1. März 2015 3 Likes

Retro-Science-Fiction und High-Tech-Roboter

Ein Interview mit dem neuseeländischen Konzeptkünstler Greg Broadmore

Lesezeit: 8 min.

Am 5. März ist es soweit: mit „CHAPPiE“ erscheint der neueste Film des Südafrikaners Neill Blomkamp in den deutschen Kinos. Mit beteiligt an dem Design des Roboters war auch Greg Broadmore. Der Neuseeländer arbeitet als Konzeptkünstler für die durch ihre „Herr der Ringe“-Spezialeffekte bekannt gewordene Firma Weta Workshops und war für Blomkamps aufregendes Debüt „District 9“ als leitender Konzeptdesigner tätig. Mit diezukunft.de sprach Greg Broadmore über seine Arbeit, seine Leidenschaft für Roboter und seinen Retro-Science-Fictioncomic „Dr. Grordborts glorreicher Wegweiser zum Triumph“.


© Weta Workshop Ltd / Foto: Steve Unwin

Hallo Greg, danke, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben!

Für Film- und Sci-Fi-Fans liest sich Ihr Portfolio beeindruckend. Sie haben u. a. an „King Kong“, „Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn“, der „Narnia“-Trilogie und „Godzilla“ mitgearbeitet. Bei „District 9“ waren Sie sogar der leitende Konzeptkünstler. Wann haben Sie das Zeichnen und Entwerfen phantastischer Wesen und Gerätschaften für sich entdeckt?

Ich begann mit dem Zeichnen und Entwerfen als ich drei oder vier Jahre alt war. Soweit ich mich erinnere waren die ersten Sachen, die ich zeichnete, tatsächlich phantastische Kreaturen und Maschinen! Als ich ein kleiner Junge war regten Dinosaurier meine Phantasie an (und sie tun es bis heute!); dann waren da noch Panzer, Soldaten und Gewehre! Ha, ha! Ich war ein einfacher Junge und ich bin nun ein ziemlich einfacher Erwachsener. Dinosaurier, die gegen Panzer kämpften erschienen mir bald als eine grandiose Idee. Ich zeichnete gewaltige Szenerien mit Buntstiften auf Kartonpapier, das mir mein Großvater von der lokalen Papierfabrik mitbrachte. Hierin stürmten T-Rex und Triceratops gegen eine Unmenge von Soldaten und Panzern an, wobei es überall zu Explosionen kam.

Gibt es besondere Inspirationen für Ihre Arbeit, die Sie schon seit Ihrer Kindheit hatten?

Abgesehen davon, dass ich mich von coolen, realen, weltlichen Dingen inspirieren ließ, gab es da noch erstaunliche Tiere wie Dinosaurier, oder unglaubliche menschliche Erfindungen wie Kriegsmaschinen. Als ich älter wurde war ich geradezu besessen von Sci-Fi-Sendungen im Fernsehen. Zu meinen frühesten Erinnerungen gehört das Anschauen der schwarz-weißen Folgen von „Flash Gordon“, „Tarzan“, und „King Kong“ – also die Serien und Filme der 1930er Jahre. Später war ich verrückt nach „Star Wars“ und Comics wie „2000AD“, besonders nach „Judge Dredd“.

Wie verlief Ihre Karriere, bevor Sie 2002 zu Weta Workshops stießen?

Nachdem ich die Schule beendet hatte war ich nicht mehr an Kunst interessiert, oder besser gesagt, längst nicht mehr so angetrieben von ihr wie zuvor, und ich wollte unbedingt Musik machen. Ich begeisterte mich für Bands wie die Dead Kennedys, Black Flag, GBH und Napalm Death. Dadurch driftete ich ziemlich weit ab von der Kunst und spielte in Bands, veröffentlichte sogar ein paar Alben. Die Musik nimmt immer noch einen großen Platz in meinem Leben ein. Doch vom Spielen in schäbigen Punkbands kannst du in Neuseeland nicht leben, also war ich für sieben Jahre arbeitslos und lebte von der Stütze. Wie ich bereits sagte war ich sehr produktiv – ich tourte durch das ganze Land und veröffentlichte Alben. Aber ich hatte mich mit einem Leben in der Arbeitslosigkeit abgefunden. Ich fand allmählich zurück zu Comics und Kunst. Doch Neuseeland ist ein kleines Land – es hatte 3,5 Millionen Einwohner als ich erwachsen wurde. Daher wusste ich, dass es keine Chance auf eine Karriere als Comickünstler oder Illustrator für Phantastisches gab. Jeder Neuseeländer, der Comics oder Fantasy-/Sci-Fi-Kunst entwerfen und Karriere machen wollte, musste das Land verlassen.


