Liebe per App
Eine neue Leseprobe aus John Marrs' Near-Future-Bestseller „The One“
Als Single hofft man, dass alles im Leben gut wird, wenn man nur erst den richtigen Partner gefunden hat. Dass es aber meistens erst richtig kompliziert wird, wenn man den richtigen Partner gefunden hat, zeigt der britische Autor John Marrs in seinem Roman „The One“ (im Shop) und geht dabei den Abgründen des Online-Datings in der Zukunft auf den Grund. Dass der perfekte Partner am Ende der Welt lebt, ist in diesem hoch spannenden Near-Future-Thriller noch das geringste Problem …
3
Jade
Als eine Nachricht von Kevin auf ihrem Handy aufleuchtete, lächelte Jade.
»Guten Abend, meine Schöne. Geht’s dir gut?«, schrieb er. Ihr gefiel, dass er seine Nachrichten immer mit denselben Worten begann.
»Ja, danke«, antwortete sie und fügte einen gelben Smiley hinzu. »Bin allerdings ziemlich gerädert.«
»Entschuldige, dass ich mich erst jetzt melde. War viel los heute. Bist du sauer?«
»Ein bisschen schon, aber du weißt ja, wie schnell ich eingeschnappt bin. Was hast du gemacht?«
Auf dem Display erschien ein Foto, das einen hölzernen Stall und einen Traktor im hellen Sonnenlicht zeigte. Im Inneren des Stalls waren hinter Metallgittern undeutlich Kühe zu erkennen, deren Euter an die Melkmaschine angeschlossen waren.
»Hab das Dach des Kuhstalls repariert. Sie haben zwar keinen Regen angesagt, aber jetzt ist es wenigstens erledigt. Und du?«
»Ich lieg im Schlafanzug im Bett und schau mir auf der Website von Lonely Planet diese schrägen Hotels an, von denen du mir erzählt hast.« Jade stellte den Laptop auf den Boden und betrachtete die Pinnwand, an der Bilder von all den Orten versammelt waren, die sie sehen wollte.
»Da sind tolle Sachen dabei, oder? Irgendwann machen wir zusammen eine Weltreise und schauen uns das alles an.«
»Wenn ich diese Bilder sehe, ärgere ich mich wieder, dass ich mir nach der Uni nicht ein Jahr Auszeit genommen habe. Einfach den Rucksack packen und mit ein paar Freunden losziehen.«
»Und warum hast du es nicht getan?«
»Warum wohl, blöde Frage. Da, wo ich herkomme, fällt das Geld nicht vom Himmel.« Leider, dachte sie. Ihre Eltern waren alles andere als gut betucht, sodass sie für ihr Studium einen Kredit hatte aufnehmen müssen. Also musste sie jetzt einen Schuldenberg abtragen, der höher war als der Currock Hill, während sich ihre ehemaligen Kommilitonen einen Traum erfüllten und durch Amerika reisten. Die Flut der Facebook-Posts mit all den Fotos, auf denen sie sich ohne sie prächtig amüsierten, machte sie regelmäßig wütend.
»Ich muss jetzt leider Schluss machen, Schatz. Soll meinem Dad mit dem Futter helfen. Schreiben wir uns später?«
»Soll das ein Witz sein?«, fragte Jade. Sie war sauer, dass ihre gemeinsame Zeit schon wieder vorbei sein sollte, nachdem sie den ganzen Abend darauf gewartet hatte, mit Kevin zu chatten.
»Hab dich lieb, xxx«, schrieb Kevin.
