14. März 2016 3 Likes

Start zum Mars

Heute hob die ExoMars-TGO-Mission der ESA und Roskosmos zum roten Planeten ab

Lesezeit: 6 min.

Um 10:31 legte die russische Proton-M-Rakete einen wahren Bilderbuchstart vom Weltraumbahnhof Baikonur hin. An Bord: Der ExoMars Trace Gas Orbiter und der Lander Schiaparelli. In etwa zehn Stunden wird sich die Sonde von der letzten Raketenstufe lösen, die Solarzellen ausfahren und sich auf den Weg zum Mars machen (warum das so lange dauert, erklärt Daniel Scuka vom ESOC Darmstadt in einem Blogbeitrag). In den nächsten sechs Wochen testen die Missionsteams die an Bord befindlichen Instrumente, dann geht die Sonde in die sogenannte „cruise phase“ über: die gewaltige Entfernung zum Mars, rund 500 Millionen Kilometer, wird dabei antriebslos zurückgelegt, das spart Treibstoff. Ende Juli wird es dann erneut kritisch: Der Trace Gas Orbiter wird seine Raketen zünden, um Flugrichtung und Geschwindigkeit so zu ändern, dass er am 19. Oktober den roten Planeten erreicht. Dort wird er das Landemodul Schiaparelli absetzen und dann in einen Orbit gehen, um die Marsatmosphäre genauer zu untersuchen.

Schiaparelli und der TGO sind die erste von zwei gemeinsamen Mars-Missionen der ESA und Roskosmos. Das oberste Missionsziel: Herausfinden, ob es jemals Leben auf dem Mars gegeben haben könnte, und ob dieses Leben heute noch vorhanden sein könnte. Das „Exo“ in ExoMars steht also für „Exobiologie“, der Suche nach nicht-irdischen Leben. Der erste Teil der Mission ist der heute gestartete Trace Gas Orbiter (TGO) und das Landemodul Schiaparelli.

Schiaparelli soll sich bereits am 16. Oktober vom TGO trennen und am 19. Oktober in einer Höhe von rund 121 Kilometern und mit einer Geschwindigkeit von gut 21 000 Kilometern pro Stunde in die Marsatmosphäre eintreten. In den nächsten drei bis vier Minuten wird Schiaparelli von der Atmosphäre gebremst. Die dabei entstehende Reibungshitze soll von einem Hitzeschild abgehalten werden. Sobald die Geschwindigkeit bei „nur“ noch 1700 Kilometern in der Stunde liegt und Schiaparelli eine Höhe von 11 Kilometern über der Marsoberfläche erreicht hat, werden Bremsfallschirme ausgelöst. Danach wird alles, was vom Hitzeschild noch übrig ist, abgesprengt. Der Fallschirm wird Schiaparelli auf 250 km/h abbremsen, dann wird auch er abgesprengt, sodass das Landemodul drei Hydrazinraketen zünden kann, die die Geschwindigkeit weiter verringern. Durch Radarmessungen bestimmt das Modul konstant die Entfernung zur Oberfläche, sodass es in einer Höhe von zwei Metern mittels der Raketen soweit abbremsen kann, dass es einige Sekunden lang praktisch schwebt. Dann schaltet es die Raketen ab und legt die letzten beiden Meter zur Oberfläche im freien Fall zurück. Die Aufprallgeschwindigkeit wird nur wenige Meter in der Sekunde betragen. Die Wucht des Aufschlags wird von einer speziell entwickelten Materialschicht abgefangen, die ähnlich wie eine Knautschzone im Auto wirkt. Sie soll verhindern, dass das Innenleben des Landemoduls beschädigt wird. Dieser ganze Vorgang wird weniger als sechs Minuten lang dauern, und während der ganzen Zeit wird Mars Express, der bereits seit 2003 um den roten Planeten kreist, sozusagen ein Auge auf Schiaparelli haben. Schiaparellis Landezone liegt im Meridiani Planum, einer Tiefebene auf Äquatorhöhe, durch die der marsianische Nullmeridian verläuft. Weil die Ebene so tief liegt, ist die Atmosphäre dort dicht genug, dass das Abbremsen mit einem Hitzeschild überhaupt funktionieren kann. Schiaparelli wird, wenn alles gut geht, der Raumsonde Opportunity Gesellschaft leisten, die seit 2004 die Gegend um den Eagle Krater erforscht.

