, darf bezweifelt werden. Denn auch das ist eine Folge der Omnipräsenz der sozialen Medien: Wo fast alles offenbart wird, wird der Versuch, nicht alles zu offenbaren schnell als Versuch interpretiert, etwas zu verheimlichen, was schnell den Verdacht nähert, kriminelle Absichten zu verfolgen. Eine Spirale des Misstrauens bahnt sich hier an, deren Auswucherungen auch die Vorwürfe nährt, dass die Medien nur noch Fake News verbreiten. Wie diese Entwicklung zu stoppen und am besten umzukehren ist wird eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahre sein, um so wichtiger sind Ausstellungen wie Faceless die auf unterschiedlichste Formen der Überwachung und des Kontrollverlust über die eigene Identität hinweisen.

Faceless • Galerie im Österreichischem Kulturforum Berlin • Stauffenbergstr. 1 • Mo. - Fr. 11:00 – 16:00, bis 13. Juni 2018


© Karin Fisslthaler Courtesy: Gallery Raum mit Licht, Vienna


© Maison Martin Margiela, Photo: Frédérique Dumoulin-Bonnet


©  Lisette Appeldorn

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