16. Mai 2015 1 Likes

„Star Citizen“, quo vadis?

Die Entstehung eines Weltraum-Games, erzählt in Form von Raumschiffen und Fettnäpfchen

Lesezeit: 4 min.

Star Citizen, einst ein Kickstarter-Projekt des bekannten Weltraum-Shooter-Produzenten Chris Roberts mit dem Ziel, das größte und detaillierteste Multiplayer-Rollenspiel in der Geschichte des Computerspiels zu werden, hat durch den Vorabverkauf von Spiel-Paketen mittlerweile mit stolzen 76 Millionen Dollar nicht nur die größte Summe eines durch Crowdfunding finanzierten Spiels erwirtschaftet. Es kann sich zudem bei über 850 000 Sternenbürgern auf eine der größten Sponsorgemeinschaften stützen, die je ein derartiges Projekt finden konnte.

Seit 2012 sammelt Chris Roberts’ Firma Cloud Imperium Games nun schon die nötigen Mittel, um ein von jeglichen großen Spiele-Publishern unabhängiges, auf modernster Technologie baiserendes Massives-Multiplayer-Spiel zu erschaffen. In der ganzen Geschichte gibt es nur einen kleinen Haken: Veröffentlicht wurden bislang höchstens ein Hangar-Modul, in dem man sich die bereits erstandenen Schiffe anschauen, keineswegs jedoch fliegen kann, sowie ein Dogfighting-Modul, welches einige wenige Raumjäger unterstützt und daher höchstens einen Hauch von einer Idee vermittelt, was eines Tages aus dem ganzen, vorwiegend über Youtube zelebrierten Spektakel einmal werden könnte. 

Star Citizen

Das eigentliche Multiplayer-Universum mit Hunderten anfliegbaren Planeten, Raumstationen, Asteroidenfeldern, Aliens, Piraten, Händlern, Geheimorganisationen etc.? Fehlanzeige. Die seit langem angekündigte, über 30 Missionen umfassende Einzelspielerkampagne Squadron 42? Keine Spur. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass neuerdings in den Foren rund um das ambitionierte Projekt eine große Frage kursiert: Ist Star Citizen wirklich der Griff nach den virtuellen Sternen, oder doch eher der berühmt berüchtigte Griff ins reale Klo?

So zumindest dürfte es Chris Baker, Redakteur des Online-Magazins WIRED sehen, welcher kürzlich in seinem Artikel das Spiel und seine Entwicklung einem vernichtend kritischen Blick untertzogen hat. Baker kritisiert, dass die Entwickler von Star Citizen zwar viel Mühe in die Produktion von In-game-Werbespots, die Entwicklung neuer, käuflicher Schiffe investieren und Chris Roberts eine hervorragende Marketing-Kampagne auf die Beine gestellt hat, ihren Unterstützern jedoch bislang einen eher halbherzig entwickelten und unter den Schwächen einer Beta leidenden Ausschnitt des versprochenen Projekts geliefert haben.

Vor wenigen Monaten folgte ferner ein groß angekündigtes Update, welches trotz seiner monströsen, stundenlange Download-Zeiten erfordernden Größe und dem vielversprechenden Namen Star Citizen 1.1 keine spürbaren Veränderungen, geschweige denn irgendwelche Neuheiten mit sich brachte. Der in Internetkreisen bekannte Youtuber „The Mighty Jingles“ bezeichnete in seiner Review des Updates die Veröffentlichung zurecht als „distinctly underwhelming“ und traf damit sicherlich den Nagel auf den Kopf. Andererseits, so Jingles weiter, solle man sich als Unterstützer des Spiels auch nicht per se als ungerecht behandelt fühlen, da man – mit Verweis auf die AGBs von Roberts Space Industries – das Spiel nicht gekauft, sondern lediglich unterstützt hat. Dass man später kostenfreien Zugang zum Spiel selbst und den mit dem jeweiligen Paket erstandenen Inhalten haben soll, ist lediglich die Belohnung für die Unterstützung des Projekts. Ein Anspruch auf ein baldiges Erscheinen, geschweige denn auf eine fehlerfreie Tech-Demo ist damit nicht impliziert.

