Sex im Weltraum
Claire Denis dreht mit „High Life“ ihren ersten Science-Fiction-Film, zumindest im Prinzip
„Trink niemals deinen eigenen Urin. Iss niemals deine eigene Scheiße. Auch wenn sie recycelt wurden.“ Wenn man Robert Pattinson solche Sätze sagen hört weiß man, dass man mitten in einem sehr ungewöhnlichen Film steckt. Seit er durch die Twilight-Reihe weltberühmt wurde, hat sich Pattinson zu einem der experimentierfreudigsten jungen Schauspieler unserer Zeit entwickelt, hat mit Regisseuren wie David Cronenberg, Werner Herzog oder James Gray gedreht und fügt dieser Reihe nun einen weiteren illustren Namen hinzu: Claire Denis. Ein Science-Fiction-Film ist es offiziell, was Denis und Pattinson zusammen gedreht haben, doch in erster Linie ist „High Life“ ein Claire Denis-Film, mit vielen ihrer Stärken und manchen Schwächen.
Wie meist erzählt Denis auch in ihrem ersten englischsprachigen Film betont elliptisch und rätselhaft. Zu Beginn befindet wir uns auf einem Raumschiff, das nur noch von Monte (Pattinson) und einem kleinen Kind (Scarlett Lindsey) bevölkert wird. In welchem Verhältnis die beiden stehen bleibt lange offen und wird streng genommen nie ganz enthüllt, Rätsel in den Raum zu stellen, ohne sie zu lösen war schon immer ein Stilmittel von Denis.
Auf einer gewagten Expedition befand oder befindet sich das Raumschiff, soviel ist verständlich. Die Energie eines schwarzen Lochs soll angezapft werden, eine Selbstmordmission, doch die Rettung der Menschheit scheint auf dem Spiel zu stehen. Seltsamerweise muss einmal pro Tag ein Computerprogramm von Menschenhand bedient werden, es ist also nötig, dass sich die Bordbewohner auf der Jahrzehntelangen Reise fortpflanzen. Dies geschieht jedoch nicht auf die bekannte Methode, sondern auf Anweisungen der rätselhaften, vor allem aber doch diabolischen Ärztin Dr. Dibs (Juliette Binoche), in dem Männer an Bord onanieren und ihr Samen den Frauen eingeführt wird. Allein Monte entzieht sich dieser Prozedur, er lebt ein mönchartiges Leben und ist gerade deswegen so verführerisch für Dr. Dibs.
Um Begierde geht es oft in Denis‘ Filmen, um Obsessionen, die zum Missbrauch führen. Manchmal lotet sie diese Themen wie in „Meine schöne, innere Sonne“ auf spielerische Weise aus, manchmal, wie in „Basterds“, dringt sie in die dunkelsten Abgründe der Menschen vor. Auf diesem Spektrum bewegt sich „High Life“ etwa in der Mitte, es gibt hier zwar eine mit Dildos und anderen Apparaturen gespickte Fuckbox, in der die Männer der Crew ihre Gelüste ausleben und später Dr. Dibbs einen veritablen Samenraub vornimmt, doch dem Grauen an Bord, das unweigerlich zur langsamen Eliminierung fast sämtlicher Besatzungsmitglieder führt, steht die Zärtlichkeit von Monte gegenüber, der sich um das Baby kümmert. Das vielleicht sogar sein Baby ist, was angesichts der unweigerlichen demographischen Frage, die sich den einzigen Überlebenden stellt, schließlich zum Thema Inzest führt, einer anderen, extremen Form der Begierde.
Auch wenn sich Claire Denis rudimentär bemüht, Zeichen eines Science-Fiction-Films zu streuen – ein paar Aufnahmen von Sternen, klobige Raumanzüge, etc. – bleibt sie am Ende doch ganz bei sich: Beim ausloten extremer, oft unangenehmer Fragen über die menschliche Natur, Begierden, Gelüste. Was sie damit andeutet und herausfindet verändert sich auch durch die Weiten des Weltraums nicht. Der Schauplatz mag ein anderer, ein kosmischer sein, doch am Ende bleibt der Mensch immer Mensch.
„High Life“ läuft seit dem 30. Mai im Kino. Abb. Pandora Film.
High Life • USA/ Frankreich/ Deutschland 2018 • Regie: Claire Denis, Darsteller: Robert Pattinson, Juliette Binoche, André Benjamin, Mia Goth, Lars Eidinger, Agata Buzek, Claire Tran, Ewan Mitchell, Gloria Obianyo, Scarlett Lindsey
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