17. Juni 2022

Tim Sale (1956–2022)

Der moderne Comic-Meister ist im Alter von 66 Jahren gestorben

Lesezeit: 3 min.

Nach Neal Adams und George Pérez hat die neunte Kunst des grafischen Erzählens binnen kurzer Zeit einen weiteren ihrer großen, ja, ihrer unverkennbaren und unnachahmlichen Meister verloren: Der Amerikaner Tim Sale („Batman: The Long Halloween“, „Spider-Man: Blue“) ist am 16. Juni im Alter von 66 Jahren verstorben. Bereits am Dienstag hieß es, der langjährige Fanfavorit sei wegen verschiedener gesundheitlicher Probleme ins Krankenhaus eingeliefert worden, seine Liebsten baten allerdings via Twitter um Privatsphäre. Schließlich verkündeten Sales Freund Richard Starkings und andere in den Sozialen Medien sein Ableben, auf das Fans, Mitstreitende und Verlage voller Trauer reagieren.

Sein Debüt gab Tim Sale Mitte der 1980er, als er die Comic-Adaption von Robert Asprins Funny-Fantasy-Roman „Ein Dämon zu viel“ (im Shop) tuschte und eine Comic-Interpretation der ebenfalls von Asprin koordinierten Shared World Fantasy-Reihe „Geschichten aus der Diebeswelt“ realisierte. Schon anhand seines Frühwerks konnte man erkennen, dass dieser Tim Sale anders zeichnete, irgendwie anders an die Sache heranging. Ende der 1980er betrat Sale als Zeichner und Tuscher das Comic-Universum von Matt Wagners unabhängiger Heldenserie „Grendel“, außerdem bebilderte er Steven T. Seagles umweltbvewusste Miniserie „The Amazon“. Sales Entwicklungssprünge als visueller Storyteller, aber auch sein Talent – sein Können – als einzigartiger Künstler waren hier schon problemlos zu sehen. Sale hatte einen eigenen Schwung und Duktus, seine Bilder einen markanten Look, bei den Figuren in der Überzeichnung teils an der Grenze zur Karikatur.

1991 tuschte Sale seine erste Batman-Story, ein Jahr später zeichnete er für die Bat-Reihe „Legends of the Dark Knight“ seinen ersten Mehrteiler über den Mitternachtsdetektiv, geschrieben von James Robinson. Mit Sarah E. Byam gestaltete Sale indes „Billi 99“, mit Jim Lee eine „Deathblow“-Saga. Anfang der 1990er arbeitete Sale obendrein an einer Serie über die Abenteurer und Wissenschaftler von DCs Challengers of the Unknown erstmals mit Autor Jeph Loeb zusammen, es folgten zügig „Wolverine/Gambit“ und 1993 ihr initiales Halloween-Special mit dem Dunklen Ritter, dem zwei weitere One-Shots zu Halloween folgten. Danach kreierten Sale und Loeb bei Marvel und DC eine Reihe wundervoller, einprägsamer Sagas über die größten Helden der jeweiligen US-Verlags-Giganten, allen voran natürlich „Batman: Das lange Halloween“, „Batman: Dark Victory“, „Superman: Ein Held fürs ganze Jahr“, „Catwoman: Damals in Rom“, „Daredevil: Gelb“, „Spider-Man: Blau“ und „Hulk: Grau“.

Zudem visualisierte Sale das vom leider ebenfalls bereits verstorbenen Darwyn Cooke geschriebene „Superman: Kryptonit“, eine Fortsetzung zu „Superman: Ein Held fürs ganze Jahr“. Für das TV-Phänomen „Heroes“ schuf Sale indes die Gemälde, die Teil der Geschichte und in den Episoden zu sehen waren. Darüber hinaus illustrierte Sale viele Cover für z. B. die „Batman“-Serie von Tom King vor einigen Jahren. Nach über 25 Jahren kehrten Sale und Loeb vergangenes Jahr schließlich für ein brandneues Sequel zu ihrem Klassiker „Batman: Das lange Halloween“ zurück, diesem Noir-Meisterwerk unter den Comic-Geschichten über den Mitternachtsdetektiv, in dessen faszinierenden Bildern Sale die Magie des alten Hardboiled-Hollywoods beschwor, und das auch als Animationsfilm adaptiert wurde.

Jetzt ist der moderne Meister der neunten Kunst gestorben, und wer könnte je seine Interpretation von Batman, Superman, Krypto, Catwoman, Lex Luthor, Scarecrow und dem Riddler vergessen? Von Marvels nostalgischem, schwingendem New York der 1960er und 1970er oder des retrofuturistischen Gotham Citys im Gewand klassischer schwarz-weißer Noir-Filme? Seine von echten Emotionen sowie zeitloser zeichnerischer Brillanz aufgeladenen Retro-Stücke über Hulk, Spider-Man, Gwen Stacy, Daredevil und Co.? Oder eine der besten, gefühlvollsten Superman-Geschichten aller Zeiten, zu deren einmaligem Seitengemälden Sale nicht zuletzt von den Kunstwerken Norman Rockwells inspiriert wurde?

Auch die Comic-Kunst von Tim Sale, das kann man bei allem Bedauern voller Überzeugung sagen, hat viele Kreative beeinflusst und wird das sicher noch für lange Zeit tun. So, wie die von ihm gezeichneten, in der Folge auf den ersten Blick zu identifizierenden Bildergeschichten viele Lesende begeistert haben und weiterhin begeistern werden.

Ehren Sie diesen großen Künstler und lesen Sie am Wochenende „Superman: Ein Held fürs ganze Jahr“, „Daredevil: Gelb“ oder „Batman: Das lange Halloween“.

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