Happy Pride, happy read! Teil 2
Fantastisch queere Comics und Manga von Tillie Walden, James Tynion IV, Michael Dialynas, Dion MBD, David Levithan, Aonoshimo, Hanagata, Inori ‒ und vielfältig bunte Geschichten mit Superheld:innen
Wer derzeit in den Buchläden stöbert, dem sind sie vielleicht schon aufgefallen, die Regenbogentische mit Comics und Romanen, die sich der Vielfalt der Liebe und des Lebens widmen. Zum Pride-Month im Juni blicken auch wir auf Geschichten, die die queere Selbstachtung, Kultur und Gemeinschaft feiern – und uns mit ihrem mitreißenden Storytelling begeistern. (Hier Teil 1)
Alles von Tillie Walden
Ein Feature mit queeren Comics ohne Tillie Walden? Ein Unding! Spätestens seit der autobiografischen Graphic Novel „Pirouetten“ (Reprodukt) ist die US-Amerikanerin eine feste Größe in der Comicszene. Sowohl in ihrem mit dem Eisner Award gekrönten Comic als auch in ihren anderen Werken setzt sie sich damit auseinander, was es bedeutet, queer zu sein. Und oftmals geschieht dies in einem fantastischen Setting: im magischen Realismus von „West, West Texas“ (Reprodukt), im matriarchalen Universum von „Auf einem Sonnenstrahl“ (Reprodukt) oder in der Zombieapokalypse des „The Walking Dead“-Spin-offs „Clementine“ (Cross Cult, zur Kurzreview). Beeindruckende, lesenswerte Geschichten über junge Frauen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen.
Tillie Walden: Auf einem Sonnenstrahl • Aus dem Englischen von Barbara König • Reprodukt, Berlin 2021 • 544 Seiten • € 29,00
„Wynd“ von James Tynion IV und Michael Dialynas
In einer Stadt, in der Magie verboten ist, hat es ein Junge besonders schwer: Wynd hat magisches Blut und ist unsterblich in Thorn, den Sohn des Gärtners, verliebt. Die jugendliche Schwärmerei könnte immer so weiter gehen, wäre da nicht der König, der vor seinem Tod eine letzte große Säuberung vornehmen möchte. Das Ziel: Pipetown soll ein für alle Mal von der vermeintlich krankmachenden Magie befreit werden. Also muss Wynd fliehen – ausgerechnet mit dem versnobten Prinzen und seinem Schwarm Thorn. „Wynd“ ist eine actionreich erzählte queere Coming-of-Age-Geschichte voller Magie, liebenswerter Figuren und Bösewichten, die einem Albtraum entsprungen sein könnten. Dass diese Mischung überzeugt, ist kein Wunder, denn Comicautor James Tynion IV („Something Is Killing The Children“) und Zeichner Michael Dialynas („Teenage Mutant Ninja Turtles“) sind seit „The Woods“ ein eingespieltes Kreativ-Duo. Einziger Wermutstropfen: Carlsen hat bislang nur drei Bände des Comics veröffentlicht. Wer wissen will, wie die Geschichte über Toleranz und Liebe weitergeht, muss vorerst zum englischsprachigen Original greifen.
James Tynion IV, Michael Dialynas: Wynd • Aus dem Englischen von Stefanie Walther-Kotzé • Carlsen Comics, Hamburg 2023-2024 • je 112 bis 144 Seiten • je € 16,00
„Every Day. Letztendlich sind wir dem Universum egal“ von Dion MBD und David Levithan
Es gibt sie noch, die Longseller unter den Kinder- und Jugendbüchern, die nicht von Astrid Lindgren, Rick Riordan oder Cornelia Funke stammen. David Levithans erstmals 2012 auf Englisch erschienener Roman „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ zählt zu diesen Kassenschlagern. Vermutlich war es nur eine Frage der Zeit, bis diese etwas andere Liebesgeschichte eine Comic-Adaption erhält. „Every Day. Letztendlich sind wir dem Universum egal“ hält sich dabei nahe am Roman, wenn auch in gekürzter Form. Leser:innen folgen auch hier dem geheimnisvollen A., der jeden Morgen im Körper eines anderen Mädchen oder Jungen aufwacht und das Leben dieser Person lebt – ohne dass sie davon etwas ahnt. Als er sich in Rhiannon verliebt, ist dies der Auftakt für eine bittersüße Romanze. Und die zeigt, dass der Körper des Anderen eine untergeordnete Rolle in der Liebe spielen kann.