District 9

Dummerweise tat ich das und verlor dadurch meinen Anspruch auf jedwede Unterstützung. Also musste ich alles Erdenkliche tun, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. So verkaufte ich den Großteil meiner Habe, um die Miete bezahlen zu können. Ich landete schließlich in Wellington, wo ich Kinderbücher machte, die hauptsächlich einem pädagogischen Zweck dienten. Es war eine gute Lernerfahrung, und ich war unglaublich dankbar für die Arbeit, aber es war nichts für mich. Ich war auf diesem Gebiet grottenschlecht. Dann kamen die „Herr der Ringe“-Filme und es war wie eine Offenbarung – es dämmerte mir, dass ich an einem Ort arbeiten konnte, der Fantasy-Filme produzierte. Also schrieb ich an Weta Workshop, traf Richard Taylor (der inzwischen ein guter Freund und Geschäftspartner von mir ist) und ein paar Wochen später hatte ich den Job. Zugegebenermaßen hatte ich dabei viel Glück.

Können Sie uns etwas über Ihren Arbeitsalltag bei Weta erzählen?

Die ersten fünf oder sechs Jahre in meiner Zeit bei Weta bestand darin, tagaus, tagein Konzepte zu entwerfen: das Zeichnen und Entwerfen von ungeheuerlichen und doch geerdeten Konzepten für Filme. 2007 erfand ich die Welt von Dr. Grordbort. Wir präsentierten unsere ersten drei Strahlenpistolen und gingen damit ganz neue Wege. Von da an schrieb und zeichnete ich den ersten Dr. Grordbort Comic, das „Kontrapulatronisches Dings-Verzeichnis“, das nun Teil der bei Cross Cult erschienenen Gesamtausgabe „Dr. Grordborts glorreicher Wegweiser zum Triumph“ ist. Von da an begann ich das Dr. Grordbort-Universum zu erweitern: Sammelfiguren herstellen; eine Wanderausstellung organisieren; Ausflüge in die Videospiel-Industrie mit meinen Freunden bei Valve unternehmen, wo  Dr. Grordbort-Items für „Team Fortress 2“ entstanden; und nun bin ich ganz aufgeregt, weil ich die Entwicklung meines eigenen Videospiels leiten und designen kann. Die Basis hierfür ist das Dr. Grordbort-Universum.

Meine tagtägliche Arbeit besteht aus dem Schreiben des Videospieldrehbuchs, der Bewertung des Designs, der Spielführung, dem Organisieren des Budgets, der Arbeiten mit Schauspielern, dem Beantworten und Schreiben vieler eMails, etc. Ich kann euch sagen, dass es viel einfacher war, Bilder von Dinos und Panzern zu zeichnen. Aber ich liebe es. Ich könnte nichts Besseres tun.


Chappie

Haben Sie nach der Abgabe eines Konzeptes noch Einfluss auf dessen Weiterentwicklung?

Ja, hatte ich. Ich möchte immer die künstlerische Leitung über die Bauten und Skulpturen haben, die aus meinen Designs entstehen. Ich versuche so weit wie möglich involviert zu sein.

Weta hat seinen Sitz in Neuseeland, „District 9“ wurde aber hauptsächlich in Südafrika gedreht. Wie eng verläuft in diesen Fällen die Zusammenarbeit zwischen Künstler und Regisseur? Waren Sie als leitender Konzeptkünstler während der Dreharbeiten vor Ort involviert?

Das hängt vom Projekt ab. Bei manchen Filmen entwirfst du nur das Design, hast vielleicht noch die Möglichkeit etwas über den Aufbau zu sagen, und dann reißt die Verbindung ab – du wartest ab und siehst erst im Film, was aus deinem Design wurde.

Bei „District 9“ war ich im Wesentlichen involviert, vor allem weil Neill Blomkamp ein Regisseur ist, der andere miteinbezieht. Wir wurden während des Films enge Freunde und ich hatte das Glück, einen großen Einfluss auf die verschiedenen Faktoren zu haben, die das finale Erscheinungsbild prägen sollten.

Können Sie uns erzählen, worin genau Ihre Arbeit bei „District 9“ bestand? Welchen Ihrer Vorschläge können unsere Leser im Film umgesetzt sehen?

Ich leitete die künstlerische Entwicklung jeder Requisite, jedes gepanzerten Kostüms, jedes Fahrzeugs, etc., das Weta Workshop baute und das am Set eintraf.

Darüber hinaus war ich der leitende Konzeptdesigner und entwarf defacto die ganze Technik im Film, also die unterschiedlichsten Alien-Waffen, die Raumschiffe und das Exoskelett aus dem finalen Kampf. Wenn es etwas zum Explodieren bringt, habe ich es höchstwahrscheinlich entworfen.

Roboter sind neben Dinosauriern eines Ihrer Lieblingssujets. Wie entstand diese Faszination für Androiden und Kampfmaschinen?

Hm, ich nehme an, das liegt daran, dass ich ein Junge bin? Stehen nicht alle Jungs auf dem Kram?


aus „Dr. Grordborts glorreicher Wegweiser zum Triumph“

In der Science-Fiction haben Roboter eine lange Tradition und manche Maschinen sind längst Realität geworden. Was sind die Herausforderungen bei der Entwicklung eines Androiden für Film- und Fernsehen?