»Na gut«, antwortete sie und legte das Handy weg. Kurz darauf schickte sie hinterher: »Hab dich auch lieb, xxx.«
Jade schlug die dicke Bettdecke zurück und legte ihr Handy auf die Ladematte auf dem Nachttisch. Sie betrachtete sich in ihrem Ganzkörperspiegel, an dessen Rahmen sie Fotos ihrer Freunde geklebt hatte, die gerade auf Reisen waren, und schwor sich, öfter auszuschlafen und mehr Wasser zu trinken, damit die dunklen Ringe unter ihren blauen Augen verschwanden. Sie nahm sich vor, ihre roten Locken am Wochenende wieder in Form bringen zu lassen und sich mit einem Bräunungsspray zu verwöhnen. Sie fühlte sich jedes Mal schlagartig besser, wenn ihre blasse Haut etwas Farbe bekam.
Sie schlüpfte wieder unter die Decke und fragte sich, ob ihr Leben anders verlaufen wäre, wenn sie sich diese gemeinsame Auszeit mit ihren Freunden genommen hätte. Vielleicht hätte sie dem Druck ihrer Eltern dann widerstehen können, die darauf gedrängt hatten, dass sie nach den drei Jahren in Loughborough wieder zurück nach Sunderland kam. Sie war die Erste in ihrer Familie gewesen, die studiert hatte, und ihre Eltern verstanden nicht, dass ihr die Arbeitgeber nicht die Tür einrannten, sobald sie ihren Abschluss in der Tasche hatte. Und weil die Abrechnungen der Kreditkarte und die Rückzahlungen für das Studiendarlehen nicht weniger wurden, war ihr nichts anderes übriggeblieben, als entweder mit einundzwanzig Jahren Privatinsolvenz anzumelden oder zurück in das Reihenhaus ihrer Eltern zu ziehen, von dem sie eigentlich geglaubt hatte, es endgültig hinter sich gelassen zu haben.
Es gefiel ihr nicht, dass sie so frustriert und missmutig geworden war, aber sie hatte auch keine Ahnung, was sie dagegen tun sollte. Sie nahm es ihren Eltern übel, dass sie sie zurückgeholt hatten, und ging immer mehr auf Distanz zu ihnen. Als Jade sich dann eine eigene Wohnung leisten konnte, sprachen sie kaum noch miteinander. Außerdem machte sie sie dafür verantwortlich, dass sie keine Karriere im Tourismussektor eingeschlagen hatte, sondern ihre Tage an der Rezeption eines Hotels am Stadtrand fristete. Der Job hatte nur eine Übergangslösung sein sollen, war im Lauf der Zeit dann aber zur Gewohnheit geworden. Jade hatte es satt, andauernd auf alle Leute wütend zu sein, und sehnte sich nach dem Leben, von dem sie eigentlich geträumt hatte.
Täglich grüßte nun also das Murmeltier, und ihr einziger Lichtblick war der Austausch mit dem Mann, mit dem Match Your DNA sie zusammengebracht hatte: Kevin.
Lächelnd blickte sie zu dem letzten Foto hinauf, das sie von ihm hatte. Sie hatte es eingerahmt und auf dem Bücherregal platziert. Seine Haare und Augenbrauen waren fast weißblond, er strahlte über das ganze Gesicht, war schlank, aber muskulös – und braun gebrannt. Sie hätte sich keinen schöneren Mann vorstellen können.
In den sieben Monaten, die sie nun in Verbindung waren, hatte er ihr nur eine Handvoll Bilder geschickt, aber als sie das erste Mal telefoniert hatten, war Jade der Schauer über den Rücken gelaufen, von dem sie in Zeitschriften so oft gelesen hatte, und sie hatte sofort gewusst, dass es auf der ganzen Welt keinen Mann gab, der besser zu ihr passte.
Das Schicksal konnte ungerecht sein, und zu ihr war es besonders grausam, weil es dafür gesorgt hatte, dass ihr Match am anderen Ende der Welt lebte, in Australien. Aber sie hoffte weiter, ihn eines Tages zu treffen – falls sie es sich jemals leisten konnte.
John Marrs: „The One – Finde dein perfektes Match“ • Roman • Aus dem Englischen von Felix Mayer • Wilhelm Heyne Verlag, München 2019 • 496 Seiten • Preis des E-Books € 4,99 (im Shop)
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