Dion MBD, David Levithan: Every Day. Letztendlich sind wir dem Universum egal • Aus dem Englischen von Martina Tichy • Fischer KJB, Frankfurt/Main 2024 • 208 Seiten • € 19,90
„I’m in Love with the Villainess“ von Aonoshimo, Hanagata, Inori
Wer regelmäßig Videospiele zockt, stand in einem Game vielleicht schon einmal vor einer folgenschweren Entscheidung: Mit welchem Single soll man eine Romanze eingehen? Und mancheine:r ertappt sich dabei, dass das andere Geschlecht mitunter erschreckend platt daher kommen kann. Als Rei Oohashi stirbt – und in bester Isekai-Manier – in ihrem Lieblingsgame „Revolution“ wiedergeboren wird, fackelt sie daher nicht lange. Die drei Prinzen lässt sie links liegen, denn sie will das Herz von Claire François erobern – der Rivalin in dieser Dating-Simulation. Rei weicht Claire vom ersten Tag an nicht mehr von ihrer Seite und nutzt die Spielemechanik zu ihren Gunsten. Damit bringt sie nicht nur das Leben an der elitären Kronakademie durcheinander, sondern auch die Gefühlswelt von Fräulein Claire. „I’m in Love with the Villainess“ ist ein fantastischer, äußerst unterhaltsamer Spaß über Freundschaften, Rivalitäten und Liebe.
Aonoshimo, Hanagata, Inori: I’m in Love with the Villainess • Aus dem Japanischen von Christina Rinnerthaler • Manga Cult, Ludwigsburg seit 2023 • je ca. 180 Seiten • je € 10,00
Bonus: „Marvel Pride“ und „DC Pride“
Wenn Superheld:innen eines eint, dann ihre Vielfalt: Unabhängig von Herkunft, Religion und Geschlecht kämpfen sie allein oder gemeinsam gegen das Böse, das die Menschheit bedroht. Entsprechende Strahlkraft hat es, wenn die Recken offen damit umgehen, wenn sie lieben. Damit werden sie für viele queere Jugendliche und (junge) Erwachsene zum Vorbild. Was diese Seite der Held:innen auszeichnet, beleuchten die beiden Sammelbände „Marvel Pride. Vielfalt der Liebe“ und „DC Pride. Vielfalt der Liebe“. Mit dabei sind viele alte Bekannte wie Loki und Wiccan, Harley Quinn und Poison Ivy, aber auch Batwoman und Gwenpool. Eine lesenswerte Zusammenstellung von Kurzcomics, die die Liebe feiern.
Alyssa Wong, Stephen Byrne, u. a.: Marvel Pride. Vielfalt der Liebe • Aus dem Amerikanischen von Josef Rother • Panini, Stuttgart 2025 • 156 Seiten • € 20,00
Phil Jimenez, Grant Morrison, u. a.: DC Pride. Vielfalt der Liebe • Aus dem Amerikanischen von Carolin Hidalgo • Panini, Stuttgart 2025 • 236 Seiten • € 29,00
P. S: Noch nicht genug Comics auf dem Lesestapel? Wer gerne digital und auf Englisch liest, der kann zum Pride-Month auch einmal Webcomicplattformen wie Webtoons, Tappytoons oder Tapas einen Besuch abstatten. Dort veröffentlichen viele unabhängige Kreative ihre Geschichten, die optisch und erzähltechnisch mit den großen Verlagsveröffentlichungen durchaus mithalten können. Reinschauen lohnt sich.
Abb. ganz oben aus „Auf einem Sonnenstrahl“ von Tillie Walden, Reprodukt
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