Während Schiaparelli landet, wird der Trace Gas Orbiter zwei Stunden lang sein Haupttriebwerk für den Eintritt in den Marsorbit zünden, denn die Sonde muss langsamer werden, um in eine stabile Umlaufbahn zu kommen. Zuerst ist diese Umlaufbahn allerdings noch sehr „exzentrisch“, das bedeutet, dass der TGO in einer langgezogenen Ellipse um den Mars kreist und seine Bahn erst nach und nach anpasst. Diesen ersten Orbit hat das Missionsteam „4-Sol-Orbit“ getauft, weil der TGO vier Marstage für eine Umrundung braucht. Dabei variiert die Höhe über der Marsoberfläche zwischen wenigen Hundert Kilometern und rund 100 000 Kilometern. Den angestrebten 1-Sol-Orbit und die optimale Höhe von 400 Kilometern soll der TGO dann zwischen Januar und November 2017 mit mehreren Aerobreaking-Manövern erreichen – das erste Mal, dass die ESA diese Technik um einen anderen Planeten anwenden wird. Der TGO wird dabei kurzzeitig in die obersten Schichten der Atmosphäre eintreten, um durch die Reibung abzubremsen. Diese Technik ist zwar aufgrund der auftretenden Belastungen, vor allem für die Solarpaneele, und wegen der geringen Fehlertoleranz bei den Berechnungen riskant, aber damit spart sich die Europäische Weltraumagentur auch eine Menge Treibstoff für Bremsraketen – eine Gewichtseinsparung, die der wissenschaftlichen Nutzlast zugutegekommen ist. Beim Eintauchen in die Atmosphäre soll der TGO erste Messungen vornehmen.

Die Hauptaufgabe des TGOs ist die Suche nach Methan und anderen Spurengasen in der Atmosphäre, die auf aktive biologische oder geologische Prozesse hinweisen könnten. Auf der Erde kommt Methan in natürlichen Kohlenwasserstoffreservoiren vor, und auch vulkanische und hydrothermale Aktivitäten setzen es aus dem Erdinneren frei. Doch die Hauptproduzenten dieses Spurengases sind Lebewesen – wir Menschen und Tiere. 2003 wurde Methan auch auf dem Mars entdeckt. Die ultraviolette Strahlung der Sonne, die die Marsoberfläche nahezu ungehindert erreicht, zersetzt das Methan, sodass es eine relativ geringe Lebenszeit von rund 400 Jahren hat. Winde sollten eigentlich dafür sorgen, dass das Methan in der gesamten Atmosphäre verteilt wird und überall in etwa derselben Konzentration vorhanden sein sollte. Doch die Methankonzentration auf dem Mars scheint starken lokalen und temporalen Schwankungen unterworfen zu sein; es bilden sich zu bestimmten Zeiten quasi Methan-„Hotspots“, die nach einer Weile wieder verschwinden. Das würde bedeuten, dass es eine „Methanquelle“ auf dem Mars geben muss, die dafür sorgt, dass dieses Gas immer wieder freigesetzt wird – andernfalls wäre 400 Jahre nach dem letzten Vulkanausbruch Schluss gewesen. Die Orbiter und Rover, die bereits auf dem oder im Orbit um den Mars ihren Dienst tun, sind jedoch nicht mit den richtigen Messinstrumenten ausgestattet, um dem Methan-Rätsel auf den Grund gehen zu können. Das soll sich mit dem TGO ändern: er ist in der Lage, Methan und andere Spurengase auch noch in geringen Konzentrationen festzustellen, seine Quellen aufzuspüren und sogar zu unterscheiden, ob das gefundene Methan bei organischen oder geologischen Prozessen entstanden ist.

Eine mögliche geologische Erklärung für die Schwankungen in der Methankonzentration wäre die Serpentinisierung, eine unter der Oberfläche ablaufender Prozess, bei dem olivinhaltiges Gestein mit Wasser interagiert. Auf dem Mars könnte das in wärmeren, also vulkanisch aktiven Gegenden stattfinden. Bisher gingen die Wissenschaftler davon aus, dass der Mars geologisch inaktiv ist. Methan könnte das Gegenteil beweisen. Alternativ ist es auch möglich, dass das Methan bereits vor langer Zeit produziert, dann aber in bestimmten Hydraten, den sogenannten Clathraten, einer kristallinen Struktur, die an Eiskristalle erinnert, eingelagert wurde, und erst heutzutage wieder freigesetzt wird. Eine biologische Erklärung für die Schwankungen der Methankonzentration wäre, dass es sich dabei um das Stoffwechselprodukt von Mikroorganismen handelt, die unter der Marsoberfläche, gut geschützt vor der Strahlung, überleben. Durch eine genauere Bestimmung, wann und wo die Methankonzentration steigt und fällt, soll der TGO dabei helfen, das wahrscheinlichste Szenario zu bestimmen.

ExoMars 2016 bereitet außerdem die zweite Mission, ExoMars 2018, vor, bei der ein Rover auf der Marsoberfläche abgesetzt werden soll. Der Rover ist mit einem Bohrer ausgerüstet, der bis in zwei Meter Tiefe Bodenproben entnehmen kann, die dann im bordeigenen Labor untersucht werden. Unterirdische Gesteinsproben enthalten möglicherweise sogenannte Biomarker, Hinweise auf Leben, das direkt auf der Oberfläche aufgrund der hohen Strahlung nach allem, was wir wissen, nicht gedeihen kann. Außerdem wird ein russisches Mini-Labor auf dem Mars abgesetzt. Für diese beiden Missionen soll der TGO als Funkrelais dienen.

Mehr Informationen zur ExoMars-Mission finden Sie hier.

Quelle/Bilder/Videos: ESA

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