Roboter sind sehr schwer zu designen – zumindest für mich, schwerer sogar als organische Kreaturen oder Figuren. Ein Roboter-Design sollte normalerweise einige emotionale Charaktereigenschaften vermitteln – die Vermittlung eines Gefühls oder einer Reihe von unterschiedlichen Gefühlen und Reaktionen. Es muss aber auch strukturell Sinn ergeben, muss sich korrekt und frei artikulieren können und muss richtig angetrieben werden. Welche Energie treibt jede Verbindung an, kann es baulich die Leistung bringen, für die es entworfen wurde, etc…? Es ist eine ingenieurtechnische Herausforderung wie alles andere auch. Um ehrlich zu sein werden eine Menge Roboter für Filme und Games entworfen, ohne dass diese Dinge eine Rolle spielen, doch wir bei Weta Workshops nehmen sie ernst. Oder zumindest haben wir eine Menge Spaß dabei sie ernst zu nehmen! Ich wüsste gar nicht, wie wir es anders machen sollten.

Sie haben schon öfter mit Neill Blomkamp zusammen gearbeitet. Hatten Sie bereits die Chance „CHAPPiE“ zu sehen? Wenn ja, hat er ihnen als passionierten Roboter-Fan gefallen?

Ich habe (gemeinsam mit meinen Kumpeln Christian Pearce und Doug Williams) dabei geholfen, Chappie zu entwerfen. Ich kann es kaum abwarten, den Film in ein paar Wochen zu sehen!

Zwischen der Arbeit an „King Kong“ und „District 9“ zeichneten Sie Ihre ersten Comics. Wie kamen Sie auf die Idee?

Die Dr. Grordbort-Comics und -Bücher entstanden durch meine Liebe und Vernarrtheit in die frühe Science-Fiction. Wie ich bereits sagte war ich, als ich klein war, besessen von „Flash Gordon“, und später, als Teenager, entdeckte ich mehr über die Pulp-Ära, über Jules Verne, H. G. Wells und die Ursprünge der Science-Fiction. Diese Liebe und der Wunsch, den Kolonialismus, das Empire, männliche Prahlerei und Privilegien, zu persiflieren und durch den Kakao zu ziehen, inspirierten mich dazu, das Dr. Grordbort-Universum um Comics und Bücher zu erweitern.

Beim Lesen fallen Bezüge zum britischen Kolonialismus/Imperialismus des 19. Jahrhunderts und der Technologie des Ersten Weltkriegs auf. Welche Rolle spielt die historische Realität in Ihren Comics?

Für mich ist die historische Realität nur ein Ausgangspunkt – eine lose Ansammlung von Verweisen. Ich mache mir keine große Mühe damit, tatsächliche historische Ereignisse miteinander zu verbinden. Die Welt von Dr. Grordbort ist ein Paralleluniversum, ein „Ableger“ unserer eigenen Welt, als ob die Viktorianer und Edwardiner Jahrzehnte zuvor Strahlenpistolen und Raketenschiffe entwickelt hätten. Die Science-Fiction-Spekulationen der Zeit sind hier real: etwa die Vorstellung, Venus sei ein Dschungelplanet, oder die Annahme, dass Mars von Kanälen durchzogen und die Heimat einer uralten, hochentwickelten Zivilisation sei.


aus „Dr. Grordborts glorreicher Wegweiser zum Triumph“

Benutzen Sie für Ihre Comics oder Strahlenpistolen historische Quellen, oder lassen Sie sich hauptsächlich von der (Pop-)Kultur der Pulp-Ära inspirieren?

Das Science-Fiction-Design und die Kunstrichtungen der ersten 30 Jahre des 20. Jahrhunderts sind eine konstante Inspirationsquelle für die Gestaltung der Dr. Grordbort-Welt: die Architektur, der Jugendstil und Art déco, das gewisse Etwas, das klassischer Science-Fiction wie Flash Gordons Raketenschiff ausmacht – Dr. Grordbort baut auf den Formen und Stilen dieser Ära auf.

Können Sie uns abschließend noch erzählen, an welchen Projekten Sie gerade arbeiten und ob unsere Leser sich in naher Zukunft auf neue Comics oder Filmwesen aus Ihrer Feder freuen können?

„Dr. Grordborts glorreicher Wegweiser zum Triumph“ ist bereits bei Cross Cult erschienen und es ist ein wunderschöner Nachdruck aller Bände von Dr. Grordbort – schaut es euch bitte an!

Dann erscheint demnächst „CHAPPiE“ – ich kann es kaum abwarten!

Außerdem – und für mich überaus aufregend – ist mein erster Abstecher in die Videospielebranche in Bearbeitung. Allerdings kann ich noch nicht allzu viel darüber sagen, außer dass es um Strahlenpistolen und Roboter geht! Es ist eine Zusammenarbeit zwischen Weta Workshop und der großartigen neuen Firma Magic Leap, mit der ich seit einigen Jahren zusammen arbeite. Ich glaube, was wir da gemeinsam erschaffen haben, wird die Leute überraschen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Ich habe zu danken!

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.