Chris Roberts (Star Citizen)

An diesem Punkt sollte man sich die folgende Frage stellen: Kann man es Roberts Space Industries oder Chris Roberts vorwerfen, dass er drei Jahren nach dem Start der Marketing-Kampagne noch kein Endprodukt auf den Markt geworfen hat? Baker bemerkt, dass Chris Roberts bislang nichts anderes unternommen hat, als seinen Unterstützern durch Videos, kurzweilige Raumkämpfe im Trainingssimulator und die kontinuierliche Dokumentation der Arbeit seiner Entwicklerstudios Vorstellungen davon zu vermitteln, wie Star Citizen in ein paar Monaten oder auch in ein paar Jahren mal aussehen könnte. Es wird sicherlich noch einige Zeit dauern, bis das Universum von Star Citizen spielbar sein wird, und selbst dann, so gab Chris Roberts selbst zu, werde es weiterhin ergänzt und ausgebaut werden.

Vergleicht man dies mit der Produktion und Veröffentlichung vergleichbarer PC-Blockbuster von Spiele-Publishern wie Electronic Arts oder Ubisoft, welche Spiele wie die der Battlefield-Reihe, der Assassinʼs-Creed-Reihe oder anderer bekannter Titel teilweise unvollständig und bis zur Unspielbarkeit verbuggt auf den Markt hauen, um dann noch mit kostenpflichtige Erweiterungen ihren Kunden weiteres Geld aus den Taschen zu ziehen, so ist es doch schon fast erfreulich, wenn sich ein unabhängiger Produzent dazu entschließt, seine Kunden etwas länger warten zu lassen, um ihnen dann zumindest schon einmal eine funktionierende Basisversion seines Spiels zu präsentieren, die im Laufe der Zeit weiter durch nicht-exklusive Inhalte erweitert werden könnte.

Star Citizen

Natürlich hat der Entwickler Kritikern wie Chris Baker mit der Veröffentlichung eines gewaltigen Patches ohne nennenswerte Änderungen unter dem nicht ganz nachvollziehbaren Namen Star Citizen 1.1 einen Bärendienst erwiesen; man hätte es – so auch Jingles – als Dogfight-Modul 1.1 bezeichnen müssen. Berechtigt das die Unterstützer, ihr Geld zurückzuverlangen? Wohl eher nicht. Hat Star Citizen die hohen Erwartungen, die darauf gesetzt wurden, enttäuscht? Ganz sicherlich nicht, denn es wurde noch nicht einmal veröffentlicht.

Dass Chris Roberts bei der Entwicklung seines Traums unkonventionelle Wege geht, dafür ist die gesamte Finanzierung des Unternehmens das beste Beispiel. Die Sorge aber, das Vorhaben würde sich letzten Endes im Sande verlaufen, erscheint beim jetzigen Entwicklungsstand und der Tatsache, dass vier Studios an Star Citizen beteiligt sind, als unbegründet. Er werde nicht das Traumspiel eines jeden produzieren können, so Chris Roberts, aber sein Team werde etwas erschaffen, mit dem die Spieler glücklich werden sollen und was so lange fortgesetzt und ausgebaut wird, wie sich die Leute dafür begeistern können. Und bis dies der Fall sein wird, bleibt den Unterstützern nichts anderes übrig als die Vorstellung davon, wie das Spiel, das sie gesponsort haben, in naher Zukunft aussehen wird – und selbstverständlich die Vorfreude.

Star Citizen

Weitere Infos über Star Citizen finden sich auf der Spiel-eigenen Seite robertsspaceindustries.com. Und eine weitere Geschmaksprobe liefert einer der neuestern Trailer:

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