9. August 2022

Heimkino-Highlights im August

Neues und Altes jenseits des großen Saals

Lesezeit: 8 min.

Jeden Monat die gleiche quälende Frage angesichts eines Bergs von Neu-Veröffentlichungen: „Was lohnt sich?“ – regelmäßige Hinweise der Redaktion sollen das Leben zumindestens ein wenig leichter machen!

 

1. Trouble Every Day (2001)

Bei wem? Rapid Eye Movies Als was? DVD, Blu-ray Wann? 05.08.2022

Worum geht’s? Shane ist ein frisch verheirateter US-Wissenschaftler, der mit seiner Frau June in die Flitterwochen nach Paris reist, wo sie ein Hotelzimmer beziehen. Vorrangig zog ihn jedoch ein anderer Grund in die „Stadt der Liebe“, den er seiner Frau verschweigt: Er befindet sich auf der Suche nach Léo Sémeneau und dessen Frau Coré. Mit ihm betrieb er einst Experimente, in deren Rahmen Coré und Shane sich mit etwas infizierten, was aus ihnen blutrünstige Monster macht, sobald sich die Fleischeslust meldet: Im Blutrausch beißen sie ihre Sexualpartner(innen) tot …

Prognose: Bereits vor „High Life“ wilderte Claire Denis in Science-Fiction-Gefilfe, allerdings dürfte davon kaum jemand mitbekommen haben, denn „Trouble Every Day“ ging in Frankreich 2001 an den Kinokassen gnadenlos unter und wurde hierzulande erst gar nicht veröffentlicht. Das ist traurig, aber auch ein klein wenig verständlich, denn der äußerst seltsame, sperrige Film steht so dermaßen zwischen allen Stühlen, dass man sich noch heute gut die Ratlosigkeit in den Gesichtern der Verleiher vorstellen kann. Das liegt nicht mal an den harten Gewaltszenen, die in ihrer dokumentarischen Nüchternheit an extremes japanisches Horrorkino erinnern (es wundert nicht, dass der Film von einer japanischen Firma co-produziert wurde) und die für die obligatorischen Ohnmachtsanfälle bei der Premiere sorgten, sondern eher an der von konventionellen Zwängen losgelösten Erzählweise, die Handlungsstränge und Motive frei durch den filmischen Raum kreisen lässt ohne sie je zu verschmelzen. Denis interessiert sich in ihrer Inszenierung für das Vergehen von filmischer Zeit, sie kontrastiert die Beobachtung von Alltagsvorgängen mit Momenten voller Tragik und Gewalt und wendet sich immer wieder unvermittelt Blicken oder Details zu, was in einem ganz eigenen Rhythmus, gelegentlich kurz vor dem Stillstand, mündet. Ihre Hauptfiguren, gut besetzt mit den beiden Skandalnudeln Vincent Gallo und Béatrice Dalle, die hier, anders als im echten Leben, Männer nicht nur verrückt machen, sondern auch gleich töten darf, verkörpern dabei weniger echte Charaktere als triebgesteuerte Untote, die verzweifelt versuchen zur Autonomie zu finden. Das führt zu einer Reihe von atemberaubenden Tableaus (in einem besonders schönen Moment wandelt Dalle stumm vor einer blutbespritzt- und -beschmierten weißen Wand entlang), die auch bei all denjenigen haften bleiben werden, die sich beim Abspann fragen, was das alles denn nun sollte. Wirklich schade, dass auf Bonusmaterial komplett verzichtet wurde, dennoch: Wer ungewöhnliche Seherfahrungen liebt, sollte zugreifen.

