15. August 2018 2 Likes

>>Wiederentdeckt: Panos Cosmatos‘ „Beyond the Black Rainbow“

oder Der ultimative Trip

Lesezeit: 4 min.

Manchmal gibt es Romane, Comics, Filme oder Musik, die in der Zeit ihrer Entstehung durchs Raster fallen. Die veröffentlicht werden und dann einfach – verschwinden. Verschwinden, oder unverdienterweise vergessen werden. Manchmal lohnt sich aber ein zweiter Blick.

Acht Jahre danach und kurz bevor „Mandy“ in die Kinos kommt, kann man wohl noch einmal auf „Beyond the Black Rainbow“ zu sprechen kommen, obwohl „Wiederentdeckt“ vielleicht nur bedingt die richtige Rubrik dafür ist. Denn die meisten dürften von Panos Cosmatos‘ Debut nicht einmal gehört habe. Erschwerend kommt hinzu, dass der Film nur mit etwas Mühe (sprich: als Import. Oder auf YouTube) zu sehen ist. Aber damals, 2010, ging ein (sehr kleines) Beben durch die Reihen derer, die sich nicht so sehr für den Mainstream interessieren, sondern eher am Rande des Geschehens unterwegs sind. Dort eben, wo die Dinge geschehen, für die das „große Publikum“ selten Interesse hat. Wo die Dinge auch mal etwas sperrig, schräg oder verstörend sind. Auch ist dort nur selten viel Geld im Spiel, was man dann auch meistens sieht.

„Beyond the Black Rainbow“ wird in der Regel sofort mit bekannten Namen in Verbindung gebracht. Stanley Kubrick fliegt einem fast immer als erstes um die Ohren, gefolgt von David Lynch und Andrei Tarkowski. Größen ihrer Zunft, egal was man im Einzelnen auch von ihren Werken halten mag. Und schaut man BtBR dann an, wird auch sofort klar, warum das so ist. Denn erstens wird man an die Filme dieser Leute erinnert. Und zweitens sucht man schnell nach Vergleichen, weil man etwas verzweifelt ist und sich beim Betrachten immer mal wieder fragt: Was zum Geier sehe ich da eigentlich?

Denn obwohl der Plot der Geschichte alles andere als umfangreich ist, gerät jede Zusammenfassung rasch zu Interpretation und Banalisierung. Sicher ist: Die junge Elena, die offenbar über parapsychische Gaben verfügt, befindet sich in Gefangenschaft. Sie wird von einem Mann, Barry Nyle, beobachtet, befragt, bewacht, manipuliert, dessen Verhältnis zu ihr offenbar persönlich ist. Beide befinden sich in einer fensterlosen, spartanisch, aber stylish (70er) eingerichteten Anlage. Drei weitere Menschen sind dort, Margo (eine Bedienstete von Nyle), Rosemary (möglicherweise Nyles Mutter) und Dr. Mercurio Arboria, der offenbar der Gründer der Anlage ist, die wohl als eine Art esoterische Kommune/Sekte begann, die Bewusstseinserweiterung zum Ziel hatte. Die Zeichen stehen aus Eskalation – etwas wird diese Konstellation stören oder zerstören, so viel ist klar.

Aber der Plot ist nicht mal die Hälfte dessen, was BtBR ausmacht, denn tatsächlich ist Cosmatos‘ Film vor allem ein audiovisuelles Erlebnis; was den Sohn von George P. Cosmatos (Rambo 2, Cobra) in die Reihe anderer idiosynkratischer Filmemacher wie Gaspar Noé, das Duo Cattet/Forzani, Jonathan Glazer oder Yorgos Lanthimos stellt. Da wird schnell die Floskel „Style over substance“ bemüht, deren Verfechter Film aber viel zu kurz und seltsam einschränkend als reines Erzählmedium begreifen. BtBR aber ist zunächst einmal ein sehr seltsamer, sehr zähflüssiger Rausch aus Farben, Formen und Musik, was seinen vollendeten Ausdruck in einer bestechenden Sequenz findet, in der ein Protagonist in eine ölige Flüssigkeit taucht, aus der er bewusstseinsverändert wieder emporsteigt.

Ästhetisch ist das klar in den späten 60ern und vor allem frühen 70ern daheim, in einer Zeit also, als Drogenrausch nicht zwangsläufig mit Tod in der Gosse oder Rehaklinik in Verbindung gebracht wurde. Die Farben sind klar und entschieden, die Räume karg, überall sind reflektierende Flächen und der Score dröhnt und pluckert wie in der Frühzeit der Elektronischen Musik. Die (sehr wenigen) Dialoge taugen nur bedingt dazu, der Geschichte Kontur zu verleihen, sie verstärken eher die Untiefen. Und immer wieder passieren Dinge, die man nicht in einen Kontext einbinden kann, die mysteriös bleiben, die man nur mit einiger Fantasie zu einem Bild formen kann. Und je länger man schaut, desto seltsamer wird es, desto gebannter starrt man auf den Bildschirm.

Handlungszeitraum ist allerdings 1983. Das heißt, der Traum von einer besseren Welt ist längst ausgeträumt und Flower Power ist (kommerzieller) Esoterik und Designerdrogen gewichen. Die Kuppel, in der BtBR spielt, ist ein seltsames Zwischenreich, in der sich die Ästhetik der 70er und 80er mischt.

BtBR ist etwas für Leute, die das Avantgardistische auch in den Werken von Argento und Fulci (mit denen BtBR mindestens so viel zu tun hat wie mit Kubrick) entdecken können, ohne dabei gleich Brechreiz zu bekommen. Für Leute, die einen ästhetischen Rücksturz in die Zeit nicht nur als Retro-Reflex verstehen, sondern auch als Reflexion über Vergangenes. Und die auch kein Problem damit haben, am Schluss beinahe rüde aus der hypnotischen Atmosphäre gerissen zu werden – wie im vielgescholtenen Finale des Films, in dem Cosmatos die Eso-Kuppel verlässt und die reichlich schnöde Außenwelt betritt. Aber jeder Trip ist mal vorbei, und was eben noch ein enigmatisches Wesen aus einer anderen Welt zu sein schien, ist plötzlich nur noch ein schlecht geschminkter Schauspieler, der in der Wüste rumlatscht. Und das ist einfach nur großartig.

Beyond the Black Rainbow • USA 2010 • Regie: Panos Cosmatos • Darsteller: Eva Bourne, Michael Rogers, Scott Hylands, Rondel Reynoldson, Marilyn Norry

Ebenfalls wiederentdeckt:

„Schemen“ von Bentley Little

„Anderland“ von Jens Lien

„Inhumans“ von Paul Jenkins und Jae Lee

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