Trouble Every Day • Deutschland/Frankreich/Japan • Regie: Claire Denis • Darsteller: Vincent Gallo, Tricia Vessey, Béatrice Dalle, Alex Descas, Florence Loiret Caille

 


„Doom - Der Film“

2. Doom – Der Film (2005)

Bei wem? Universal Pictures Home Entertainment Als was? (4K UHD + Blu-ray) Wann? 11.08.2022

Worum geht’s? Irgendwas ist schiefgelaufen auf einer Forschungsstation auf dem Mars. Es werden keine Forschungen mehr betrieben. Die Kommunikation ist abgebrochen. Auch die durchsickernden Nachrichten sind nicht sehr beruhigend: Über die Station wurde eine Quarantäne verhängt und die einzigen Leute mit Zutritt sind eine Gruppe von harten Space Marines, bis an die Zähne bewaffnet, mit genug Feuerkraft, um den Feind auszuschalten … denken sie. Die Forschungen in der Station haben ein Portal geöffnet, durch das alle möglichen albtraumhaften Kreaturen in unsere Realität eingedrungen sind, die jetzt über die ganze Station verteilt den Marines auflauern. Sarge, Reaper und ihr Team müssen alle Waffen, die sie haben oder auf dem Weg finden, dazu benutzen, um ihren Auftrag zu auszuführen. Der lautet: Nichts kommt lebend aus der Station.

Prognose: Was hatte ich doch für pizzatellergroße Augen gemacht, als irgendwann 1994 „Doom“ in meinem Kinderzimmer-PC landete. Der Mund stand scheunentorweit offen, das Adrenalin pumpte bis zu den Haarspitzen, der Alltag sollte fortan vom Spiel der jungen Schmiede id Software dominiert werden. Hausaufgaben, Kumpels, Mädels, Partys: Egal, das nächste Level von „Doom“ musste geschafft werden. Es war eine ganz neue Welt, die sich da auftat: Man heizte über einen – für die damalige Zeit – grafisch atemberaubend umgesetzten Planeten und ballerte Legionen von fiesen Kreaturen zu Brei, wer Munition sparen wollte konnte auch eine Kettensäge einsetzten und seine Gegner genüsslich in handliche Portionen zerlegen. Das Spiel wurde kurze Zeit nach Erscheinen natürlich indiziert, was es selbstverständlich noch cooler machte – sehr lustig auch: Die BPjS-Prüfer waren offenbar so schockiert, dass der Indizierungsbescheid deutlich vom im Handbuch oder im Spiel Dargestellten abwich. Es war aber nicht die exzessive Gewalt, die das Spiel so magnetisierend machte (anscheinend ist es möglich „Doom“ sogar ganz ohne Geschnetzel zu beenden), sondern die rabenschwarze, von einem tollen Soundtrack untermalte, nahezu existenzialistische Atmosphäre: Du, ganz alleine, auf einem fremden Planeten, gegen die Legionen der Hölle.

Eine Atmosphäre von der in der jahrelang angekündigten und 2005 dann endlich erschienenen Verfilmung von Andrzej Bartkowiak nichts mehr übrig blieb. Auch hier saß ich mit pizzatellergroßen Augen und scheunentorweit offenem Mund da: Ich konnte einfach nicht glauben, was aus der Legende meiner Jugendjahre gemacht wurde: Ein überlanges, verquasseltes Stück Sondermüll, von dessen angeblichem 70-Millionen-Dollar-Budget sich die Macher mit Sicherheit mindestens 60% durch die Nase gezogen hatten. Lediglich bei einer kurzen Sequenz, bei der die Action wie im Spiel aus der Ego-Perspektive gezeigt wurde, fiel den Machern wohl kurz ein, was man hier eigentlich verfilmt. Natürlich, es war klar, dass es nicht einfach werden würde, Spieleadaptionen sind grundsätzlich problematisch, aber ein Film wie zum Beispiel John Hyams „Universal Soldier: Regeneration“ (2009) lässt ahnen, was mit jemand Talentiertem hinter der Kamera draus hätte werden können.

Doom –Der Film Deutschland/Großbritannien/Tschechisches Republik 2015 • Regie: Andrzej Bartkowiak • Darsteller: Karl Urban, Dwayne Johnson, Rosamund Pike, Deobia Oparai

 


„Phase IV“

3. Phase IV (1974)

Bei wem? Capelight Pictures Als was? Mediabook (2 x BD, 1 x DVD), Blu-ray, DVD Wann? 12.08.2022

Worum geht’s? Zwei Wissenschaftler arbeiten in einem Forschungszentrum an Experimenten mit superintelligenten Ameisen. Mit Hilfe der hochtechnisierten Ausstattung, die ihnen zur Verfügung steht, gelingt es, die Kommunikation der Ameisen wahrzunehmen.

Im Rahmen einer Testreihe versprühen die Wissenschaftler ein gelbes Gift über dem Ameisengebiet. Millionen der Insekten werden dadurch vernichtet, aber die Überlebenden werden stärker als es Ameisen je zuvor waren. Sie werden zur tödlichen Bedrohung für die Menschheit.

Prognose: Leider der einzige Film von Saul Bass, der sich in der Filmgeschichte vor allem als genialer Vorspanndesigner für Klassiker wie „Psycho“ (1960) oder „Vertigo – Aus dem Reich der Toten“ (1958) verewigt hat. Der Sci-Fi-Thriller besticht mit einer zurückhaltend erzählten, glaubwürdigen Geschichte und einer tollen Inszenierung, die mit vielen extravagant inszenierten Naturaufnahmen aufwartet. „Phase IV“ übte einen großen Einfluss aus (unter anderen auf den nach wie vor viel zu unbekannten „Beyond the Black Rainbow“), gilt mittlerweile als Kultfilm, und da ist es natürlich schön, dass das Capelight-Mediabook mit einer ordentlichen Portion Extras wie einem 44-seitigen Booklet, einem Audiokommentar und – besonders schön – fünf Kurzfilmen von Bass daherkommt. Für Sci-Fi-Fans Pflichtkauf.

Phase IV • Großbritannien/USA 1974 • Regie: Saul Bass • Darsteller: Nigel Davenport, Michael Murphy, Lynne Frederick, Alan Gifford, Robert Henderson, Helen Horton

 


„Munchies“

4. Munchies (1987)

Bei wem? Fokus Media Als was? Mediabook (Blu-ray, DVD) Wann? 15.08.2022

Worum geht’s? Simon Watterman wäre gerne ein angesehener Archäologe oder auch gern derjenige, der die Existenz von Aliens nachweist, weswegen er seinen Sohn Paul mit nach Peru geschleppt hat, um dort bei Ausgrabungen zu helfen. Tatsächlich findet er in einer Tempelstätte unter der Erde ein seltsames koboldähnliches Wesen und nimmt es mit in die USA zurück. In der ländlichen Heimat Sweetwater erweckt das Wesen, welches mit Junk Food, TV und Männermagazinen bei Laune gehalten wird, das Interesse des örtlichen Unternehmertycoons Cecil Watterman, dem Zwillingsbruder Simons. Der wittert eine gute Gelegenheit und entführt mit seinem dementen Stiefsohn den „Munchie“, den man inzwischen Arnold getauft hat. Als es aber zum Streit kommt, bringt sein Stiefsohn den Kobold um – und aus seiner zerhackten Leiche entstehen vier „Munchies“ neu. Und die sind deutlich bösartiger und unterhaltungssüchtiger. Bald steht die halbe Region Kopf …

Prognose: „Gremlins“-Rip-off aus der Roger-Corman-Schmiede, an dem tatsächlich auch „Gremlins“-Beteiligte wie zum Beispiel Tina Hirsch, der Cutterin von „Gremlins“, die hier Regie führt, beteiligt waren. Natürlich ist das typischer Corman-Unfug (selbstverständlich haben die Munchies hier eine große Schwäche für leicht bekleidete Frauen), allerdings Unfug aus einer Zeit, in der aus dem Hause Corman noch B- und keine C- bis D-Filmen kamen und so lässt sich das gut gucken und ist trotz teils schwacher Effekte nicht uncharmant. Ach ja, falls sich jemand fragt, was das mit Science-Fiction zu tun hat: Die Herkunft der Monster unterscheidet sich etwas vom Vorbild, wie im Endtwist deutlich wird.

Munchies • USA 1987 • Regie: Tina Hirsch • Darsteller: Harvey Korman, Charlie Stratton, Nadine Van der Velde, Alix Elias, Charlie Phillips, Hardy Rawls, Jon Stafford, Robert Picardo

 


„Sandman“

… und was gibt’s im TV & Internet?

Raised by Wolves, Staffel 2 – ab 04.08.2022, Warner TV Serie: Die von Sci-Fi-Papst Ridley Scott produzierte Serie kam sehr gut an, die zweite Staffel sogar noch wesentlich besser als die erste, wurde aber dennoch im Juni abgesetzt.

Sandman, Staffel 1 – ab 05.08.2022, Netflix: Großereignis. Wenn die Macher es auch nur halbwegs geschafft haben, Neil Gaimanns ausuferndes Comic-Meisterwerk ins TV-Serienformat zu gießen, wird das einer der Top-Titel 2022.

Locke & Key, Staffel 3 – ab 10.08.2022, Netflix: Verfilmung der großartigen Comics von Stephen-King-Sohnemann Joe Hill und Gabriel Rodriguez, die mit der dritten Staffel endet.

Young Sheldon, Staffel 5 – ab 10.08.2022, ProSieben: Ich hatte „The Big Bang Theory“ nicht nur verschlungen, sondern mir regelrecht in die Adern gespritzt. Mit „Young Sheldon“ bin ich bis heute nicht warm geworden. Aber okay, andere sehen das anders und deswegen gibt`s nun schon Staffel 5.

Resident Alien, Staffel 2 – ab 11.08.2022, Syfy: Drollige Comedy über ein auf der Erde gestrandetes Alien, das versucht die Auslöschung der Menschheit zu verhindern und es dabei unter anderem mit einer Alienjägerin zu tun bekommt.

She-Hulk, Staffel 1 – ab 17.08.2022, Disney+: Es dürfte mittlerweile kein großes Geheimnis sein, dass ich nicht allzu gut auf Marvel-Adaptionen zu sprechen bin, aber diesem „Ally Mc Beal“-Verschnitt würde ich vielleicht eine Chance geben. Das sieht ja ganz nett aus und Jessica Gao als Showrunnerin ist nicht die schlechteste Wahl. Anderseits: Wann hat sich die Wahl der Kreativen bei Marvel-Produkten je mal wirklich bemerkbar gemacht?

He-Man and the Masters of the Universe, Staffel 3 – ab 18.03.2022, Netflix: Die dritte Staffel der ganz putzigen Masters-Serie.

DMZ, Staffel 1 – ab 24.08.2022, Sky Atlantic: … und noch eine Comic-Adaption, dieses Mal basierend auf der Sprechblasen-Dystopie von Brian Wood und Riccardo Burchielli aus dem Hause DC/Vertigo. Inhaltlich dreht sich alles einen weiteren Bürgerkrieg, der in Amerika ausbricht. Inmitten der Kriegswirren sucht eine Ärztin ihren Sohn. Die bisherige Resonanz (hier unsere Review) ist eher mau.

Andor, Staffel 1 – ab 31.08.2022, Disney+: Na ja, „Star Wars“ halt, ne? Mittlerweile die fünfte (!!!) Serie seit dem Ende der Disney-Kinofilmtrilogie 2019. Könnt ihr euch noch an die Zeit erinnern, in der „Star Wars“ noch etwas ganz Besonderes war? Lang isses her …

Abb. ganz oben: „Trouble Every Day“, Rapid Eye Movies

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